Predigt MCC Köln, 19. August 2018
Daniel Großer
Apostelgeschichte 3,1-10
Die Geschichte hat für mich sehr viel MCC zu tun, besonders heute. Ich möchte sie heute konkret auf uns deuten – und zwar sowohl für jeden einzelnen in Bezug auf die MCC Köln, also auch für die MCC-Ortsgemeinden in Bezug auf den MCC-Weltbund.
Sonderbar bekannt kommt mir diese Szene vor. Denn ich denke direkt an die Bettler vor dem Eingang des Kölner Doms.
Allerdings können die Schweizer des Kölner Doms wohl berichten: Wenn man die Bettler zum Laufen bringt, dann gehen sie wohl kaum in den Dom hinein, um Gott zu preisen. Zum einen liegt es daran, dass die meisten der Bettler (im Gegensatz zu dem Mann, von dem uns die Apostelgeschichte erzählt) laufen können. Zum anderen ist der Kölner Dom für den Dombauverein und die Bettler gleichermaßen finanziell attraktiv aufgrund der hohen Besucherzahl. Zirka 6 Millionen Menschen sind es jedes Jahr. Für den Bettler aus unserer Geschichte dürfte zur damaligen Zeit der Platz am Tempel ein ebenso kapitaler Standort gewesen sein, wie es heute unsere “Große Kirche neben dem McDonalds” ist.
Es gibt viele Möglichkeiten, diese Geschichte zu lesen. Vor einer Woche hatte ich ein längeres Gespräch mit Ben, unserem Laiendelegierten. Eigentlich ging es dabei um die Gemeindeversammlung, aber während unseres Gesprächs musste ich immer wieder an die Geschichte vom Bettler am Tor denken.
Ja, richtig: Gemeinden und Kirchen sind Bettler. Richtig: In der MCC läuft nichts, ohne dass man ihr etwas gibt – weder bei uns, noch im Weltbund.
Das Wort “Weltbund der MCC” klingt ja immer sehr riesig, aber einen Wasserkopf kann man der MCC eigentlich nicht vorwerfen. Wusstest du, dass der Weltbund nur eine handvoll Vollzeitkräfte beschäftigt? Die MCC ist eine der schlanksten Kirchen, die man sich vorstellen kann! Ist schlank noch das richtige Wort? Müsste ich nicht sagen: dürr, ausgemergelt?
Nicht anders sieht es in unserer kleinen MCC Köln aus. Die MCC Köln ist eine Bettlerin. Wir haben haben keinen Lottogewinn auf Schweizer Konten oder riesige Grundstücke, von denen wir leben könnten. Wir haben keine Angestellten. Alles, was hier passiert, basiert auf ehrenamtlicher Arbeit, auf Spenden, auf persönlichem Einsatz.
Mit dem MCC Weltbund und seinen Netzwerken haben wir gemeinsam: Nichts davon gibt es morgen noch, wenn die Almosen aufhören. Das meint natürlich Geld, aber noch viel mehr: Ehrenamt. Wusstest du, dass im Verwaltungsrat der MCC (Governing Board) Ehrenamtliche 20 bis 30 Stunden (und mehr) pro Woche zusätzlich zu ihrem weltlich Beruf stemmen? Hast du eine Vorstellung, wieviel Zeit hinter der Arbeit unseres Pastors oder des Vorstands oder der z.B. Küster steckt?
Gemeinden und Kirchen sind Bettler! Wenn sie nicht beschenkt werden, hungern sie.
Eine “arme” Kirche zu sein, das ist uns in die Wiege gelegt, es ist angeboren. Es ist gut, dass Kirchen nicht ohne Menschen sein können! Es ist gut, wenn Kirchen nicht im Geld schwimmen! Aber mehr noch ist uns in die Wiege gelegt, und nicht selten lähmt es uns. Was können wir für die Kirchengeschichte der letzten 2000 Jahre und all den Unfrieden, den wir geerbt haben? Wir erben auch den Sexismus der Gesellschaft, den Rassismus und vieles mehr. Zur Gemeindeversammlung werde ich das weiter ausführen. Gemeinden und Kirchen sind Bettler, und es gibt einiges, was sie lähmen kann.
Aber nichts kann uns so sehr lähmen, wie das Angewiesen-sein auf Almosen selbst. Es macht etwas mit uns als MCC Köln, und es macht etwas mit uns als Weltbund. Wer andauernd gucken muss, wie er durch den kommenden Tag kommt, dem geht schnell der Blick darauf verloren, wo er in einem Jahr sein möchte. Und so sitzen wir vor dem Tor unserer Wunschträume, wie MCC sein sollte, und warten auf die Almosen. Wir denken uns: “Ach wäre doch in der MCC dieses und jenes möglich, aber wir sind doch so wenige, und unsere Mittel sind beschränkt. Wir brauchen mehr Almosen! Wie sollen wir nur das Gemeindezentrum zahlen, wie sollen wir die Gottesdienste schaffen?” Wir sind gedanklich so mit den Almosen beschäftigt, dass wir zu gelähmt sind, um durch das Tor zu gehen!
