Predigt MCC Köln 23. Okt. 2016
Ines-Paul Baumann
Micha 6,6-8 („Der rechte Gottesdienst“) & Matthäus 18,21-35 („Von der Vergebung: Der Schalksknecht“)
Wenn ich Fehler mache (und es mitbekomme), bin ich oft der allererste, der mit sich ins Gericht geht. Wenn ich mir oder anderen etwas schuldig bleibe, erhebt sich in mir eine Stimme der Anklage. Und dann stehe ich vor mir selbst wie im Gleichnis der letzte in der Reihe und wundere mich: Da rede ich immer davon, dass Gott mich angenommen und freigesprochen hat – und wenn ich mir nur ein bisschen was zu schulden kommen lasse (das kann vergleichsweise noch so wenig sein), steht dieser innere Ankläger in mir auf und stellt unerbittlich seine Forderungen. Das ist die Perspektive, mit der ich heute auf Jesu Worte blicke.
Im Anklagen und Verurteilen meiner Selbst bin ich geübt.
Einen Gott oder eine Kirche, die mir erzählt, wie schlecht ich bin, brauche ich dafür gar nicht.
Dabei habe ich Kirche durchaus oft genug als Ort erlebt, der mir vor Augen hielt, wie ungenügend ich bin. Ganz wie bei Micha 6,6-7 stand immer die Frage nach den Voraussetzungen im Raum, bevor mensch sich Gott nähern durfte.
Bei den einen kannte ich die Regeln und die Sätze nicht: Wer sagt wann was, wann stehe ich, wann sitze ich? Ich gehörte ganz offensichtlich nicht zum inneren Zirkel der Gottnahen.
Bei anderen gehorchte ich den Regeln nicht, was die korrekte Lebensführung eines Christenmenschen angeht. Damit durfte ich nicht mal Gemeindemitglied werden.
Wieder bei anderen fehlte mir der richtige Musikgeschmack, um in die emotionale Welle der Gottesnähe einzutauchen, die offenbar alle um mich herum ergriffen hatte.
Nicht zu vergessen all jene Predigten, die mir Selbsterniedrigung als die Krönung christlicher Selbstoptimierung nahelegten.
Und zu all dem kam immer wieder das Problem, das offenbar auch Petrus hatte, wenn er an seine Brüder und Schwestern im Glauben dachte: Wie soll ich das mit denen nur aushalten?
Ich meine, ist das nicht bezeichnend? Da tut Jesus kund: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20) – und das ERSTE, was Petrus einfällt bei der Vorstellung, mit anderen Anhängern Jesu versammelt zu sein, sind die Grenzen seiner Vergebungsbereitschaft! (Mt 18,21)
Immer wieder kommen Menschen auch in unsere Gemeinde in der Hoffnung, dass hier alles nett und gut ist. Sollte es das nicht auch sein, wo wir Gottes Heil und Heilung und Heiligung verkünden? Sollte ich nicht wenigstens hier angemessen wahrgenommen und gewürdigt werden? Aber nein, dann ist xy wieder nur mit sich selbst beschäftigt, und yz hat mich schräg angeguckt, und xz hat mir eine blöde Frage gestellt, und überhaupt, da bleibe ich doch lieber gleich zuhause.
Nein, auch bei uns ist nicht immer alles gut, und ich möchte uns heute zusprechen, dass Gott hierin auf unserer Seite ist. Und damit meine ich jetzt ausdrücklich: Gott stellt sich an die Seite derer, die Fehler machen.
Du hast ein Recht darauf, dass dir vergeben wird! Du hast ein Recht darauf, Fehler zu machen!
Und wenn noch so viele Petrusse neben dir sitzen, die immer alles richtig zu machen meinen: Sie werden lernen müssen, dir zu vergeben. Nicht nur ein Mal, nicht nur zwei Mal. Nein, so oft, bis sie mit dir klarkommen. Dass deine Fehler sie nerven, ist ihr Problem, nicht deins.
Es gibt nichts, was sie dir aufhalsen dürfen, damit du dich Gott nahen kannst. Hier ziehen die beiden Lesungen von heute an einem Strang.
Gott hat keinen Spaß daran, dass wir uns opfern und aufopfern.
Selbstkasteiung, Selbsterniedrigung, Selbsthass, Selbstanklage: Gott ist es nicht, die das von uns fordert!
Im Gegenteil: Wenn du dich damit herumschleppst, stellt sich Gott an deine Seite, um dich davon zu befreien.
Wenn es zu deinen Fehlern gehört, dich dauernd selbst anzuklagen und zu verurteilen, dann rufen unsere heutigen Texte dir zu: Du hast ein Recht auf Vergebung!
Beide Texte wehren sich gegen Gemeinschaften, in denen nur diejenigen Platz haben, die immer alles richtig machen.
Niemand soll unter denen leiden, die immer alles richtig machen.
Ihre Ansprüche sollen dich nicht in die Knie zwingen (auch nicht auf den Kirchenboden).
Das gilt genauso für meine und deine inneren Ankläger, die uns unsere Fehler immer wieder vorhalten. Wir haben ein Recht auf Vergebung.