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Wer bestimmt, ob ich dazugehöre? (Und durch WAS gehöre ich dazu?)

Predigt MCC Köln, 27. Mai 2018
Ines-Paul Baumann

Epheserbrief 1,3-14

Klaus-Peter Jörns nennt als die „gefährlichste Form der Erwählungsidee: die Verbindung aus Ethnozentrismus/Rassismus und ‚heiliger‘ Gewalt“ (und widmet den Erwählungsvorstellungen direkt ein ganzes Kapitel in seinem Buch „Notwendige Abschiede – Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum“). Aus seiner Sicht beginnen die Probleme bei dem „Einzigartigkeitsbewußtsein, das zur Unterscheidung zwischen drinnen und draußen drängt und die Liebe Gottes zur ganzen Menschheit mehr und mehr einschränkt“.

Auch hier im Epheserbrief gibt es die Erwählten. (Allerdings keine Verworfenen!). „Erwählt.“
„Vorherbestimmt.“
Was ist mit denen, die NICHT dazugehören wollen oder dürfen?
Welche Rechte und Freiheiten stehen ihnen zu?

Ist „Erwählung“ die Voraussetzung, dazuzugehören? Ist das schon wieder so ein Ausschluss-Prinzip? Verleiht es den „Erwählten“ Rechte und Macht gegenüber den „Nicht-Erwählten“? Die Erwählten sind im Recht und „gehören dazu“, alle anderen nicht?
Woran soll das überhaupt erkennbar sein, wer erwählt ist und wer nicht?

Wie unerbittlich das Prinzip der Vorherbestimmung enden kann, zeigt die Lehre von der „Doppelten Prädestination“: Gott hat nicht nur vorherbestimmt, wer das Heil erlangt – sondern auch, wer es NICHT erlangt. Alles vorherbestimmt: Die einen sind erwählt, die anderen sind verworfen.
Wie in einem Spiel mit aufgestellten Figuren und manipulierten Würfeln?

„Erwählt“… Ich bleibe hängen an dem Begriff. Störung hat Vorrang. Was hat es also auf sich mit dieser „Erwählung“??

(1) WAS IST mit denen, die „erwählt“ sind? ZU WAS sind die Erwählten erwählt?

Was verbindet der Epheserbrief an dieser Stelle damit, „erwählt“ zu sein?

Ich habe viele verschiedene Übersetzungen verglichen, und der Tenor ist eindeutig in den Versen 3,4,5, 11 und 12:

Gute Nachricht:
– „Anteil gegeben an der Fülle der Gaben seines Geistes in der himmlischen Welt“
– „uns vor Augen gehabt als Menschen, die zu Christus gehören“
– „in ihm hat er uns dazu erwählt, dass wir heilig und fehlerlos vor ihm stehen.“
– „seine Söhne und Töchter zu werden“
– Anteil bekommen am künftigen Heil

Luther:
– gesegnet mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus
– dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten
– seine Kinder zu sein
– zu Erben eingesetzt

Neue Genfer Übersetzung (NGÜ):
– die Fülle des geistlichen Segens, an der wir in der himmlischen Welt durch Christus Anteil bekommen haben
– dass wir ein geheiligtes und untadeliges Leben führen, ein Leben in seiner Gegenwart und erfüllt von seiner Liebe
– seine Söhne und Töchter zu werden
– zu seinen Erben gemacht
– dass wir zum Ruhm seiner ´Macht und` Herrlichkeit beitragen

Einheitsübersetzung:
– mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel
– damit wir heilig und untadelig leben vor Gott
– seine Söhne zu werden
– zu ihm zu gelangen
– als Erben
– 12 zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt

Zürcher:
– uns in den Himmeln gesegnet hat mit allem geistlichen Segen durch Christus.
– dass wir heilig und makellos seien vor ihm

Alle Übersetzungen zeigen: Hier geht es darum,
VOR Gott zu leben,
BEI Gott zu leben,
MIT Gott zu leben,
IN Gott zu leben,
FÜR Gott zu leben,
DURCH Gott zu leben.

Es geht um „Gottes herrliche Gnade und die Segnungen der Gläubigen in Christus“ (so fasst die Schlachter-Bibel den Inhalt dieses Textes zusammen).

Was „den Erwählten“ zuteil wird, ist schlichtweg nichts anderes als das, was das Leben ALLER Glaubenden ausmacht.

Der Epheser-Brief richtet sich ursprünglich auch gar nicht an eine bestimmte Gemeinde in Ephesus. Sondern er ging allgemein rum, wurde weitergereicht von einer Gemeinde zur nächsten, von den einen Glaubenden zu den nächsten. Alle Gemeinden, in denen der Brief ankam, waren gemeint. Es war also von vorneherein KEIN GESCHLOSSENER KREIS angesprochen, sondern ALLE, die diesen Brief lasen. Uns heute inbegriffen!

(2) Wie kommen sie also dazu, dazuzugehören?