Der Tempel um 9 Uhr: Das stand damals in Jerusalem wie noch heute in vielen Kirchen für den Gottesdienst, die Zeit des Gebets. Es ist die Zeit, in der wir uns auf Gott ausrichten, in der nichts anderes zählt. Bei Gott zu sein, dazu sind wir geschaffen! Du und ich, wir als MCC Köln, und wir als MCC Kirche weltweit. Es ist die Vision der MCC, Gottes Himmelreich hier auf der Erde zu öffnen, besonders für die, denen man es verschließt. Wo wir eine Kirche sind, die Gott dient, und der Gott dient, da sind wir am Ziel. Wir finden das jeden Sonntag im Wort “Gottesdienst”. Wie sieht das für uns als MCC Köln aus? Was konkret ist Gottes Vision für uns in Köln? Wir haben keine Ahnung? Dann haben uns wohl noch immer die Almosen am schönen Tor davon abgehalten, in den Tempel zu gehen, und wir sind gelähmt!
Aber keine Sorge: Es ist Hilfe in Sicht! In unserer Geschichte sind es die Apostel. Die Apostel der MCC Köln, das bist du und du und du und ich, jeder von uns, wie wir hier sind. Von uns erhofft sich die MCC Köln ihre Almosen! Werden wir sie mit Gold und Silber abspeisen? Werden wir artig unseren Mitgliedsbeitrag spenden oder Sonntags einen Fünfer in die Kollekte legen? Werden wir unwillig Aufgaben übernehmen, damit sie nicht liegen bleiben? Bleiben wir bei den unglückseligen Almosen? Oder machen wir es wie Petrus und Johannes und sagen: “Schau uns an.”
Johannes und Petrus waren Apostel – und sie wussten es. Sie wussten, wer sie vor Gott und Menschen sind. Und als diese wollten sie erkannt werden. Heilige sind es, Heilige und Apostel, die die MCC Köln in dir und mir sehen und erkennen soll. Ich meine nicht Scheinheiligkeit, nicht Friede-Freude-Eierkuchen, nicht gelingende Lebensentwürfe oder tolle Begabungen. Aber was macht es aus, wenn wir erkennen: Neben mir sitzt gerade eine Heilige, ein Apostel, ein Schmuckstück Gottes. Was macht das mit uns als Kirche, was macht das mit dir und mir?
“Schau uns an!”
MCC Weltbund, schau uns an! Wir sind deine Gemeinden! Wir sind deine Heiligen, und du gehörst zu uns, wie wir zu dir gehören! Wie sehr doch sehnt sich MCC nach dieser Art von Versöhnung.
Es wird etwas mit uns machen. Wenn wir in erster Linie nicht mehr auf die Almosen, die Zwänge, die Schwierigkeiten schauen, dann wird der Blick endlich wieder frei werden, damit Gott unsere Herzen öffnen kann. Wie Petrus und Johannes werden wir sagen: “Silber und Gold haben wir nicht!”
Wir werden erkennen, was wir geben können, und was nicht. Wir werden aufhören, über unsere Grenzen zu leben. Wir werden aber auch aufhören, unsere Grenzen als Waffen zu gebrauchen.
“Aber was ich habe, das gebe ich dir!”
Wenn die MCC Köln von uns anstelle der Almosen das bekommt, was sie wirklich braucht, dann wird sie nicht mehr gelähmt sein, dann wird sie laufen können und endlich mit allen durch das Tor in den Tempel gehen und Gott loben.
Petrus und Johannes wussten offenbar sehr genau, was sie hatten und was sie dem Bettler geben konnten. Wie sieht es mit dir aus? Weißt du, was Gott dir gegeben hat, damit du es dem Bettler geben kannst? Auf welche Weise würdest du der MCC Köln die Hand reichen, damit sie gehen kann?
Und wie sieht es mit uns als MCC Ortsgemeinde aus? Haben wir eine Vorstellung davon, was den Weltbund lähmt? Ich glaube: Wir haben uns zu lange heraus gehalten, und den Weltbund mit sich alleine gelassen vor dem Tor. Wir müssen lernen, unsere eigene Kirche wieder zu sehen, und sie muss uns sehen. “Schau uns an!” Und ich denke, wir müssen uns ernsthaft Gedanken machen, wie wir der bettelnden, gelähmten, weltweiten MCC die Hand reichen können. Was ist es, was sie wirklich von uns braucht, damit sie aufstehen und mit uns durch das Tor gehen kann? Mehr dazu in der Gemeindeversammlung.
