Predigt MCC Köln, 26. Nov. 2017
Ines-Paul Baumann
Lukas 12,42-48: „Das Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht“
So hätte Jesus nicht predigen dürfen in der MCC Köln am 26.11.2017! Angst schüren, um Glauben zu schüren? Um Leute zu bewegen, das zu tun, was er für richtig hält? (Und es gibt ja so einige weitere Stellen in den Evangelien, die einer solchen Predigt-Taktik als Futter dienen…)
Ein Psychoanalytiker hat solche Evangeliums-Texte irgendwie so ausgelegt, dass es wichtig sei, in die Angst reinzugehen und mir ihr zu arbeiten, weil wir nicht nur rationale Wesen seien, und der Weg auch über Triebe und Träume samt der Ängste darin aus dem Endlichen ins Unendliche führen kann… – Ich bin kein Therapeut und verstehe unser Gemeindeleben auch nicht als Versuchsraum dafür. Ich will die Angst also nicht wegreden – in unserem Glauben IST Raum auch für unsere Ängste – aber ich will sie auch nicht schüren.
Bezogen auf den Predigttext setzt die Angst viel früher ein. Die Angst kriecht ausgerechnet da in die Situation hinein, wo Jesus die schönsten Teebeutel-Sprüche von sich gibt, geeignet für jede Postkarte und jeden „Mach dein Leben besser“-Ratgeber: „Sorgt euch um nichts!“, sagt er, und erläutert: „Gott weiß, was ihr braucht. Lebt im Vertrauen statt in der Sorge!“ Und falls sie es immer noch nicht verstanden haben: „Fürchtet euch nicht!“
Das Problem ist die Konsequenz, die Jesus aus einem solchen Gott-Vertrauen zieht: Wenn du nicht in Sorge leben musst, weil doch Gott weiß, was du brauchst (und willens sowie in der Lage ist, dir das bereitzustellen) – dann bau auch dein Handeln nicht mehr auf deine Sorgen auf. Wenn du dich nicht um morgen sorgen musst, horte nicht heute, was du erst morgen brauchst. Mit den Worten des Jesus im Lukas-Evangelium: „Verkauft, was ihr habt, und gebt Almosen. Macht euch Geldbeutel, die nicht veralten.“
Selig sind, die das nicht wörtlich nehmen! Unbehelligt können sie weiterleben, die hierin lediglich „schöne Bilder“ sehen, die Jesus als einen weisen (anders gesagt: etwas idealistischen) Meister verstehen, die den Teebeutel-Spruch beim Frühstück andächtig lesen und anschließend ihre Bank danach auswählen, wo sie die höchsten Zinsen bekommen.
Mit solchen Leuten redet Jesus hier aber nicht. Er redet mit Leuten, die es ernst mit ihm meinen. Petrus vergewissert sich ein Gleichnis später nochmal explizit: „Jesus, sagst du das Gleichnis zu uns oder auch zu allen?“ (Wahrscheinlich meinte er es umgekehrt: „Sagst du das Gleichnis zu allen – oder auch zu uns?“)
Wie so oft spricht Petrus hier aus, was andere nur denken. Jesus stellt radikale Forderungen, und eine gewisse Abwehr wäre vielleicht durchaus eine vernünftige Reaktion: „Jesus, das geht doch nicht!!?!“
Hier ist die Angst schon reingekrochen, und nun muss sich Jesus mit der Angst auseinandersetzen, die seine Worte geweckt haben.
Ich glaube nicht, dass Jesus von dieser Angst überrascht oder genervt war (nach dem Motto: „Leute, wenn ihr DAVOR schon Angst habt, dann zeige ich euch mal, was ihr WIRKLICH fürchten solltet!“).
Ich glaube, dass Jesus sehr wohl klar war, dass seine Forderungen die Welt in ihren Fundamenten erschüttern – und dass es deswegen über kurz oder lang zum Konflikt kommt. Die Maßstäbe Jesu und die Maßstäbe des Römischen Reiches passten damals herzlich wenig zusammen. Und Jesus meinte wohl auch eher nicht das Verhalten deutscher Autokonzerne und den Bau ihrer Dieselautos, wenn er sagte, niemand solle sich um morgen sorgen.
Von einer Religion, die Halt und Sicherheit im Leben geben soll, ist hier wenig zu sehen. Wer sich also hauptsächlich deswegen mit Jesus beschäftigt, um einem Leben mit SUV, Lebensversicherungen und Fremdenfeindlichkeit noch einen spirituellen Wohlfühl-Anstrich zu geben, ist bei DIESEM Jesus an der falschen Adresse.
