Predigt MCC Köln, 23. Juli 2017
Daniel Großer
5. Mose 7,6-12
Mose? … Mose! … MOSE! Komm doch mal bitte runter.
Ja, mein Gott. Ich würde ja kommen, aber….
Komm her, Mose, ich will dir was zeigen.
Was, da hin soll ich kommen? Du meinst etwa…
Ja! Hierhin. Na komm schon endlich, Mose.
Aber Gott, findest du das nicht… naja, ein bisschen unanständig? Ich meine, das ist immerhin dein stilles Örtchen. Und ich will nicht, dass es aussieht als ob…
Ach Mose, so viel heiliger als deine Sitzwolke ist das Allerheiligste ja jetzt auch wieder nicht. Und jetzt komm her, es sieht dich keiner, der Hohepriester ist gerade auf seiner Matte eingeschlummert. Aber das hier musst du gesehen haben. Jetzt komm endlich.
Na gut, Gott. Also schön… da bin ich. Praktisch, das mit den Flügeln. Hätten wir auf der Wüstenwanderung gut gebrauchen können. Naja, ist ja auch egal. Zeig mal her, was du da hast. Ah… eine Schriftrolle.
Ja, und guck mal was vorne drauf steht!
Hm… “5. Buch Mose”… Mose? Moment, das bin ja ich! Wie kommen die darauf, ein Buch nach mir zu benennen? Garstiges Volk, diese Israeliten. Da ist man mal ein paar Jahrhunderte weg, und schon hat man den Salat.
Lies, Mose, lies! Es ist einfach zu köstlich, was da steht!
Wenn es denn unbedingt sein muss. “Denn du bist ein heiliges Volk… bla bla… erwählt… bla bla … Hand des Pharao… bla bla… Gebote halten… bla… und bringt sie um…” Grundgütiger, das ist ja furchtbar! Sowas hab ich doch nie gesagt, wie kommen die dazu, mir sowas in den Mund zu legen!
Witzig, nicht?
Witzig? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Wenn das da die Runde macht, geht mal wieder alles vor den Baum. Gibt es nur dieses eine Exemplar? Vielleicht können wir ja noch verhindern, dass das hier veröffentlicht wird. Wie wär’s mit ‘ner spontanen Selbstentzündung, so wie bei dem Dornbusch auf dem Berg damals…
Ach Mose, kennst du mich so schlecht? Wieso sollte ich das da verbrennen, ist doch sehr unterhaltsam. Und ganz falsch ist es ja auch nicht, was da steht…
… ja, aber eben auch nicht ganz richtig. So nationalistisch war ich jedenfalls nie. “Dich hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind.” Das hat bestimmt mal wieder so jemand geschrieben, der keine sieben Kamelwanderungen weit aus dem Jordanland fort gekommen ist. Ich meine, es gibt schließlich verdammt… äääh… ungemein viele Völker, und die Welt ist groß.
Ja, das stimmt Mose. Ich habe viele Völker. Aber das mit dem Nationalismus… nun, was du da in Kanaan bei der Landnahme angestachelt hast… auch nicht wirklich heilig, oder?
Ich tu ja auch gar nicht so heilig, aber dieses Buch hier lässt es so aussehen! Ich meine, das Volk musste sesshaft werden, oder hättest du andauernd in dem modrigen Zelt hausen wollen?
Och, ich fand das Zelt gar nicht schlecht eigentlich.
Ja ja, ist ja schon gut. Jedenfalls hab ich sie dahin gebracht, das ist wahr. Klar gab es da die eine oder andere Klopperei…
…. vergiss nicht die Völkermorde …
Jaaaa, meinetwegen. Dass du immer so nachtragend sein musst.
Ich bin nicht nachtragend. Aber ich vergesse auch nichts.
Ist mir aufgefallen, Gott, ist mir aufgefallen. Aber das mit dem Vergessen ist vielleicht deine beste Erfindung, solltest du mal ausprobieren. So oder so: Ich habe niemals irgendwem gedroht, dass du ihn umbringst, wenn er diese Gebote nicht hält. Und ich habe auch niemandem gesagt, er solle in deinem Namen irgendwelche Köpfe abtrennen oder, wie steht es hier doch gleich: “alle Völker vertilgen”.
