Daniel Großer
Auftakt
Normalerweise legen wir bei der MCC großen Wert darauf, den Menschen Mut zu machen, die Gnade Gottes aufzuzeigen, Krampf und Druck aus unserem Leben herausnehmen. Wir geben uns Mühe, falsche Gottesbilder aufzudecken, theologische Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, und immer wieder betonen wir die Liebe Gottes zu uns, ihren Menschen. Wir verkünden die gute Nachricht, dass Gott die Ketten von Schuld, Gottesferne und Selbstrechtfertigung zerreißt, und dass seine göttliche Wirklichkeit schon heute mitten unter uns anbricht. Wir verkünden die Botschaft vom Tisch des Herrn, der jeden und jede zur Gemeinschaft miteinander und mit Gott einlädt. Wir versuchen, Hoffnung und Zuversicht, Segen und Zuspruch weiterzugeben.
Und trotzdem kann es sein, dass du hier sitzt, und dich fragst, was das alles mit dir zu tun haben soll. Es kann sein, dass du schon oft die MCC oder andere Gemeinden besucht hast, und dass du nun eine Menge weißt über Gott, über Jesus, über das wunderbare Werk der Erlösung, über das Kreuz, das Abendmahl, über die Taufe, über Gebote und Apostelbriefe. Es kann sein dass dein Kopf voll ist mit Fakten und Basiswissen. Es kann sein, dass dein Kopf ganz leer ist, weil du alles nach wenigen Stunden wieder vergisst, und einfach nur ein gutes Gefühl mit nach Hause genommen hast. Es ist möglich, dass du das Gefühl hast, etwas zu vermissen. Dass du spürst, dass du irgendwie von all den guten Dingen so weit weg bist, wie Christoph Columbus von Indien. Es kann sein, dass oft dein Verstand berührt wird, aber dein Herz durstig bleibt.
MCC, Gott, Jesus… schön und gut. Aber was hat das mit mir zu tun?
Die Studentenverbindung, in der ich als Student war, hatte eine gute Antwort auf diese Frage, worum es beim Glauben geht: Es geht darum, “Menschen in die Begegnung mit dem lebendigen Gott zu führen”. Es geht um nichts geringeres, als deine Begegnung mit dem lebendigen Gott. Du der du eine Person bist, du sollst – und kannst – Gott begegnen, die selbst eine Person ist. Du, die du ein Mensch bist, sollst auf Tuchfühlung gehen mit Gott, dem unbekannten, dem großen “Ich-bin”.
Wenn du Christ bist, aber nicht oder nicht mehr weißt, wie sich Begegnung mit Gott wirklich anfühlt, dann stehst du heute am Anfang einer Entdeckungsreise, dann kann sich dein Glaube manchmal fade, saftlos, langweilig anfühlen. Dann ist es, als hätte das alles gar nicht viel mit dir zu tun.
Predigt
Begegnung mit Gott, das bedeutet, dass Gott in dein Leben hineinwirkt, dass Gott sich dir verständlich macht, dass Gott zu dir redet, und es heißt, dass du mit Gott redest und verstanden wirst.
In diesem Monat blicken wir als Gemeinde besonders auf den Heiligen Geist und heute soll es um das Reden Gottes gehen. Und wenn du wissen willst, wie Gott zu dir redet, dann ist es ein guter Ausgangspunkt herauszufinden, wie Gott zu anderen Menschen spricht.
1. Mose 1, 1-3: “Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Noch war die Erde leer und ohne Leben, von Wassermassen bedeckt. Finsternis herrschte, aber über dem Wasser schwebte der Geist Gottes. Da sprach Gott: ‘Licht soll entstehen.’ und es wurde hell.”
Bereits in den ersten drei Versen der Bibel lernen wir zwei wichtige Dinge über Gott:
1. [Gott gestaltet Realtität]
Gott hat realen Einfluss auf unsere Realität. Gott erschafft, gestaltet und verändert.
2. [Gott spricht]
Dass Gott spricht, ist eine Folge ihrer Zugeneigtheit zu uns – wir sind Gottes Ansprechpartner. Dass wir dieses Reden wahrnehmen können, ist eine Folge davon, dass Gott Einfluss auf unsere Realität nehmen kann. Diese beiden Tatsachen wollen uns begleiten auf unserer Reise durch die Bibel und Gottes Sprechstunde.
[Direkte Rede]
Das Alte Testament berichtet uns von Menschen, die Gott höchstwahrscheinlich akustisch gehört haben. Einige Beispiele dafür sind: Noah, Abraham, eine kinderlose Frau (Ri 13; Gott redet nicht nur mit Männern!), Samuel, Jesaja und Jeremia. Das direkte Reden Gottes reicht hinein ins Neue Testament, im Matthäusevangelium sagt Gott für alle Anwesenden hörbar: “Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, auf den sollt ihr hören.” (Mt 17, 5) Saulus, den man später Paulus nennt, hört ebenfalls die Stimme Gottes (Apg 9, 4).
Wenn Gott mit dir spricht, dann ist es möglich, dass sie akustisch hörbar ist.