Oder anders gefragt: Wenn sie nicht durch Erwählung mit und vor Gott leben können, WODURCH dann? WER anders als Gott würde solche Beschlüsse treffen? Wer darf darüber entscheiden, ob sich Gott für mich entscheidet?

  • Dürfen Kirchen darüber entscheiden, ob ich dazugehören darf? Durch die Entscheidungen von Priestern oder Pfarrern und Gemeindeleitern? Was kennen sie von mir und was für ein Recht hat ihre Weltanschauung, um solche Entscheidungen treffen zu dürfen?!
  • Durch die Eltern respektive den Landesherrn wie nach dem 30-jährigen Krieg? Religionsfreiheit sieht anders aus!
  • Durch demokratische Wahlen, also bspw. Abstimmungen in den Gemeinden? („Heute stimmen wir darüber ab, ob Ines-Paul zu Gott gehören darf oder nicht. Wer ist dafür? Hebt bitte jetzt eure Hand. Wer ist dagegen? Hebt bitte jetzt eure Hand.“)
  • Durch Verhalten? Dadurch, dass genügend Bonuspunkte zusammengekommen sind, um dazugehören zu dürfen? (Wie bei „Miles and more“ zum Einlass in die Business Lounge?! „Herzlichen Glückwunsch! Ihr hunderster Gottesdienst-Besuch berechtigt Sie ab sofort zum Eintritt in die Seligkeiten Gottes!“)
  • Durch genügend Likes durch andere? („Jawoll, Daumen hoch für Ines-Paul! Würde einen super Christen abgeben! Ich bin dafür!“)
  • Durch Selbstermächtigung? („Ich bin habe es verdient, dass Gott mich dazuzählt!“??)
  • Durch Bewerbungsschreiben? („Sehr geehrter Dr. Gott. Hiermit bewerbe ich mich um eine Teilhabe am Segen Ihres Geistes. Weil… Ich kann… ich will… Mich hat schon immer beeindruckt, wie Sie… blabla…“)
  • Durch mein Profil? Weil mein Aussehen und meine Texte ansprechend genug sind?
  • Durch eine Empfehlung von denjenigen, die schon dabei sind?
  • Durch Wahl statt Erwählung? So wie früher in der Schule, wo die Besten zuerst gewählt wurden und allen von vornherein klar war, welche_r als letztes genannt wird??
  • Oder weil Gott so „tolerant“ ist? („Na gut, dann darf Ines-Paul halt auch mit dabei sein. Ich, Gott, bin ja sooo tolerant!“)

Wie würde sich das anfühlen?!?!

Und wie fühlt es sich stattdessen an, dass Gott mich e-r-w-ä-h-l-t hat?

Ich fühle mit den Gemeinden von damals: Klein, unbedeutend, angegriffen, vielleicht voller Selbstzweifel. Da ist so eine Erwählung schon eine andere Nummer als ein Verdienst oder ein Gnadenakt!

(3) Was bedeutet es also, wenn GOTT SELBST mich dazuzählt?

Na ganz einfach: Wenn Gott mich erwählt hat, dann hat niemand anders die Macht und das Recht hat, mir das zu verweigern!
Auch innere Stimmen und Selbstzweifel nicht!

Wenn Gott mich erwählt hat, bedarf es keiner Beweise dafür! Ich muss nicht „reich, gesund, gesegnet“ sein – weder als Voraussetzung, um dazuzugehören, noch als Nachweis dafür, dass ich dazugehöre. Es gibt NICHTS, womit mir andere Menschen (oder meine eigenen Zweifel) das streitig machen dürfen.

Es geht hier eben nicht um ein vorbestimmtes Spiel mit aufgestellten Figuren und manipulierten Würfeln, sondern inmitten und im Angesicht der Ewigkeit bekennt sich Gott zu mir und zu dir.

GOTT hat mich erwählt,
GOTT hat sich FÜR MICH entschieden,
GOTT hat sich zu mir bekannt.
Ob das anderen passt oder nicht.

Auch für andere Glaubende gilt damit genau so: GOTT hat SIE erwählt. Sich zu IHNEN bekannt. Ob sie mir nun passen oder nicht.

Gott hat dich erwählt. Mit deinen Gaben und Grenzen, mit deinen Stärken und Schwächen, mit allem, was und wie du bist. NICHT OBWOHL du bist, wer du bist – sondern WEIL du bist, wer du bist. Und ob das anderen passt oder nicht: Gegen diese Entscheidung Gottes haben sie nichts zu kamellen.

Gott bekennt sich zu dir.
Kein Mensch, keine Macht der Welt darf Voraussetzungen dafür aufstellen, dir (und anderen) das zuzusprechen.
Kein Mensch, keine Macht der Welt hat das Recht, dir (und anderen) das abzusprechen.

SO gesehen kann ich gut damit leben, dass es GOTT ist, die ERWÄHLT!

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