Predigt MCC Köln, 22. Juli 2018
Daniel Großer
1. Petrus 1,8-12
Drei Kernaussagen prägen diesen Text. Ich will versuchen, sie weniger verschwurbelt zu formulieren:
- Der Glaube an Jesus Christus löst eine unerklärliche Freude aus.
- Diese Freude gipfelt im “Ziel des Glaubens” – der “Seligkeit der Seele”
- Der Weg dorthin wird bereitet durch die, die vor und mit uns Gottes Geist hörten.
Der Text ist Teil der Eröffnung des Petrusbriefs. Den Briefen des Paulus ähnelt der erste Petrusbrief durch seinen Vier-teiligen Aufbau: Am Anfang steht eine kurze Ansprache der Zielgruppe des Briefes. Dann folgt das, was ich gerne als “Evangelium im Schweinsgalopp” bezeichne: Es wird erklärt, was Jesus Christus für uns Menschen bedeutet, und was wir Menschen für Jesus Christus bedeuten.
Im dritten Teil wird es dann handfest: Aus dem Evangeliums-Teil werden lebens- und glaubenspraktische Tipps und Anweisungen abgeleitet.
Abschließend gibt es dann im vierten Teil den warmen Händedruck, mit Grüßen und Segensworten.
Unser Bibeltext gehört in den zweiten Abschnitt, das Mini-Evangelium. Es geht also darum, die Menschen in Gottes Wirklichkeit zu orten, und umgekehrt Gottes Wirklichkeit auf der Erde zu entfalten.
Dreh- und Angelpunkt des Textes ist das “Ziel des Glaubens”. Luther übersetzt mit der ihm eigenen Poesie: “Seligkeit der Seele”
Wenn dich nachher die Kontrolleurin in der Straßenbahn fragt, worum es im christlichen Glauben geht, dann kannst du ihr also schlagfertig antworten: “Um die Seligkeit der Seele natürlich!”
Alles klar, oder? Ich möchte daher mein persönliches Idol Trappattoni zitieren: “Ich habe fertig.” Da wir nun aber noch etwas Zeit übrig haben, können wir der Seligkeit der Seele noch etwas nachspüren.
Martin Luther hatte das Glück, dass Seligkeit und Seele sich poetisch vorteilhaft ähnlich klingen. Das klappt auch in anderen Sprachen, im Englischen heißt es “Salvation of the Soul”.
Seele, das meint das essentielle, unverwechselbare, fühlende Menschsein in jedem von uns.
Diese Seele soll selig werden, soll Seligkeit erfahren.
Im Deutschen bedeutet “selig” soviel wie “überaus glücklich”. Viele Bibelübersetzungen wählen stattdessen das Wort “errettet”, übersetzen also “Rettung der Seele”. Mir persönlich gefällt diese Übersetzung nicht, denn die kleinen Gemeinden im Gebiet der heutigen Türkei – an diese ist der Brief nämlich gerichtet – betrachteten sich bereits als “gerettet”, der erste Petrusbrief berichtet sogar davon (1. Petrus 3-5). Es dürfte der Autorschaft des Petrusbriefes daher wirklich kein Anliegen gewesen sein, den Gemeinden Panik zu machen und ihnen eine Rettungsbedürftigkeit der möglicherweise verlorenen Seele als Verkaufsargument des Glaubens unterzujubeln. Das hatten sie schlichtweg nicht nötig. Nein: der erste Petrusbrief ist vielmehr ein Brief der Ermutigung und Anleitung. Er soll dem Glauben und Leben derer förderlich sein, an die er gerichtet wurde.
“Salvation” oder “Seligkeit” sind Versuche, das griechische Wort “σωτηρία” (sótéria) zu übersetzen. Weitere Bedeutungen des Wortes σωτηρία sind Wohlsein, Geborgenheit, Sicherheit, Bewahrung, Wohlfahrt, Behütet-Sein. Es geht also gar nicht in erster Linie um die Rettung vor etwas, sondern um ein Zuhause-Sein in etwas.
