Predigt MCC Köln, 19. Nov. 2017
Manfred Koschnick
Lukas 16,1-8(9): „Vom unehrlichen Verwalter“
(Gekürzte Fassung ggü. der tatsächlich vorgetragenen mündlichen Version.)
Was für eine Gaunergeschichte! Und da heißt es immer: „Bei Geld hört die Freundschaft auf. Freundschaft kann man nicht kaufen.“ – Genau dies tut der Verwalter aber! Die gegenseitigen Verpflichtungen stiften Freundschaft. Er kauft, ganz wie üblich, langfristige Gastfreundschaft durch Schuldenerlass.
Er ist dazu berechtigt, denn anders als ein Sklave, ein Tagelöhner, ein Kleinbauer oder Pächter hat ein Verwalter, in der Hierarchie gleich unter dem Großgrundbesitzer, typische Managerprivilegien, um die andere Konkurrenten ihn beneiden. Sie verdächtigen ihn intrigant, mit dem Geld seines Herren nicht sorgsam umgegangen zu sein (in der Antike ein sehr häufiges Verfahren).
Der Herr hat berechtigte Zweifel an der üblen Nachrede und bittet seinen Topmanager zu einem Face-to- Face-Gespräch. Misstrauisch nach allen Seiten fragt er: „Was höre ich da?“. Er habe das Geld großzügig verstreut …wie ein orientalischer Sämann die Saat – großzügig und verschwenderisch. Manches fällt dabei bekanntlich auf Fels, anderes in Dorngestrüpp. So muss der Bauer es tun, damit manches Korn dann doch zufällig aufgeht und Frucht bringt. Ist das die rechte Art Geschäfte zu tätigen? Im Moment der Zweifel kann der Großgrundbesitzer nicht anders als den Manager fristgerecht zu kündigen, um weiteren Schaden übler Nachrede vom Unternehmen fernzuhalten.
Anstatt zu klagen und in der Vergangenheit nach Ursachen und Fehlern zu suchen, gar vor sich selbst und Gott seine Schuld zu bekennen und reuig – in der Hoffnung auf Vergebung und einen gnädigen Umgang mit sich – Buße zu tun, denkt dieser Geschäftsmann nur an seine eigene Zukunft. Nüchtern erwägt er mehrere Möglichkeiten.
Er kennt seine Schwächen (Feldarbeit, sie galt als die schwerste!) und seine Stärken, nämlich schwierige finanzpolitische Entscheidungen von Format zu treffen. Die mutige realistische Selbsterkenntnis rettet ihn! Er geht von einem reichen Schuldner zum andern und erlässt allen einen Teil der Schulden gegenüber seinem Herrn. Es geht um gewaltige Summen.
Dies verpflichtet und verlockt jeden der wohlhabenden Schuldner mindestens zur großzügigen Gastfreundschaft …und vielleicht kann man einige Insidertipps des Ökonomen gut gebrauchen. So kommen Schuldner wirtschaftlich auf die Beine und können wieder aus eigener Kraft Schulden begleichen. Dadurch kann jeder mit den Großgrundbesitzern Geschäfte machen, so dass auch diese von der Umverteilung, dem Interessenausgleich zwischen arm und reich profitieren.
Yanis Varoufakis hat in seinem neuen Buch „Die ganze Geschichte – Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment“ versucht, diese Zusammenhänge zu beschreiben.
Der Interessenausgleich erinnert auch an das heilige gottgegebene jüdische Erlassjahr, das alle 49 Jahre stattfinden sollte.
Und der Herr, lobte den „Verwalter der Ungerechtigkeit“, weil er klug gehandelt hatte und sagte (an die Zuhörer gerichtet): „Im Blick auf ihre Generation sind die Kinder dieser Zeit klüger als die Kinder des Lichts.“
Wer die Kinder des Lichts sind, ist schnell geklärt. So wurden die Mitglieder der jüdischen Qumran-Sekte genannt, (in deren Ruinen 1948 bis 1956 die bislang ältesten bekannten Bibelhandschriften gefunden wurden) – und interessanterweise wurden auch die ersten Christen „Kinder des Lichts“ genannt, deren Leben nur im Lichte des Jüngsten Gerichts und der Ewigkeit Gottes verständlich ist. Die Kündigung des Verwalters entspricht dem Ende seines Lebens. Die Wiedergutmachung an den Schuldnern des Herrn ist seine letzte Chance, der Verurteilung Gottes zu entgehen – und so kommt es dann ja auch.
Jesus richtet sich also mal nicht an die Pharisäer, sondern an seine eigenen Leute, die sich in der Endzeiterwartung schon fast im Himmelreich wähnten, an die „Rechtgläubigen“ unter ihnen. Ihnen erteilt er mit dem Gleichnis vom Reich Gottes eine Lektion, die sich gewaschen hat. Dass er den nachösterlichen Ausdruck „Kinder des Lichts“ verwendete, lässt vermuten, dass er selbst das Gleichnis nie erzählt hat, sondern die Urgemeinde während Verhandlungen zwischen Gnostikern, Idealisten und Realisten, zwischen Fundis und Realos.