So gesehen würde ich den Predigttext als eine Art Spiegel verstehen. Jesus greift die Angst auf, malt sie neu, und hält mir damit vor Augen: Wovor du so viel Angst hast, dass es dein Handeln bestimmt, da sitzt der Gott, dem du dienst. (Das ist ein Gott, der wahrlich nicht nur innerhalb von Kirchen und Gemeinden regiert…) Jesus sagt also nicht: Gott macht uns Angst, damit wir so oder so handeln. Umgekehrt: Die Angst, aus der heraus wir so oder so handeln, die zeigt mir an, wo etwas davon sitzt, was ich über mich bestimmen lasse.
Die letzten Verse passen dazu. Sie beschreiben (nicht erzeugen!) eine oft gemachte Erfahrung: Wenn du schon weißt, was richtig ist, und dieser Stimme nicht folgst, dann kann es passieren, dass du deines Lebens nicht mehr froh wirst. Das klingt schlimm – und das ist es auch. Aber wie oft erzählen mir Menschen, wie sehr sie es bereuen, einer inneren Stimme, einem tiefen Wissen, nicht gefolgt zu sein. (Manches von dem, was von anderen dann manchmal fast abfällig als psychische Krankheit bezeichnet wird, ist vielleicht eine sehr gesunde Reaktion des Verzweifelns in solchen Situationen. Wenn wir unserem eigenen Wissen NICHT folgen können, ist das vielleicht auch eine Erfahrung von „inneren Schlägen“, wie sie Jesus hier beschreibt.)
Wie gesagt, Jesus ist sich offenbar mehr als viele andere darüber im Klaren, zu was das führen kann. Er redet davon direkt im Anschluss an den Predigttext: Entzweiung, und zwar hier als Entzweiung der Generationen in einer Familie. Ich habe neulich schon darüber gepredigt. Ich denke, dass Jesus damit nochmal bekräftigt: Ja, so kann das enden, wenn die Eltern nicht einverstanden sind mit den Wegen, die ihre Kinder gehen. Sich deswegen davon abhalten zu lassen scheint Jesus nicht zu befürworten.
Natürlich geht es hier um Ängste. Es geht um BERECHTIGTE Ängste. *)
Es fängt an bei den Ängsten, die gesellschaftlich erzeugt und anerkannt sind. (Einfach mal gucken, womit Werbung arbeitet – da werden diese Ängste perfekt verarbeitet.) Gegen diese Ängste zu handeln, kann dich isolieren und in Gefahr bringen. Vor Isolation und Gefahren wiederum Angst zu haben, ist verständlich. Wie weit aber darf die Angst vor Isolation und Gefahr mich davon abhalten, den gesellschaftlich eingeübten Ängsten nicht mehr nachzugeben?
Jesus treibt das hier auf die Spitze und drängt darauf, sich dem zu stellen. Der ganze Komplex an Gleichnissen und Reden dreht sich um die eine Frage: Wem willst du Glauben schenken? Wem willst du erlauben, deine Entscheidungen und Wege zu bestimmen? DASS Entscheidungen und Konflikte anstehen, scheint hier gar nicht zur Debatte zu stehen. Manchmal ist die Frage nur noch: WEN stoße ich vor den Kopf? Und nach wem richte ich mich?
Gerade dann brauche ich persönlich aber erst recht keinen Gott, der Angst schürt, und keinen Glauben, der mich mit Angst kontrollieren will. ICH brauche dann jemanden, der mir Mut macht. Eine, die mir gut zuredet – UND die meine Angst versteht, im vollen Ausmaß, ohne sie schönzureden. Ich glaube, in Jesus hätte ich damals so einen gefunden. Und tue es heute noch.
*) Transgender Day Of Rememberance
Letzten Montag war Internationaler Tag des Gedenkens an ermordete Transgender. Gewalt bis zum Mord gehört ebenfalls zu den Konsequenzen, die manche tragen müssen, wenn sie sich nicht davon abhalten lassen, ihren Weg zu gehen. (Auch Jesus hat erlebt, dass ihn sein Weg nicht unter den Schutz seiner Gesellschaft stellen würde.)
Infos, Zahlen und Namen zum Gedenken:
- Infos (engl.): https://www.glaad.org/tdor
- Weltkarte (PDF): http://transrespect.org/wp-content/uploads/2017/11/TvT_TMM_TDoR2017_Map_EN.pdf
- Namen (PDF): http://transrespect.org/wp-content/uploads/2017/11/TvT_TMM_TDoR2017_Namelist_EN.pdf