Das Ziel des Glaubens ist die wohlige Geborgenheit, das Zuhausesein der Seele. Es ist Teil von Gottes Wirken, dass das unverwechselbare, authentische DU sich wohlfühlt an einem Ort, der in jeder Hinsicht als “Daheim” bezeichnet werden kann. Der Petrusbrief nennt dieses Daheim “Himmel”, und er wähnt den Himmel keineswegs nur im Jenseits oder in der Zukunft.
Brauchen wir das? Könnte es nicht genug sein, wenn deine Seele in dir, in deinem Leben “Zuhause” und “geborgen” ist? Braucht eine Seele überhaupt so etwas, wie ein Daheim? Der Himmel, ist der überhaupt erstrebenswert? Was hat deine Seele davon, dort zu sein?
Diesen Fragen widmet sich der Petrusbrief nicht – denn er ist kein Bekehrungs-Traktat, kein Werbekatalog für den christlichen Glauben, keine Bedienungsanleitung. Er richtete sich an einfache Menschen wie du und ich. An Leute, die zwar glaubten, dass Gott gut ist und Jesus Christus lebt, aber die auch litten unter Spott, unter ersten Verfolgungen, unter Krankheiten und Sorgen um den morgigen Tag. Die nicht immer wussten, was sie morgen essen werden, die Angst vor dem Versagen hatten, die angefeindet wurden. Die sich in der Minderheit wähnten, sicher auch unverstanden so oft.
Wie gut mag es ihnen getan haben, dass Gott sie quasi unter Denkmalschutz stellt! Sie sollen selig werden! Was für eine Freude ist es doch, wenn du jemanden liebst – aber viel mehr noch, wenn du zurück geliebt wirst. Genau das ist die Seligkeit der Seele: Gott hält dich für absolut erhaltenswert, restaurierbar, unverkäuflich und kostbar, für liebenswürdig – dich als unverwechselbares, ureigenes Wesen in allem, was dich ausmacht.
Nicht etwa, weil du evangelisch oder katholisch oder – viel besser noch! – aus Köln bist, nicht weil du auch deine guten Seiten hast, nicht wegen deiner Spendenbereitschaft, nicht weil du bedauernswert wärst, nicht aus Mitleid, nicht aus Kalkül, nicht aus Eigennutz (es geht in dem Text ja nicht um Gottes Seligkeit, sondern um der Seelen Seligkeit).
Gott will um deinetwillen, dass deine Seele selig werde. Das ist Liebe.
Jetzt könnte man fragen: “Aber Daniel, machst du dir das nicht doch ganz schön einfach? Du und dein individualistisches Wohlfühl-Evangelium, in dem es immer nett um Liebe, Luft und Sonnenschein geht?”
Ich stelle mir diese Frage oft auch. Aber ist das so? Ist die Liebe billig oder einfach? Darf die Liebe, die einen Jesus Christus bis ans Kreuz getragen hat, noch für billig gehalten werden? Ist sie nicht vielmehr viel teurer, als wir uns eingestehen? Und was ist das in mir, was sich so dagegen sträubt, bedingungslos geliebt zu sein? Halten wir es so schwer aus, dass Gott uns wirklich um unserer selbst, um unserer Seele willen, liebt? Was ist es in uns, was uns für so wenig liebenswert erklärt?
Für die kleinen ersten Gemeinden, an die sich der Petrusbrief richtet, stand fest: Gott ist gut, weil sie gutes im Sinn hat mit ihnen. Diesem Gott konnten sie sich, ihre Seelen, guten Gewissens anvertrauen, dieser Gott war ihnen selig. Diesem Gott wollten sie gerne nahe sein, in ihrer Geborgenheit konnten sie hoffen. Und es erfüllte sie mit einer unerklärbaren Freude, dass selbst die vor Neugier fast platzenden Engel, so steht es in Vers 12, es gerne verstehen würden.
