Predigt MCC Köln, 26. Feb. 2017
Ines-Paul Baumann
2. Mose 24,15-18 & 2. Mose 40,34-38
„… und aus der Cloud sprach eine Stimme: Ich bin immer da. Ich weiß, wer du bist. Ich weiß, was du brauchst. Ich weiß, wo du es findest.“ Begriffe wie „Suchmaschine“ oder „Social Media“ verschleiern längst, was für Ansprüche diese allgegenwärtigen und allwissenden Unternehmen haben und bedienen. Greifen sie etwas ab, was Menschen früher bei Gott gesucht und gefunden haben? Oder ist es umgekehrt: Verändern sie, was für einen Gott diese Generationen als befreiend erleben? Verändern sie das Gottesbild ganzer Generationen?
Wenn wir heute der Allgegenwart und Allwissenheit von Internet-Unternehmen entrinnen wollen, ist der Gott der Bibel dann eine Antwort (und eine bessere Alternative, um Allgegenwart und Allwissenheit als etwas positives zu erleben)? Oder wird der Gott der Bibel gerade da spannend, wo Gott die Erde freigibt als einen Raum, in dem Menschen Freiheiten genießen und Fehler machen dürfen?
Wird angesichts eines Internet, das nie vergisst, vielleicht ausgerechnet Vergebung wieder zu einem attraktiven Konzept?
Bekommt ausgerehcnet „Gnade“ ein neues Gewicht, wo Fehltritte gnadenlos und unlöschbar verbreitet werden?
Wie klingen biblische Aufforderungen zum fairen bis liebenden Umgang mit Fremden, Feinden, Witwen und Waisen in Zeiten, wo Andersdenkende, Schwache und Ausgegrenzte „gnadenlos“ mit Shitstorms oder Nichtbeachtung gestraft werden?
Was ist schlimmer, als wenn du etwas postet, und kein Mensch klickt es? Sind das die emotionalen Hintergründe von Nichtbeachtung und „ins Leere senden“, die demnächst in Erfahrungen nicht erhörter Gebete einfließen?
Stehen wir vor einem Wandel christlicher Konzepte von Allgegenwart, Allwissenheit, Vergebung, Gnade und Gebet? Ich glaube: Ja. Die Menschheit ist kulturell im Umbruch, und mit einer neuen Zeit werden auch neue Gottesbilder und Gottesbezüge entstehen. (Wobei auch das Festhalten am Alten begehrt ist, gerade in Zeiten des Umbruchs.)
Die Bibel kennt solche Umbrüche im Lauf der Geschichte. Und auch dieses Mal wird es Gott gelingen, sich angesichts neuer menschlicher Erfahrungen in neuen Erscheinungsformen als göttlich zu erweisen. Dazu kommt, dass auch bereits gemachte Erfahrungen von Gotteserscheinungen umgedeutet und neu gefüllt werden (oder auch mal in Vergessnheit geraten, bevor sie – dann vielleicht in anderer Form – wieder relevant werden). Auch das ist „biblisch“ im Sinne bereits biblisch bezeugter und gemeisterter Entwicklungen.
Ein Beispiel dafür ist die „Wolke“ im heutigen Predigttext:
15 Dann stieg Mose auf den Berg und die Wolke bedeckte den Berg.
16 Die Herrlichkeit des Herrn ließ sich auf den Sinai herab und die Wolke bedeckte den Berg sechs Tage lang. Am siebten Tag rief der Herr mitten aus der Wolke Mose herbei.
17 Die Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn auf dem Gipfel des Berges zeigte sich vor den Augen der Israeliten wie verzehrendes Feuer.
18 Mose ging mitten in die Wolke hinein und stieg auf den Berg hinauf. Vierzig Tage und vierzig Nächte blieb Mose auf dem Berg.2. Mose 24,15-18 (Einheitsübersetzung)
Bis ins Neue Testament hinein kommen immer wieder Wolken vor, wenn Gott spricht oder als gegenwärtig erscheint. Bei der Taufe Jesu spricht eine Stimme aus einer Wolke. Hier, im Kontext des Predigttextes, erscheinen „Wolke“ und „Feuer“ im Zusammenhang mit der Wanderung Israels durch die Wüste:
Jetzt bedeckte die Wolke das Begegnungszelt und SEIN Glanz erfüllte die Wohnung. Mose konnte nicht in das Zelt hineingehen, weil die Wolke über ihm lag und IHR Glanz den Innenraum ausfüllte. Wenn die Wolke von der Wohnung abhob, dann rbach Israel auf; das war auf seiner ganzen Wanderschaft so. Blieb de Wolke jedoch stehen, dann zog auch Israel nicht weiter; man wartete darauf, dass sie sich erhob. SEINE Wolke blieb tagsüber mit der Wohnung verbunden, das Nachs war die Feuersäule bei ihr. Das alles geschah während der ganzen Wanderschaft unter den Augen der vollzähligen Gemeinde Israel.