Sag mal, Mose, findest du denn gar nichts schönes in dem Text? Schau doch nochmal genau hin.
Hm… mir gefällt ganz gut die Sache mit “der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält”. Das erklärt zumindest ganz gut, warum du auch manchem noch so gemeinen Kerl irgendwas Gutes abgewinnen kannst. Kann ja schließlich jeder mal ne liebe Urgroßmutter gehabt haben… Aber dann steht da ja gleich wieder die Keule: “… bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.” Also ich weiß nicht, irgendwie strotzt dieses Buch vor Pferdefüßen und Bedingungen und Einschränkungen.
Drollig, nicht wahr, Mose? Ich vermute, ich muss heute Abend noch ein paar Menschen schaffen, die diese Bedingungen irgendwie brauchen auf ihrem Weg zu mir. Denn du weißt ja, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt…
… kommt der Berg zum Propheten, schon klar, Gott.
Aber die wichtigste Sache, die haben sie drin gelassen, findest du nicht? Sieh mal: “Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – du bist das kleinste unter allen Völkern – sondern weil er euch geliebt hat!” Haaach… ist das nicht zauberhaft? Weil ich sie geliebt habe! Da steht’s, schwarz auf weiß!
Wo? Ach! Ja, stimmt, steht da. Haste Recht, Gott.
Ich habe immer Recht.
Trotzdem komisch, dieser eine Satz: “Nicht hat euch der Herr angenommen, weil ihr größer wäret als alle Völker – du bist das kleinste unter den Völkern”
Ich frage mich, was dieser Größenvergleich in dem Vers soll.
Naja, vielleicht liegt es daran, dass die Autoren dieses Buches männlich waren. Die sind Größenvergleiche gewöhnt.
Sehr witzig Gott, sehr witzig.
Ja, ich weiß. Ich weiß alles.
Aber jetzt mal im Ernst Gott: Warum sollte es eine Rolle spielen, ob ein Volk nun groß oder klein ist? Glauben die allen ernstes, dass du dich mit sowas aufhältst?
Weißt du Mose, diese Worte sind gar nicht für Völker gedacht. Völker interessieren mich eigentlich gar nicht, da kommen die sicher später noch drauf – so dumm sind Menschen nämlich gar nicht. Aber viele von denen, die mich lieben werden, weißt du, viele von denen werden klein sein.
Ich weiß was du meinst, Gott. Von da oben sehen irgendwie alle aus wie Ameisen, klitzeklein.
Nein, so war das nicht gemeint, Mose.
Aber du musst schon zugeben, dass du ziemlich groß bist, Gott. Ich meine, es gibt Leute, die darüber Lieder schreiben werden, wie unermesslich groß du bist. Bist du ja auch. Ich meine, ich will dir nicht zu nahe treten, aber du bist wirklich sehr, sehr groß. Vielleicht hast du dich in letzter Zeit nicht sonderlich oft im Spiegel angesehen, aber… nun, du bist mega groß und so. Wundert mich gar nicht, dass sich die Menschen da klein fühlen werden.
Ach Mose, jetzt hast du schon wieder mit dem Längenvergleich angefangen. Wenn es dereinst einen neuen Himmel und eine neue Erde geben wird, werde ich mir zu diesem Thema wohl noch Gedanken machen müssen. Später… …. Worauf ich hinaus wollte: Mose, du musst genau hinsehen. Meine Kinder werden sehr klein sein, und nicht wenige von ihnen werden sich selbst noch kleiner machen, als sie eh schon sind. Einige werden sogar andere klein machen. Ich wäre nicht sonderlich barmherzig, wenn ich ihnen nicht sagen würde, dass ich sie auch noch in der winzigsten Kleinheit lieben werde. Und so steht es auch da in dem Vers.
Verschüttet zwischen all den Regeln und Einschränkungen….
… aber nicht gänzlich verschüttet. Es steht da.