Das Gleichnis könnte also ein Narrativ der Realofraktion in der Urgemeinde gewesen
und Jesus in den Mund gelegt worden sein.
In meiner Familie habe ich den Dissens zwischen meiner Realo-Mutter und meinem Fundi-Vater verinnerlicht. Er treibt mich immer noch als innere Zerrissenheit um. Meine Mutter musste meine Oma um das Geld für ein einfaches Kleid bitten, das mein Vater ihr verwehrte. Mein Vater hatte ohne unser Wissen einer bedürftigen Familie eine Vollmacht über unser Bankkonto erteilt. (Davon erfuhren wir erst bei seiner Beerdigung). Geld war wie Sex: notwendig, aber oftmals von Übel, und man redete damals darüber nicht. Mein Fahrrad bekam ich nur wegen des dringlichen Rates eines Kinderarztes. Das, was andere Familien für Urlaubsreisen oder ein größeres Auto ausgaben, spendete mein Vater heimlich den Hungernden in Indien und Afrika. Er war ein radikaler Christ, für den Worte ohne Taten nur leeres Geschwätz waren. Sein Gottvertrauen war riesengroß; “…und doch ernährt sie der Vater im Himmel“. Ich lernte an dem nie offen oder laut diskutierten Konflikt in der Familie, wie wichtig Transparenz und darauf aufbauendes gegenseitiges Vertrauen und Respekt gewesen wäre und wie unsagbar kränkend es ist, wenn das fehlt. Über Geld will ich reden, wenn’s auch schwerfällt.
Was das Geld im Gleichnis bedeutet, ob Liebe, Lebenskraft oder tatsächlich Geld, sei letztlich egal, behaupten manche, weil alle starken Beziehungen und zirkulierendes Geld vom Ende her gedacht austauschbar seien.
Glaubt nicht, dass die Topmanager der Autoindustrie direkt an Autos, ihrer Entwicklung und Produktion arbeiten. Die Verwalter der Autoindustrie sind die häufigsten Gäste im Kanzleramt. Werkeln sie dort etwa mit Frau Merkel an neuen Autos? Sie pflegen Beziehungen, sie REDEN, wie z.B. der Herr Zetschke, Chef von Daimler, wenn er (vielleicht nicht gerade authentisch, aber wer weiß?) in abgewetzten Jeans und T-Shirt beim Parteitag der Grünen spricht. Beziehungen sind u.U. sehr viel Geld wert.
Darum entstehen aus Beziehungen manchmal große Reichtümer. Viel Geld ermöglicht wiederum sehr viel mehr wichtige Beziehungen (die soziale Teilhabe an der Gesellschaft und Einflussnahme auf die Gesellschaft), als man dies z.B. im Hartz IV-Sektor haben kann. Reiche kaufen sich dadurch Dienstleistungen, die sonst Freunde erbringen müssten.
Diese gewinnbringende Eigenschaft von Beziehungen nutz also auch der Gutsverwalter des vermutlich römischen Herrn. Gefeuert vom Chef, muss er sich bei den etwas ärmeren Juden, die er ungerecht behandelte, wieder beliebt machen, um bei ihnen (religiös übersetzt: „im Reich Gottes“) aufgenommen zu werden.
Christliche Idealisten behaupten immer: Geld kann innere Werte nicht ersetzen oder kompensieren. Freiheit, die sich auf Unfreiheit oder Zerstörung gründet, schadet. Was hilft schon Geld, wenn es die Gesellschaft spaltet und in Kriege führt?
(Fundis fragen: „Hilft Beziehung allen, wenn sie ein Pakt mit dem Teufel ist?“ Ich kann wegen Zeitmangel jetzt leider nicht darauf eingehen, zumal der Bibeltext davon nicht redet.)
Vermutlich galt Geld schon unter den ersten Christen, den Kindern des Lichts als gefährlich, verführerisch und unheimlich. Es lud ein zu Korruption und Verrat am Reich Gottes – wie z.B. später durch den „Ablasshandel“ zu Luthers Zeit.