2. Mose 40,34-38 (Bibel in gerechter Sprache)
Bemerkenswert ist, in welcher FORM Gott sich als Begleiterin erweist und Orientierung gibt:
Während der Wanderung durch die Wüste erscheint die Gegenwart Gottes tagsüber als Wolkensäule. Und NACHTS erscheint diese Wolkensäule als FEUERsäule.
1) Die Gegenwart und Wegweisung Gottes ist wahrnehmbar, wo sie in Kontrast zur Umgebung erscheint.
Tagsüber ist es hell und heiß. Die Wolkensäule ist dunkel und spendet Schatten.
Nachts ist es dunkel und kalt. Die Feuersäule ist hell und spendet Wärme.
Wenn wir immer nur auf das achten, was wir eh schon kennen und was uns vertraut ist, entgeht uns so gesehen vielleicht was.
- Was ist „das Andere“, das in deinem Leben mit herumgeistert? Was „durchbricht“ deinen Horizont? Was „passt nicht“ in die Umgebung, in der du dich gerade aufhälst?
- Was für ein Hinweis könnte darin für dich stecken? Wie könnte sich Gott genau dadurch als diejenige zeigen, die bei dir ist und dir einen Weg zeigen möchte?
2) Die Gegenwart und Wegweisung Gottes ist nicht unwandelbar in den Formen, wie sie sich uns offenbart.
Wie lächerlich wäre es gewesen, wenn sich die Leute damals gestritten hätten: „Wie, dein Gott soll sich als Feuersäule gezeigt haben? So ein Quatsch, Gott ist eine WOLKENsäule! Du betest einen falschen Gott an!“
Auch ein Gott, der ewig gleich ist ist, muss ja nicht deswegen immer in der gleichen Form gegenwärtig sein.
- Vielleicht lebst du anders als ich – und erlebst Gott anders als ich.
- Vielleicht lebe ICH in Zukunft anders als heute – und erlebe Gott dann auch selbst anders als heute.
- Was für Tag und Nacht gilt, gilt vielleicht auch für Lebensabschnitte und Lebenssituationen. Warum nicht auch für Generationen, Epochen und Kulturen (samt ihrer Religionen)?
3) Die Gegenwart und Wegweisung Gottes erweist sich – bei angemessenem Abstand – als wohltuend.
In der Hitze der Wüste war Schatten beim Wandern ein Segen – NUR Schatten allerdings nicht, das wäre dem Überleben der Wüste als auch der Menschen nicht mehr förderlich gewesen.
In der Kälte der Wüstennächte war ein wärmendes Feuer ein Segen – allerdings nur aus nicht zu großer Ferne und nicht zu großer Nähe. (Wobei Gott in der Bibel oft genug auch als verzehrendes Feuer beschrieben wird…)
Wir müssen es mit der Gottesnähe und Gotteserfahrung nicht übertreiben. Ein angemessenes Maß an Nähe und Distanz kann sicher auch heute eine wichtige Voraussetzung sein für wohltuende Gotteserfahrungen.
- Vielleicht hat Gott gar nicht den Anspruch, das Ein und Alles deiner Erfahrungswelt zu sein. Überschattet Gott JEDEN deiner Gedanken, JEDES deiner Gefühle, JEDE deiner Taten? Ist das noch gesund? Wenn du Gott nicht als wohltuend erlebst, versuch es doch einfach mal mit mehr Abstand.
- Oder wunderst du dich, warum du das Feuer zwar SIEHST, aber nichts davon spürst? Ist dein Glaube vom Kopf her klar und durchdacht, aber innerlich ist dir kalt? Dann ist es vielleicht an der Zeit, dich aus der sicheren Distanz herauszuwagen und näherzutreten.
4) Die Gegenwart und Wegweisung Gottes ist nicht auf das beschränkt, was davon gerade wahrnehmbar ist.
Manchmal sehe ich nur die Rauchwolke, nicht das Feuer, dem sie entspringt.
Manchmal sehe ich nur (in) das Feuer, nicht (in) die Rauchwolke, die in den dunklen Nachthimmel emporsteigt.
Gott ist nicht nur „der ganz Andere“ und im „ganz Besonderen“. Gott ist auch in dem, in der mir ach-so- vertrauten Umgebung vielleicht mal untergeht. Wo mir etwas so selbstverständlich ist, dass ich es gar nicht bemerke.
Das ist nicht immer ein Grund, etwas zu ändern. Das Feuer ist wichtig, auch wenn du es vielleicht gerade nicht siehst. Die Wolke ist wichtig, auch wenn du sie vielleicht gerade nicht siehst.
- Jemand anders mag gerade ganz woanders im Leben stehen – und genau das sehen, was von dem Weg Gottes mit dir ausgeht (auch wenn du es gerade gar nicht bemerkst).