[Träume und Visionen]
Besonders dann, wenn der Mensch schläft, scheint sein Ohr für Gottes Reden frei zu werden. Die Bibel enthält unzählige Berichte von Menschen, mit denen Gott durch Träume und Visionen spricht. Dieses Sprechen ist manchmal eine direkte Ansprache, zum Beispiel beim großen König Salomo (1. Könige 3, 5ff), den Gott im Traum etwas fragt. Josef (Mt 2, 13) bekommt im Traum den Auftrag, mit seiner Frau Maria und Jesus für einige Zeit nach Ägypten auszuwandern. Manchmal ist dieses Reden auch indirekter in Sinnbildern und Symbolen versteckt, wie zum Beispiel die Träume des Josef im Alten Testament (1. Mose 37, 5ff), der Traum des Pharao von den fetten und mageren Kühen (1. Mose 41), den Visionen der Johannesoffenbarung am Ende der Bibel, dem Sendebefehl Gottes, der Paulus durch eine Vision nach Europa ruft (Apg 16, 9), und die Vision des Petrus (Apg. 10, 9ff). Zur Deutung dieser Sinnbilder sendet Gott oft einen Menschen zur Hilfe.
Wenn Gott mit dir spricht, dann ist es möglich, du Träume hast oder dir ein Bild in den Sinn kommt.
[Vlies und Los.]
Manche Möglichkeiten Gottes, mit ihren Menschen zu reden, wirken profan und wenig göttlich, weil Gott den scheinbaren Zufall nutzt. Dafür drei Beispiele. Im Alten Testament tauchen zwei Lossteine auf, Urim und Thummim (3. Mose 8,8). Diese Lossteine trägt der Oberpriester bei sich, und Gott nutzt diese Lossteine, um seinen Ratschluss mitzuteilen. Das Ziehen eines Loses, es mutet uns zufällig an, aber selbst das kann ein Reden Gottes sein. Im Neuen Testament (Apg 1,15-26), wird der Austauschapostel Matthias für den verstorbenen Judas durch Losziehung ermittelt. Das dritte Beispiel ist ein Vlies. Wir lesen vom Gideon (Ri 6), einem Führer des Volkes aus der Zeit, als es noch keine Könige in Israel gab. Gott gibt ihm den Auftrag, Krieg zu führen. Gideon leistet dieser Anweisung aber nicht direkt Folge: Er legt über Nacht Wolle aus und stellt Gott eine Bedingung. Wenn die Wolle am nächsten Tag feucht ist, dann stammt die Anweisung zum Krieg von Gott. Es geschieht so. Gideon will aber auf nummer-sicher gehen und wiederholt das Experiment, beim zweiten Mal soll die Wolle trocken bleiben. Es geschieht so. Das Vlies ist eine Aufforderung an Gott, sein Reden zu bestätigen, indem ein Zeichen geschieht. So entscheidet letztlich ein Wetterphänomen über Krieg und Frieden. Zufall – oder Gottes Reden? Gott kann unserer Realität verändern!
Wenn Gott mit dir spricht, dann ist es möglich, dass der Zufall für dich nicht zufällig ist. Und: Du darfst Gott darum bitten, sich zu wiederholen.
[Umstände / Mauern und Türen]
Gottes Reden kann aber noch unspektakulärer sein, als Zufall. Viele Menschen berichten davon, dass sie ihre Lebensumstände als Reden Gottes verstehen. Gern spricht man von “Mauern” und “geöffneten oder geschlossenen Türen”. Wenn im Alten Testament das gesamte Volk Israel von einem anderen Volk angegriffen wird, dann kann man das als einen Umstand verstehen. Die Juden erkennen darin aber das Reden Gottes: “Kehrt zurück zu mir! Wendet euch nicht ab von meinen Geboten!” Im Neuen Testament kann Paulus (Apg. 16,6f) offenbar mehrfach nicht in die heutige Türkei segeln. Die Bibel nennt es “Der Geist verwehrte es ihm”. Das kann ein direktes Reden Gottes gewesen sein. Aber vielleicht hatte Paulus zu wenig Geld, oder er hat die Fähre verpasst, oder die Fähre wurde abgetrieben, oder die Fähre ist gesunken oder wurde überfallen, oder der Türsteher hat ihn nicht drauf gelassen? Auf jeden Fall fand Paulus “geschlossene Türen” vor, und er erkannte darin Gottes Reden für seine Reiseplanung.
Wenn Gott mit dir spricht, dann ist es möglich, dass bestimmte Umstände deines Lebens einem tieferen Zweck dienen.
[Engel und Boten]
Wenden wir uns wieder den etwas “deutlicheren” Möglichkeiten Gottes zu. Engel und Boten. Wir wissen, dass Gott bisweilen jemanden schickt, der dir sagt, was Gott will.