Für den Bettler in der Apostelgeschichte war ein Wunder möglich. Zusammen mit Johannes und Petrus ging er schließlich in den Tempel und sie lobten Gott und die Leute wunderten sich und staunten.
Wir haben hier in der MCC Köln durchaus Staunen erlebt. Ich habe hier Menschen gesehen, die staunend heraus fanden, dass Gott für sie eine ganz andere wurde. Staunend haben wir gesehen, wie Männer und Frauen neuen Mut fanden und geistlich, seelisch und körperlich aufblühten. Staunend haben wir die Tränen in den Augen von Menschen gesehen, die hier wieder glauben konnten, dass Gott sie liebt. Staunen haben wir gesehen in den Gesichtern derer, die uns zum CSD erlebten. Staunend muss ich immer wieder die verborgenen Talente bewundern, die ihr einbringt. Staunend nehmen wir hin, dass es die scheinbar so bettelarme MCC schon 25 Jahre lang gibt.
Ich bin überzeugt, dass Gott noch viel Staunen in petto hat für uns als MCC Köln, aber auch für den Weltbund. Ich will uns staunen sehen darüber, wie Gott die MCC Gemeinden miteinander und dem Weltbund versöhnt! Ich will Staunen sehen darüber, wie MCC weltweit fruchtet und Menschen für Gott begeistert. Staunend will ich sehen, wie Gott aus den Stolpersteinen der MCC Trittsteine macht.
AMEN.
Du & Ich vs. MCC Köln | MCC Köln vs. Weltbund | |
Der Bettler & die Almosen | Die MCC Köln | Der Weltbund |
Das Tor, “die Schöne” | Unser Wunschbild von MCC | |
Der Tempel um 09:00 | Unsere Berufung | Gottes Vision für MCC |
Die Apostel | Du und Ich | Die MCC Köln/Ortsgemeinden |
“Schau uns an.” | Warum wir zur MCC Köln kommen | Warum wir zum Weltbund gehören |
“Silber und Gold? Was ich habe, gebe ich dir.” | Was der MCC Köln fehlt | Was dem Weltbund fehlt |
Die Gesundwerdung | Eine blühende Gemeinde | Eine blühende Kirche |
Fürbitten
Wir wollen in uns gehen. Fürbitte halten. Aufmerksamkeit schenken. Denn Silber und Gott haben wir nicht. Gott, schau uns an.
Gott, schau uns an. Schau in unsere Ängste, unsere Talente, unser Zögern, unseren Mut, unser Verzagen, unseren Einsatz, unsere Ziele und unsere Gleichgültigkeit. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unsere MCC Köln an. Schau in ihre Träume, ihre Sorgen, ihre Menschen, ihren Pastor, ihren Vorstand, ihre Freundinnen und Freunde. Schau in ihre Vergangenheit, ihre Schmerzen, ihre Sprachlosigkeit, ihre Müdigkeit. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unseren MCC Weltbund an. Schau in seine Nöte, sein Ringen, seine Unfähigkeiten, seine Talente, seine Konflikte, seine Motive. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unsere Kranken an. Schau in ihre Schmerzen, ihre Hoffnung, ihre Depressionen, ihre Einsamkeit, ihre Not. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unsere Liebe an. Schau in ihre Bedingungen, ihre Grenzen, ihre Untreue, ihre Kraft, ihre Weite, ihre Geduld. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unsere Umwelt an. Schau in ihre Meere, ihre Luft, ihr Böden, ihre Insekten, Säugetiere, Vögel, Wirbellosen, ihre Algen, ihre Farne und Gräser, Flechten und Bäume. Schau in ihre Schönheit, ihre Gefährdung, ihr Sterben. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unserer Politiker*innen an. Schau in ihre Interessengruppen, ihren Gestaltungswillen, ihre Motive, ihre Einsamkeit, ihre Schwächen, ihre Ansprüche. Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott, schau unsere Ausländer an. Schau in ihre Fluchtwege, ihre Angst, ihre Geschichte, ihre Herkunft, ihre Träume, ihre Sehnsucht. Lass uns mehr als Almosen werden.
Wir wollen einen Augenblick in stillem Gebet sein. Gott, schau in unsere Fürbitten.
[ Stille ]
Lass uns mehr als Almosen werden.
Gott: Silber und Gold haben wir nicht, aber was wir haben, können wir dir geben. Jesus Christus, du hast uns alles gegeben, was du hattest, und es war genug. Weil wir dir glauben möchten, bitten wir in deinem Namen, dass du uns erhörst. Denn du bist der Freund der Menschen. Schenke uns deinen Geist, damit wir laufen können.
AMEN.