Predigt MCC Köln, 16. September 2018
Manfred Koschnick
Apostelgeschichte 12,1-11 („Die wunderbare Befreiung des Petrus“)
Wunder geschehen
ich hab’s gesehen
es gibt so vieles was wir nicht verstehen
Wunder geschehen
ich war dabei wir dürfen nicht nur
alles glauben was wir sehen
Ja,
Ihr habt recht gehört. Ich rede heute über ein Wunder, die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis. Stellt Euch vor, Ihr wäret ein Prediger / eine Predigerin. Was würde Euch einfallen zu dieser Befreiungs-Geschichte?
- Befreiung wie aus Ägypten, aus Babylon, Konzentrationslager, Gefangenschaft Johannes‘ des Täufers, oder Paulus‘ Befreiung aus dem Knast, die iranische Bedrohung Israels, … ?
- Wie Gott uns aus den modernen Süchten befreit ?
- Wie Christen in vielen Ländern noch heute wie Petrus mit dem Tode bedroht werden ?
- Wie Bonhoeffer in der Todeszelle der Nazis saß ?
- Wie Christen in Deutschland als Sonderlinge ausgegrenzt, ggf. sozial getötet werden, wenn sie bei unchristlichen Verhaltensweisen anderer (wie z.B. der Diskriminierung von Asylanten) nicht mitmachen ?
- Wie Gott der Steinigung des heiligen Stephanus und dem Mord an Jakobus kurz zuvor tatenlos zusah ?
- Wie das Gemeindegebet als Waffe gegen Herodes Antipas erfolgreich eingesetzt wurde ?
- Wie wir uns auch heute der Allmacht Gottes, also eines spirituellen Rezeptes, durch das Gebet bedienen können, wenn wir nur fest genug glauben ?
- Wie die vom Engel überlisteten unschuldigen Soldaten vom wütenden König getötet wurden ?
So könnten sich noch viele Predigtthemen aus der biblischen Geschichte ergeben. Juden fragten vielleicht, „Wie kann das wahr sein, dass Gott diesem Häretiker Petrus, diesem Verräter des jüdischen Glaubens hilft“. Mit all diesen Fragen und Themen lasse ich Euch heute allein. Mich interessierte bei der Predigtvorbereitung nur, was die Menschen der Straße fragen. Fragt man nämlich heute willkürlich irgendwelche Passanten zum Beispiel in der Hohe Straße am Dom, welche Frage sie bei der Geschichte interessiert, hört man oft auch: „Wie kannet denn angeh’n, wie iset dann möchlich, dat ein Jeistwese wie ne Engel dursch Telekinese Jefangene us ihre Ketten befreid? Sin dat jetz de alternative Fakten oder ne olle Märsche oder ne Fake?“ Diese Frage stellte in der Urgemeinde anscheinend niemand. Dieser Unterschied zu heute interessiert MICH!
Zunächst möchte ich Euch in Teil 1 einen Gedanken einiger (historisch kritischer) Theologen an’s Herz legen und verständlich machen, danach in einem Teil 2 meine persönliche Erfahrungen mit Wundern, meine Meinung, mein Bekenntnis – und dann entscheidest Du selbst, ob Du glauben willst, dass ein Engel tatsächlich ganz real Petrus befreit hat – und könnt dann (wenn Ihr wollt) Eure Ansicht hier freimütig im Predigtnachgespräch vertreten. Der Raum dafür ist da, die Freiheit der Gedanken auch.
Teil 1: Gedanken einiger (historisch kritischer) Theologen
Das Stück „Ein Sommernachtstraum“ von W. Shakespeare kreist um Liebschaften und Zauber, um echte und falsche Gefühle, um Macht und Liebe. Fabelwesen wie Kobolde und Elfen wirken auf Menschen ein und mit ihnen. Zauberei und Verwandlungen finden statt. Es ist das vielleicht meistgespielte Theaterstück der Welt. Fragten die Zuschauer im 16. Jahrhundert, ob sich alles objektiv genau so zugetragen hat, wie es auf der Bühne inszeniert wurde? Nein! Fragen die Menschen heute, ob Jesus wirklich richtigTote auferweckt hat und ein Engel leibhaftig den Petrus von seinen schweren Ketten und aus dem Knast befreit hat? Ja!