Damit meine ich keine Besserwisser und Moralapostel, sondern Menschen, die dir von Gott weitersagen können. Oder auch Engel. Im Alten Testament erleben viele Menschen, dass Gott nicht direkt zu ihnen spricht, sondern ihnen Mittler schickt. Die Richter sind solche Mittler. Die Priester sind solche Mittler. Auch die Propheten machen den Menschen verständlich, was Gott zu ihnen sagt. Selbst die Könige Israels tappen oft im Dunkeln, weil Gott lieber durch Propheten spricht, als zu ihnen. König Zedekia bettelt den Propheten Jeremia geradezu an: “Ist ein Wort des Herrn da?” (Jer 37, 17)
Wenn Gott mit dir spricht, dann ist es möglich, dass du anderen Menschen gut zuhören musst.
[Der Heilige Geist & koinonia]
Jesus verheißt uns ein ganz besonderes Geschenk, wenn es um das Reden Gottes geht. Leider fehlen uns Christen oft die einfachen und verständlichen Worte dafür. Es geht um den Heiligen Geist. Ich wünsche dir einen Moment in deinem Leben, an dem du folgendes sagen kannst:
“Gott – ich möchte, was Du möchtest.”
Dieser Moment ist das, was Christen oft “Bekehrung” nennen. Ich würde es lieber “Ausrichtung” nennen. Gott will mit dir durch das Leben gehen und sehnt sich nach dir. Du kannst ihm diesen Wunsch gewähren.
“Gott – ich möchte, was Du möchtest.” – “Gott – ich möchte, was Du möchtest.”
Dann beginnt Gottes Geist, der Heilige Geist, deinen Geist zu durchdringen. Das ist keine Verdrängung und kein gewaltsames Eindringen. Nein, es beginnt eine Partnerschaft zwischen deinem Geist und dem Heiligen Geist. Die beiden gehören nun zusammen, wie zwei Liebende, und wie zwei Liebende werden sie sich über die Zeit immer ähnlicher. Was heißt das?
Dein Gewissen wird schärfer und hellhöriger für das, was Gott möchte. Du wirst dich sehnen nach dem, was auch gut für andere ist. Du wirst eine Wahrnehmung dafür entwickeln, dass du nicht allein bist, sondern Gott bei dir. Denn Gottes Geist und dein Geist sind ein Paar!
In Apg 15 stimmen die Apostel und Gemeindeleiter über ein Thema ab. “Geleitet vom Heiligen Geist haben wir entschieden”, heißt es darin (Apg. 15, 28). Klingt nicht mystisch, oder?
Das griechische Wort, das in der Bibel für die Gemeinschaft mit Gottes Geist genutzt wird, heißt koinonia. Es beschreibt die Kraft und Bedeutung dieser Partnerschaft. Zwei Eheleute leben miteinander koinonia. Geschäftsleute, deren Erfolg miteinander verknüpft ist, leben miteinander koinonia. Koinonia, das bedeutet Lebensgestaltung, das bedeutet Schicksalsgemeinschaft. Gottes Geist und dein Geist sind ein Paar!
Wenn du nach Gottes Reden suchst, dann vergiss niemals, dass Gottes Geist und dein Geist ein Paar sind! Gott ist in dir.
Wenn du mehr über den Heiligen Geist wissen möchtest, wenn du wissen möchtest, welche Wunder und Veränderungen der Heilige Geist in Gemeinschaft mit dir und anderen bewirkt, dann lade ich dich zur Echtzeit am kommenden Mittwoch ein.
Für heute möchte ich aber nur einen Gedanken herausgreifen: Wenn Gott mit dir spricht, dann kann es sein, dass deine Gedanken auch ihre Gedanken sind, dass dein Gewissen den richtigen Weg zeigt.
[Das Unbekannte]
Wenn Gott mit dir spricht, dann sei offen für das, was du noch nicht kennst.
Amen.
Begegnung
Ich möchte ein kleines Experiment mit euch veranstalten.
[Der Altarraum wird geräumt. Ich bitte einen Gottesdienstteilnehmer nach vorne, er/sie setzt sich, den Blick zur Gemeinde. Danach stelle ich mich hinter ihn/sie. Ich warte einige Sekunden. Ich spreche lautlos die Worte “…, sag mir etwas.” Ich flüstere, etwas lauter, aber so, dass man mich nicht verstehen kann. Ich hebe die Hände in die Luft und wiederhole das. Schließlich senke ich die Hände wieder und rede in Zimmerlautestärke: “…, sag mir etwas.” Der Teilnehmer wird sich mir zuwenden und etwas sagen.]
Wenn du dir manchmal unsicher bist, ob du gehört wirst, dann solltest du laut sprechen. Ich habe still zu … gesprochen, ich habe die Lippen bewegt, ich habe geflüstert. Ich habe die Hände gehoben. Aber wirklich sicher, dass … mich gehört hat, war ich, als ich laut zu ihm/ihr gesprochen habe.
Wenn du dir manchmal unsicher bist, ob Gott dich hört, und ob du sie hörst, dann kannst du diese Übung mitnehmen. Rede Gott laut an! Schäme dich nicht, denn Gott hört. Gib dich nicht mit wenig zufrieden, erwarte viel von Gott. Erwarte Gottes Reden. Wenn es still ist, sprich laut:
“Gott, ich bin hier. Ich will hören. Sprich.”
“Gott, ich bin hier. Ich will hören. Sprich.”