Ines-Paul Baumann
Mt 25,1-13: „Das Gleichnis von den Brautjungfern“
Der Text war perfekt: Die Assoziation einer Liebesbeziehung, Öl für die Leuchten, und Menschen, die sich auf den Weg machen. Wäre da nur nicht der Inhalt von dem Text.
Zu der Zeit, als ich Christ wurde (im Sinne von: Ich lasse mich tatsächlich ein auf das, was ich von Gott weiß), stand mir das Leben offen: Ich war intelligent, gebildet, jung, hübsch – also gestern ;) Ich war damals noch nicht mal 20 Jahre alt, ich hatte keine Ahnung vom Leben, bildete mir aber eine Menge darauf ein. In einem Text wie der von den 10 Brautjungfern war klar, zu wem ich gehörte: selbstverständlich zu den Klugen. Und damit gehörte ich selbstverständlich auch zu denen, die genau sagen konnten, wer NICHT dazu gehörte.
Ich war überzeugt zu wissen, wer beim Reich Gottes vor verschlossenen Türen stehen würde. Unsere Lieblingsschimpfwörter waren: Die „Namenschristen“. Die „Lauen“. Das war leicht zu beurteilen. Man konnte es ja sehen. Wie die beteten. Wie die lebten. Die Homosexuellen gehörten natürlich genau dazu. Ach, war das Leben schön und einfach und was war ich für ein toller Christ.
Bis ich mich plötzlich auf der anderen Seite wiederfinden sollte. Kaum erwachte meine Spiritualität, erwachte auch meine Sexualität, und die passte leider nicht zu dem, was in meiner damaligen heterosexuellen weißen Mittelschicht-Gemeinde als gottgewollt galt. Plötzlich sollte ich zu denen gehören, die dem Reich Gottes leider fern bleiben müssen.
Der Text von den 10 Brautjungfern, der mir vorher so viel Selbstsicherheit, Arroganz, Überheblichkeit und Entscheidungsbefugnis vermittelt hatte, gehörte plötzlich zu den „Terror-Texten“: „Du gehörst nicht dazu! Du bist kein richtiger Christ! Nur die richtigen sind mit an Bord!“ (Es ist kein Zufall, dass diejenigen, die ausgrenzen, genau die sind, die zufällig auch immer genau wissen, dass sie selbst dazu gehören: Nur, wer dazu gehört, hat die Macht, andere auszugrenzen.)
Nun glaube ich auf eine geradezu naive Weise, dass jeder Text in der Bibel aus irgendeinem Grund da steht. Manchmal sind wir allerdings einfach zu gläubig – zu GUTgläubig. Was in der Bibel steht, wird schon richtig sein. Auch wenn es allem, was Jesus erzählt und vorgelebt hat, voll und ganz widerspricht. „Es steht doch da!“ – OK, dann schauen wir mal, was da steht:
Zehn Brautjungfern schnappen sich ihre Lampen und gehen los, dem Bräutigam entgegen. Das an sich muss schon stutzig machen. Eine Brautjungfer soll sich um die Braut kümmern, und an IHRER Seite bleiben, nicht dem Bräutigam entgegengehen. Sie sind nicht für die Situation gedacht, dass der Bräutigam kommt, sondern für den Fall, dass ein böser Geist kommt. Wikipedia beschreibt das so: „Die Brautjungfern waren ursprünglich dazu da, böse Geister von der Braut abzulenken. Sie zogen sich schöne Kleider an, um der Braut ähnlich zu sehen, und somit die bösen Geister zu verwirren: Sollte ein böser Geist sich dazu entschließen, die Braut besetzen zu wollen, hatte er mehrere gleichgekleidete Frauen zur Auswahl und konnte nicht feststellen, welche die echte Braut war. Die Brautjungfer stellte somit einen Schutz vor sämtlichen spirituellen Gefahren dar.“ Merkt euch das mal, das könnte später noch von Bedeutung sein.
Weiter imText: Der Bräutigam verspätet sich. ALLE werden müde, ALLE schlafen ein. Dann „ertönt der Ruf“, dass der Bräutigam sich nahe, und ALLE müssen geweckt werden. Und ab hier werden statt der Gemeinsamkeiten die Unterscheide relevant: Die einen haben Öl zu Nachfüllen dabei, die anderen nicht. Und diejenigen, die es haben, sind nicht bereit, es mit den anderen zu teilen. Sie warten auch nicht auf sie und sie verschweigen die Zurückgelassenen dem Bräutigam gegenüber. Auf der Party tun sie so, als hätten sie sie nie gekannt.