Shakespeare im ausgehenden Mittelalter bietet etwaigen Skeptikern eine Deutungsmöglichkeit an. Er lässt der Kobold Puck sagen, dass man sich das ganze Theaterstück als nächtlichen Traum vorstellen soll – ohne Logik, ohne wissenschaftliche Überprüfbarkeit, und dennoch in einer gewissen Weise wahr. Genau so fällt Petrus in eine traumähnliche Trance, in der er nicht weiß, ob er träumt oder etwas real erlebt. So müssen auch wir es nicht wissen! Auch wenn Petrus sich für die Variante Realität entscheidet, da er tatsächlich befreit wurde, wäre irgend eine andere genau so unbeweisbare unbewusste Erklärung denkbar, die durch die Trance verdeckt wurde. Die Triebe sind im Traum von der vernünftigen Kontrolle des wachen „Ich“ befreit. Daher bereiten die Träume uns Lust, aber auch Schrecken. Unzählige Interpretationen beschäftigen sich damit, und kein Student der Anglistik fragt: „War das wirklich so, dass sich die indische Prinzessin leidenschaftlich in einen Esel verliebt hat?“
Keiner fragt: „Warum können eigentlich der König der Löwen und der Fisch Nemo sprechen – ist das biologisch erklärbar?“ Warum fragt keiner? Es liegt an dem Format, also der medialen Form! Wenn wir hören
Es war, als hätt‘ der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst‘.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
, dann vermissen wir nicht den Hinweis auf die Isobaren oder die Windrichtung, nicht die Hoch- und Tiefdruckgebiete oder genaue Angaben über die Temperatur in Celsius oder Fahrenheit. Wir merken sofort, dass es sich bei der Naturbeschreibung um ein Gedicht handelt, um Poesie. Und wir erwarten beim Wetterbericht widerum nicht die Poesie. Wir wissen, dass ein Theaterstück, ein Schlager oder eine Polemik wie die des Kabarettisten Böhmermann gegen Herrn Erdogan mit großen unwissenschaftlichen Freiheiten spielen kann, um eine Botschaft des Autors zu transportieren. Das gestehen wir den Autoren der Apostelgeschichte aber seltsamerweise nicht zu (!) , ….weil wir heutzutage das antike „Format“, den Sitz im Leben nicht mehr kennen. Es folgt nicht den Prinzipien heutiger historischer Forschung. Es setzt sich u. a. zusammen aus heute weithin vergessenen Strukturen und Prinzipien im Aufbau der griechischen Komödie und Tragödie, den ersten christlichen Predigten der Urgemeinden, Erzählformen des AT und der Liturgie. Beispiel: „Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe…“ war ein vertrauter liturgischer Text, den die damaligen Leser und Hörer des Paulusbriefes als solchen (er)kannten und daher nicht Paulus zuschrieben. Paulus konnte mit dem Zitat darauf hinweisen, dass er auf dem Boden des beginnenden Christentums stand – einer, wie sich später erwies, durch ihn (Nationalgrenzen und Kulturgrenzen übergreifend) gestifteten neuen Religion.
Die Evangelien und die Apostelgeschichte wurden damals nicht zwingend als historisch genaue Darstellung der Ereignisse verstanden, sondern als Transportmittel / Medium z.B. einer spirituell-christlichen Haltung der Urgemeinde, ihrer Beziehungsqualität Gott, den Aposteln und Jesus gegenüber, und als eine literarisch kreative Beschreibung der Eigenart Jesu und seiner JüngerInnenschaft. Das gilt besonders für die Wunder. Die Bibel kann nicht beweisen, dass es Wunder gibt. Theologen können nicht beweisen, dass es Wunder nicht gibt. Wundergeschichten als rhetorisches Stilmittel sind nicht das eigentliche Thema, um das es geht. Mag also sein, dass diese Predigt am Thema vorbei geht, …nicht aber an den heute zweifelnden Menschen!
Was ist nun die in der Geschichte verschlüsselte Botschaft von der Befreiung des Petrus? Dass Gott manchmal hilft, wussten wir schon. Dass Beten manchmal hilft, wussten wir auch schon. Dass aus dem Guten Gottes das Böse entstehen kann (wie bei der Tötung der Wachsoldaten), wussten wir auch schon. Was war das Neue in Kapitel 12 der Apostelgeschichte? Es ist dies: Gott hat nicht nur Paulus gerettet, sondern auch Petrus! Der ungebildete Fischer Petrus ist in seiner Bedeutung vor Gott gleich rettenswert wie der theologisch-intellektuelle Superstar Paulus. Die Autoren der Apostelgeschichte wollten ein kirchenpolitisches Gleichgewicht in den Urgemeinden herstellen. Es ist ihnen langfristig nicht gelungen. Paulus hat gesiegt.
Teil 2: Meine persönliche Erfahrungen mit Wundern
Im zweiten Teil der Predigt erzähle ich Euch ein wenig von meinen Erfahrungen, die ich mit einem spirituellen Lehrer Namens Dieter Jarzombeck gemacht habe.