Stimmt. Aber sag’ mal: Was ist eigentlich mit den Großen? Liebst du die etwa nicht?
Wie kommst du denn darauf? Steht ja auch gar nicht da drin. Nur weil ich die einen erwähle, muss ich ja die anderen nicht gleich verstoßen. Im Gegensatz zu dir kommt es mir nicht auf die Größe an.
Weißt du, was ich an dir so liebe, Gott?
Ja, weiß ich. Ich weiß alles.
Ich sage es dir trotzdem: Du bist so herrlich versöhnlich in allem.
Danke, Mose.
So versöhnlich, dass ich vielleicht hier die eine oder andere Zeile…?
Steck’ den Radiergummi weg, Mose!
Ach komm schon, nur den Teil mit der Ausrottung, das wird gar keiner merken, versprochen.
Führe mich nicht in Versuchung, Mose! Finger Weg von meiner Offenbarung!
Schon gut, Gott, schon gut. Ich hab verstanden.
Ich hab dich auch lieb, Mose.
Oh, ääääh… Danke!
So, und jetzt ab auf die Wolke, der Hohepriester wird gleich aufwachen. Er hat gerade von einem Düsenjäger geträumt, der ärmste. Schnell jetzt, lass uns geh’n.
Fürbitten
Gott, du bist ewig, wir sind es nicht. Kurz ist unsere Zeit in dieser Welt und wenig Kraft trauen wir uns, unseren Worten und unseren Taten zu. Wir wollen uns nicht verlieren in unserer scheinbaren Bedeutungslosigkeit, sondern unser Hoffen und Wehen in deine Hand legen. Du bist ewig. Wir sind wie Lichtblitze in der Nacht, dein Licht aber strahlt weit in die Dunkelheit und jeder kann es sehen.
Wir entzünden ein Licht für die, die am Leben und sich selbst verzagen. Für die Verzweifelten, die Angstvollen, die Hoffnungslosen, die vom Leben müde gewordenen. Gott, gib ihnen Trost und lass sie spüren: Du siehst sie, du liebst sie, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden ein Licht für die, die in den Kriegen dieser Welt umkommen. Für die, die ihren Tod zu verantworten haben. Für die, die sich nicht mehr am Elend stören. Gott, gib ihnen Trost und lass sie spüren: Die hörst sie, du liebst sie, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden einen Licht für die, die sich verstecken müssen wegen ihres Glaubens, wegen ihrer Weltanschauung, ihrer Sexualität oder Identität. Gib ihnen Trost und lass sie spüren: Du kennst sie, du liebst sie, du hast Wort des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden ein Licht für die, die in deinem Namen Unrecht decken, für die sich der Politik anbiedernden Kirchenleute in der orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirche, für die Vertuscher von körperlicher und sexualisiserter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen und ihre Opfer, die mit dem geschehenen Leben müssen. Gott, gib ihnen Trost und lass sie spüren: Du erkennst sie, du liebst sie, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden ein Licht für die, die krank sind oder Abschied nehmen mussten von geliebten Menschen, die sich nicht mehr außer Haus trauen, die Trauernden. Gott, gib ihnen Trost und lass sie spüren: Du spürst sie, du liebst sie, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden ein Licht für die, die ihr Glück in beruflichem, finanziellem oder sozialem Erfolg suchen, die nach Anerkennung und Geltung suchen, die das Gefühl haben, nie genug zu haben oder sein. Gott, gib ihnen Trost und lass sie spüren: Du trägst sie, du liebst sie, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Wir entzünden ein Licht für unsere unausgesprochenen Anliegen, die wir in die Stille mitnehmen.
[Stille]
Gott, gib deinen Trost und lass spüren: Du bist gnädig, du liebst, du hast Worte des ewigen Lebens. Christus, erhöre uns.
Denn du, Herr Jesus, bist der Freund der Menschen. Deine Gnade reicht soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen. Deshalb setzen wir unsere Hoffnung auf dich, und loben und preisen wir dich, zusammen mit Gott und dem Heiligen Geist. AMEN.