Wer handelt hier bitte schön christlich, und wer handelt unchristlich?
– Erstens: Warum haben die einen fünf überhaupt Öl zum Nachfüllen mitgenommen? Haben sie etwa nicht damit gerechnet, dass der Bräutigam bald kommt? Wenn Jesus Leuten vom Reich Gottes erzählt, hat er oft gerade verboten, dass sie sich einrichten auf eine lange Zeit des Wartens. Sie sollten glauben, dass es JETZT anbricht und nicht erst irgendwann in einer fernen Zukunft. Sie sollten ihr Vertrauen auf Gott setzen, statt an Sicherheiten festzuhalten. Der Kornbauer sollte keine Vorräte anlegen. Wer von den Brautjungfern handelt hier also im Sinne Jesu? Haben diejenigen, die sich Öl zum Nachfüllen mitgenommen hatten, damit nicht gezeigt, dass sie an der Zusage des Bräutigams und seinem baldigen Kommen zweifelten? Wer gilt denn heutzutage als der „bessere Christ“ – doch nicht diejenigen, die sagen: „Ach, wer weiß denn schon, ob und wann euer Jesus wirklich euer Leben verändern kann, verlasst euch da mal besser nicht drauf!“.
– Zweitens: Diejenigen, die Öl haben, geben nichts von ihrem Öl ab, als die anderen darum bitten. Wie viele Gleichnisse hat Jesus erzählt von Nächstenliebe und vom Teilen. Der barmherzige Samariter. Von Menschen, die hungrig und durstig waren, und mit denen Jesus selbst sich identifizierte. Wie von anfänglich ganz wenigen Fischen auf einmal tausende von Menschen satt wurden. Von Menschen, die selbst das wenige, was sie haben, noch teilen, und damit das Fass des Segens aufmachen. Teilt, teilt, teilt! Diese fünf, die ihr Öl nicht teilen, sollen plötzlich das christliche Vorbild sein?
Wer handelt hier bitte schön unchristlich?! Wer rechnet hier nicht mit dem Einhalten der Zusage? Wer hält sich hier nicht an das kleine 1×1 der Sonntagsschule vom christlichen Teilen??
Es kommt noch schlimmer: Wenn die anderen dann schon zurück müssen, warum warten sie nicht auf sie? Warum gehen sie einfach los? Sie hätten wenigstens sagen können: „Lieber Bräutigam, da sind noch fünf, die gleich nachkommen, lass uns kurz warten!“ Dann wären alle zusammengeblieben und wären zusammen zur Party gekommen. Wären die Super-5 nicht auf-und-davon gewesen, hätte es keine Spaltung gegeben!
Ich fürchte, ihnen ist genau das passiert, was Menschen oft passiert, wenn sie sich sicher und im Vorteil fühlen: Sie deuten die Situation und ihre Mitmenschen aus diesem Gefühl der Sicherheit und des Vorteils heraus. Wo immer wir denken, wir hätten andere nicht mehr nötig, führt das zu einem Handeln, das die Gefahr von Spaltung birgt.
Kommen wir zum Ende der Erzählung, zu der Schlussfolgerung . Entweder ist sie falsch – oder unsere herkömmliche Auslegung dieser Erzählung ist falsch. Der Schlusssatz lautet: „seid wachsam, denn ihr wisst weder Tag noch Stunde im Voraus“. Wer ist damit gemeint?
Sind damit die 10 Brautjungern gemeint? Wachsam waren alle zehn Brautjungfern in der Erzählung nicht. Wie gesagt: ALLE wurden müde, ALLE sind eingeschafen. Und gerade, wenn man den Zeitpunkt nicht weiß, ist das doch gar keine schlechte Strategie: Warum sollten sie wach bleiben und ihre Lampen abbrennen? Beim Schlafen haben sie jedenfalls kein Lampenöl verbraucht. Eine gute Strategie, wenn man nicht weiß, wann es denn so weit sein wird.
Oder ist der Bräutigam gemeint? Der sich verspätet und der entweder nicht weiß, dass noch fünf fehlen oder sie ignoriert? Der soll für das Kommen des Reiches Gottes stehen? Soll das der Gott sein, von dem Jesus erzählt? Der Hirte, der jedem einzelnen verlorenen Schaf hinterherrennt?