Ich wünsche dir, dass deine Seele selig werde und du dich geborgen, zuhause und wohlbehütet weißt in der Liebe Gottes, die bei dir ist heute und in jeder Stunde.
AMEN.
Fürbitten und Bitte um Vergebung
Gott, wir gestehen: Das Beten ist uns schwer so oft. Wir fühlen uns viel sicherer damit, wenn du ein Schön-Wetter-Gott bist, der bloß noch für wolkenfreie Samstage da ist oder dafür, dass wir den Bus pünktlich bekommen. Denn wir wollen nicht enttäuscht werden, schon gar nicht von dir. Wo wir uns über dich getäuscht haben oder uns täuschen lassen haben – enttäusche uns!
Christus, erhöre uns.
Gott, wir gestehen: Unser Glaube ist klein so oft, und unsere Fehler kommen uns so groß vor. Dann fühlen wir uns unwürdig, und meinen, du hättest nichts mehr zu sagen durch uns. Manchmal schweigen wir, wo wir von dir reden sollten. Stattdessen sind unsere Gedanken und Worte oft nicht die Quelle des Heils, das wir sein könnten. Wo wir uns von dir zurückgezogen haben – ziehe uns zu dir zurück!
Christus, erhöre uns.
Gott, wir gestehen: Unsere Kirche ist nicht immer ein Ort der Seligkeit – weder in Köln, noch weltweit. Wir sind verstrickt in unserer Zeit, wir haben die Konflikte zwischen den Rassen, Geschlechtern, Generationen und Religionen geerbt. Wo wir unfähig sind, heilsam zu sein – heile uns!
Christus, erhöre uns.
Gott, wir gestehen: Die Seligkeit unser Wünsche und Triebe sind für uns viel greifbarer und verlockender, als die Seligkeit der Seele. Wir ertappen uns manchmal dabei, wie unser Handeln auf Anerkennung, Spaß, Wohlstand, Sex, Sicherheit oder Macht ausgerichtet ist. Es kommt vor, dass wir unser Glück in etwas suchen, was uns unglücklich macht. Wo wir uns verführen lassen haben – führe uns!
Christus, erhöre uns.
Gott, wir gestehen: Wir gewöhnen uns so schnell an diese Welt. Wir haben uns abgefunden mit ihren Kriegen; mit der Verschmutzung der Meere, des Bodens und der Luft; mit der Ausbeutung von Mensch und Natur zum Vorteil weniger. Wir wissen: Es gäbe alle Tage Grund zum Beten und Klagen. Du hast uns Menschen befähigt, in Frieden zu Leben und Gewalt zu beenden. Wir sind in der Lage, verantwortungsvoll mit deiner Schöpfung umzugehen und sie zu erhalten. Es ist uns möglich, gerecht für alle zu teilen. Aber wir tun es nicht.
Manchmal wissen wir nicht, ob diese Welt eher deinen Zorn oder deine Gnade braucht, so ausweglos erscheinen uns die großen Probleme unserer Zeit.
Wo wir nicht sind, wie wir sein sollten – bleibe du doch für uns, wie du bist!
Christus, erhöre uns.
Wir wollen einige Minuten innehalten. Wer still sein mag, sei still. Wer laut beten mag, der bete laut. Gott dürfen wir alles klagen, um alles bitten, in alle Lebensbereiche einladen – mit oder ohne Worte.
[ Zeit lassen; Stille und/oder laute Gebete zulassen ]
Christus, erhöre uns.
Denn du Herr Jesus, bist der Freund der Menschen. Du hältst zu uns, du hilfst uns auf. Sende uns deinen Geist, dass sie uns wandelt, leitet, erneuert und bewahrt, damit wir erkennen und erfahren die Gnade und Liebe unseres elterlich zugewandten Gottes.
AMEN.