Wir waren in dem schönen Seminarhaus GENESE bei Offenburg und hatten Pause. Gemeinsam verbrachten die meisten die Pause im Garten. Ich ging am Seminarraum vorbei und hatte plötzlich den Wunsch hineinzugehen, denn die ruhige Atmosphäre und die kraftvolle Ausstrahlung taten mir gut. In der Mitte des Raums saß unser spiritueller Meister im Schneidersitz. Er hatte nicht mehr Ausstrahlung als irgendein banaler toter Gegenstand, z.B. ein Stuhl, auf den niemand achtet. Trotzdem flößte gerade diese ungewöhnliche Situation unheimlichen Respekt ein, und schnell verließ ich den Raum. Als die Pause beendet war, erzählten einige in der Runde von einem Streit, der sich während der Pause zugetragen hatte. Der spirituelle Lehrer wusste schon alles und konnte zitieren, was einzelne dazu beigetragen hatten. Wie war das möglich? Er sagte, er sei mit seiner Seele aus dem Körper ausgetreten und sei unsichtbar bei den Streitenden gewesen. Dann habe ein Engel ihn aufgefordert, in den Körper zurückzukehren – und ihm dabei geholfen.
Ich könnte etliche solcher Geschichten erzählen…, aber nun nur noch diese eine. Ich war bei einer Freundin in Berlin-Neukölln. Es war ein schwül heißer Sommertag in der Stadt und die Luft stand in den Straßen. Nirgendwo war auch nur ein leisester Windhauch zu spüren. Wir gingen zu einem Eiscafé und setzten uns unter einen der Sonnenschirme. Wir waren die einzigen Gäste. Ich erzählte, dass der spirituelle Meister uns aufgetragen hatte, in der Öffentlichkeit nicht hinterrücks schlecht über ihn zu reden. Darüber machten wir zwei dann unsere Witze. Plötzlich. sobald wir mit dem Lästern begonnen hatten, fegte ein heftiger Windstoß durch das Straßencafe, und zwar nur genau dort – vielleicht sogar nur an unserm Tisch. An den Bäumen rührte sich kein Blatt. Der Windstoß fühlte sich an wie eine Ohrfeige. Wir gingen davon aus, dass dies ein Zeichen des Meisters war, mit dem Lästern aufzuhören. Ich gehorchte. So reihte sich in Zusammenhang mit Dieter Jarzombeck Wunder an Wunder. Und darum „muss“ ich aufgrund meiner Lebenserfahrung an Wunder glauben, dies bekennen und kann nicht ausschließen, dass ein Engel Petrus die Ketten gelöst hat. Wunder geschehen. „Ich hab’s gesehen, ich war dabei. Es gibt so vieles was wir nicht verstehen. Wunder geschehen; ich war dabei wir dürfen nicht nur an das glauben was wir sehen!“
Was ich hier sage, ist meine Meinung, keinesfalls die Meinung der MCC. Ich glaube aber, dass die meisten Menschen es wissen wollen, wofür ein Prediger steht und was er glaubt. Ich glaube also, dass innerhalb unseres Universums nichts außerhalb unserer Naturgesetze dieses Universums geschieht, dass jedoch längst noch nicht alle Naturgesetze und Phänomene entdeckt wurden. Im Nanobereich könnte noch manch bislang unbekanntes Phänomen oder Naturgesetz entdeckt werden. Es war bislang nur eine Frage der Zeit, bis die Wissenschaft viele Behauptungen aus der Esoterik bestätigte. Dies geht so weit, dass mittlerweile sogar Krankenkassen Akupunktur abrechnen, weil man inzwischen die Chakras und Energiebahnen im Körper nachweisen kann. Gott, so glaube ich, ist Schöpfer vielleicht mehrerer Paralleluniversen mit ganz anderen Naturgesetzen und muss daher unabhängig von ihnen sein, auch wenn er sich in ihnen und in Jesus Christus „übersetzt“ und offenbart. Er ist also nicht Teil unserer Naturgesetze und nicht aus ihnen entstanden. Der Mensch hat Gott nicht erschaffen, sondern Gott hat die Menschen mit ihrer Fähigkeit, spirituell zu glauben, durch die Naturgesetze erschaffen. Was Menschen erschufen, nenne ich Religion.
Zum Schluss: Ich persönlich nehme an, dass es sich bei der „Befreiung des Petrus“ Apg. 12, 6-11 um eine Legende handelt – so wie die Rede von Heinrich Lübcke in Afrika, die er angeblich mit den Worten begann: „Meine Damen und Herren, liebe Neger…!“ Die Lübcke-Geschichte wird von vielen Deutschen für wahr gehalten, ist aber eine Legende. Die Legende, das Narrativ, blickt mit Humor auf die Anfänge der BRD und beschreibt, dass es nach der Nazidiktatur nicht leicht war, „political correctness“ zu erlernen. Die Legende Apg. 12, 6-11 war m. E. das gemeinschaftsbildende Narrativ für die Anhänger des Petrus und musste aus diplomatischen Gründen in die Apostelgeschichte aufgenommen werden. Ich weiß. Das kann man alles auch ganz anders sehen. AMEN