Ich glaube, der Schluss-Satz ist durchaus der Schlüssel zu der Erzählung. Jesus hat oft genug betont, dass niemand weiß, wann es wo weit ist. Er sagt sogar, dass nicht mal ER es weiß! Dauernd warnen die Evangelien vor Leuten, die behaupten, sie wüssten „Tag oder Stunde“. Und genau diese Warnung müssen wir auf das Gleichnis beziehen. Wenn jemand daherkommt und behauptet, es zu wissen – hört nicht auf ihn. Es ist der Wendepunkt in den Gleichnis, dass die Brautjungfern auf die Ankündigung hören, nun sei es so weit. Ab hier läuft alles schief. Bis dahin waren die zehn eine Gemeinschaft. Ab nun sind sie eine geteilte Gruppe: fünf, die ihrer Ansicht nach dazugehören,und fünf andere, die NICHT dazugehören.
Jesus sagt: Hört nicht auf sie, wenn sie sagen, sie kennen Stunde oder Tag. Glaubt ihnen nicht. Wer von einem WANN erzählt, was nicht stimmt – der hat aber auch keine Recht zu sagen, wer dabei ist und wer nicht.
Glaubt ihnen nicht mit ihrem WANN.
Und glaubt ihnen nicht mit ihrem WER.
Diejenigen, die meinen, sie wüssten wann, und sie wüssten wer, und sich vielleicht sicher fühlen mit ihren vollen Beuteln – alles, was sie damit tun, wiederspricht allem, was Jesus getan hat.
Wie steht es im Neuen Testament: „Den Klugen ist es verschlossen, aber den Törichten tut Gott es kund“.
Ich finde, die einzige wirklich nachvollziehbare, normale und sympathische Rolle in dieser Erzählung hat der Kaufmann. Der Kaufmann hilft den Brautjungfern, das zu bekommen, was sie brauchen. Damit auch ihre Lampen leuchten. Damit sie ihren Weg finden.
Alle anderen versagen:
– Die fünf Brautjungfern, die sich sicher fühlen wie die Superchristen heutzutage: Sie denken nur noch an sich und grenzen andere aus.
– Der Gott, den sie präsentieren, ist einer, der sich nur um die kümmert, die eh schon dazugehören. Das ist nicht der Gott, der uns in Jesus begegnet. Aber es ist sehr wohl ein Gott, der uns in vielen Kirchen begegnet.
Wo die Kirchen und die Superchristen versagen, wird der Kaufmann wichtig. OK, man kann einwerfen, der tut nur seinen Job. Nicht der Rede wert. Aber genau das sollte unser Job sein als MCC Köln! Die MCC Köln hat einen wichtigen Job, einen wichtigen Auftrag, eine wichtige Aufgbe:
Wo Leute ausgegrenzt und abgehängt werden, sind wir da.
Wo Leute etwas brauchen, damit ihre Lampe brennt und sie ihren Weg gehen können, sind wir da.
Wo wir wie Jesus fragen: „Was willst du, dass wir dir tun sollen?“
Wo andere im Rampenlicht stehen mit ihren tollen Ankündigungen über das Kommen Gottes und ihren tollen Regeln, wer dazu gehört und wer nicht, sind wir da – oft im Hintergrund, oft unbemerkt, oft übersehen, oft unterschätzt, auch von uns selbst. Aber wir sind da. Oft als die Letzten und Einzigen.
Bei uns finden Menschen das Öl, das ihre Lampen wieder zum Leuchten bringt.
Bei uns finden Menschen wieder den Mut, sich auf ihren Weg mit Gott zu begeben.
Bei uns finden Menschen den Glauben daran, dass es sich lohnt, sein eigenes Licht zum Leuchten zu bringen.
Wo ach-so-gute Christen dem Rest der ach-so-bösen Welt schon soooo weit voraus sind, sind wir da und achten aufeinander – auch auf die, die es schwer haben auf ihrem Weg. Auf diejenigen, die vielleicht auf Umwegen zu Gott finden. Auf diejenigen, denen der Weg zu Gott mit voller Geröll nahezu verschüttet wurde. Wir sind da. Denn Gott ist da.
Denn Gott sagt: JA, ICH WILL. Ja, ich will, dass deinen Lampe leuchtet. Ja, ich will, dass du den Weg zu mir findest.
Der Umgang in der Bibel mit Öl ist ein anderer als der, wie es bei den Brautjungfern zugeht: Das Öl dient nicht zum Ausschließen von anderen, sondern zum Segnen.