In unserem Gleichnis höre ich aus Jesu Mund in etwa folgendes: „Im Blick auf Eure Generation sind die (lebenserfahrenen, d.h. mit Sünden erfahrenen) Kinder dieser Zeit klüger und damit erfolgreicher als die (unschuldigen naiven) Kinder des Lichts.“
Soll m. E. für uns, die Kölner Gemeinde der MCC heißen: Lernt von den andern Menschen, den Kindern der Zeit. Diese Zeit ist für eine Weile auch Eure Zeit. Lebt nicht nach aber in ihr, ihren Regeln, Konventionen und Bedingungen. Ihr seid nicht von aber in dieser Welt! Macht wie die Kinder der Zeit Marktanalyse und Marketing. Prüft, welche eurer Angebote auf welche Bedürfnisse potentieller Interessenten treffen könnten. Wie müssen die Angebote der Kirchengemeinde vielleicht erweitert werden, um nicht nur Christus, sondern auch den Problemen und Bedürfnissen der Kinder dieser Zeit gerecht zu werden? Darf man Bedürfnisse wecken oder bewusstmachen ? Lernt den Umgang mit Computern, mit den gewinnbringenden Beziehungen zu andern innovativen Gruppen und Verbänden, und installiert globale Vernetzungen wie z.B. die mit anderen MCC-Gemeinden. Nutzt das Internet zur Verbreitung der Botschaft Jesu. Findet christliche Antworten, die als Kinder der Zeit auch Atheisten nachvollziehen können. Seid authentisch, ehrlich und transparent im öffentlichen Auftreten. Dies fördert die Akzeptanz. Verleugnet nicht die inneren Widersprüche der Bibel und des Christentums. Erklärt den Kindern der heutigen Spassgesellschaft, ob Glaube auch Spaß machen kann – und lebt die Antwort vor.
Spirituell ist die Einsicht, dass die Lösung meistens gar nichts mit dem Problem zu tun hat. Daniels Botschaft letzten Sonntag war: „Frage Dich nicht, was Menschen im Leben eigentlich zusteht und was Du darum tun musst, es doch noch zu bekommen. Löse Dich von falschen Alternativen und frage, was Gott Dir als Potential schenkt und von und mit Dir will“. In dieser Weise kann auch ganz speziell unter uns auch der Umgang mit Geld, Marketing, usw. gelernt und gestaltet werden.
Fürbittengebet
Christus, erhöre uns!
1. Die Geldgier tötet Menschen. Die Gier tötet Tiere. Die Gier tötet ganze Biotope. Die Gier bedroht Völker und Nationen, der Rohstoffe, das heißt des Geldes wegen. Es ist die Habgier, die uns zu gefährlichen Narren macht. Wir bitten Dich: Stifte Glück und Zufriedenheit statt Gier zwischen den Menschen zum Wohle aller!
Christus erhöre uns.
2. Die Gier nach Anerkennung lässt Menschen vergessen, dass alle Deiner Gnade bedürfen und restlos vollkommene Anerkennung finden bei Dir. Wir bitten für diese Menschen. Zeige ihnen, dass sie in Wahrheit nicht Riesen ihrer Träume oder Zwerge ihrer Ängste sind sondern geliebte Kinder des Lichts.
Christus, erhöre uns!
3. Die Neu-gier treibt Genforscher an, Nutzpflanzen und Nutztiere zu verbessern. Auch Menschen wollen sie der Nützlichkeit wegen verbessern. Die Neugier treibt Theologen an, Gott das Geheimnisvolle mystische seines Wesens zu entreißen und zu erforschen. Manche Menschen verlieren dadurch ihren Glauben an Gott. Christus, setze der Neugier christliche Grenzen, dass Forscher u. Theologen in Theorie und Praxis den Fehler von Adam und Eva nicht wiederholen müssen.
Christus, erhöre uns!
4. Alle Gier ist die ambivalente Angst vor Grenzen, der letzten Grenze, dem Tod. Das gilt besonders für die Gier nach Nahrungsmitteln. Sie ist wohl Teil Deiner Evolution des Menschen. Hilf bitte den vielen Übergewichtigen sich der Veränderungen während der letzten 150 Jahre unseres menschlichen Daseins bewusst zu werden und neue persönliche Grenzen zu finden, innerhalb derer sie gesund leben können.
Christus, erhöre uns!
5. Die Gier nach romantischer irrealer Liebe und Sexualität führt einige Menschen in Abhängigkeiten, aus denen Du Sie befreien willst. Sie meinen, sie müssten ihre eigenen Gefühle und ihre PartnerInnen manipulieren und kontrollieren, wie wenn man einen Tranquilizer nimmt, um das Gehirn zu kontrollieren. So belügen sie sich selbst. Schenke Ihnen die Gewissheit und das Vertrauen, sich dem Leben und sich auch den unangenehmen Gefühlen ausliefern zu können, weil Du ihnen Halt geben kannst, wenn sie Dir voll vertrauen, zu sich selbst ehrlich werden und auf Dich bauen.
Christus, erhöre uns!
6. Die Gier der Menschen ist auch die Faszination von scheinbarer Selbstbestimmtheit, wie sie ansonsten der Selbsttötung zugeschrieben wird. Christus, Du weißt, was Menschen bewegt. Ihre Seele schreit „lieber saufe ich, als dass ich sterbe, lieber hure ich, als dass ich sterbe, lieber fresse ich, als dass ich sterbe, usw. Gier ist manchmal ein Überlebenskampf bevor möglicherweise nichts mehr geht, man verrückt wird oder stirbt. Christus wir bitten Dich, zeige Du Dich in unserm Alltag als der, mit dem immer noch was geht.
Christus, erhöre uns!
AMEN