Krippenspiel MCC Köln, 24. Dezember 2020
Ines-Paul Baumann
Matthäus 1,18-25
Beteiligte des Krippenspiels:
- Maria
- Josef
- „Service“: ein Mensch vom Servicepersonal auf dem Amt
- „Amt“: ein_e gefühllose_r, pedantische_r Angestellte_r vom Amt
- Erzähler_in
Service: Guten Tag, was ist Ihr Anliegen? Wohnsitz anmelden? Fahrzeugpapiere ändern? Lohnsteuerkarte? Dokumente ändern nach Vornamens- und Personenstandsänderung? Parkausweis?
Maria: Uns ist ein Kindlein heut gebor‘n.
Service: Also Anzeige der Geburt eines Kindes. Standesamt. Ziehen Sie bitte eine grüne Wartemarke und warten Sie da vorne.
(Erzähler_in: Maria und Josef nehmen Platz und warten. Und warten. Und warten.)
Amt: 912, Schalter 3.
Maria: Guten Tag.
Amt: Was ist Ihr Anliegen?
Maria: Uns ist ein Kindlein heut gebor‘n.
Amt: Also Anzeige der Geburt eines Kindes. – Mutter?
Maria: Ich. Maria.
Amt: Und Sie sind der Vater? Sind Sie beide verheiratet?
Josef: Wir sind nur verlobt.
Amt: Haben Sie die beurkundete Vaterschaftsanerkennung dabei?
Josef: Äh, ja, also…
Amt: Äh ja also WAS? Erkennen Sie die Vaterschaft an oder nicht?
Josef: Also, das Kind ist von Gott. Es ist Gottes Sohn.
Amt: Ok. Ist die Mutter mit Gott, dem Vater, verheiratet?
Josef: Sie verstehen nicht….
Amt: Also Gott ist der Vater des Kindes, aber die Mutter des Kindes ist nicht mit Gott, dem Vater, verheiratet? Dann muss Gott die Vaterschaft anerkennen.
Josef: Und ich?
Amt: Tut mit leid, aber es kann nur zwei Elternteile geben.
Josef: Aber ICH werde das Kind doch großziehen.
Amt: Also Gott, der Vater, hat das Kind nur gezeugt, möchte aber ab jetzt nichts mehr mit dem Kind zu tun haben?
Josef: Nein, so ist es nun auch nicht…
Amt: Wie gesagt, eine Mehrelternschaft ist nicht möglich. Entweder sind Sie der Vater oder Gott.
Josef: Es ist Gottes Sohn, aber-
Amt: Warum ist Gott dann nicht hier erschienen, sondern Sie?
Maria: Gott IST erschienen. Uns allen! In dem Kind.
Josef: Haben Sie es denn noch nicht gehört? „Euch ist ein Kindlein heut’ geborn, von einer Jungfrau auserkor‘n. Ein Kindelein, so zart und fein, das soll eu’r Freud und Wonne sein. Es ist der Herr Christ, unser Gott, der will euch führ‘n aus aller Not, er will eu’r Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein“!
Amt (ungerührt, aber ein bisschen nachsichtig): Wo kommt das Kind denn jetzt her?
Maria: Vom Himmel hoch, das kommt es her!
Amt : Ich bräuchte einen genauen Geburtsort.
Josef: Das Kind ist im Stall geboren. Es liegt in der Krippe, zwischen Ochse und Esel. Aber keine Sorge, aktuell sind die Hirten da, und nachher kommen drei Könige und passen auf das Kind auf.
Amt (ruft laut): Siggi, kannst du bitte mal Micha vom Jugendamt holen? Es geht um einen Hausbesuch. Dringend!
Josef (eingeschüchtert und fassungslos): Aber wir sind doch die Heilige Familie…
Ergänzende Anmerkungen
In der Bibel findet sich eine Vielfalt an Familienformen. Die meisten davon entsprechen schlichtweg dem, was zu der entsprechenden Zeit gang und gäbe war. „Heiliger“ als andere waren keine davon – und das Familienideal von Vater, Mutter und Kind schon gar nicht. Dieses Ideal der Kernfamilie gibt es erst seit ca. 2 Jahrhunderten (und ist nicht entstanden im Kontext der Bibel, sondern im Kontext von Bürgertum, Romantik und Kapitalismus).
Jesus selbst allerdings hatte von Familie tatsächlich eine andere Auffassung als es damals üblich war. Er selbst bezeichnete Familie als eine Gemeinschaft, die auf gemeinsamen Werten und Vorstellungen beruhte, ganz unabhängig von Biologie und Beziehungsformen (Markus 3,31-35). Die Anerkennung von Sicherheit und Fürsorge von Generationen zueinander war ihm aber auch durchaus wichtig; so stieß er noch am Kreuz eine neue Elternschaft zwischen seiner Mutter und seinem Liebsten an (Johannes 19,26+27).
Aus Jesu Äußerungen lässt sich entnehmen, dass ihm mehrere Dimensionen von Elternschaft bewusst und wichtig waren – leiblich, sozial, aber eben auch geistlich. Beim Begriff „Vater“ denkt er eben nicht nur an Josef, sondern auch an Gott. Allerdings entzieht er seinem Gottesbezug patriarchale Vaterbezüge wie Biologie, Macht und Hierarchie. Sein Gottesbild spiegelt eben nicht diese Form von distanziertem und strafendem Vater, sondern er nennt Gott „Abba“ und wandelt damit ein Abhängigkeits- und Machtverhältnis in ein Vertrauensverhältnis um. Vielleicht waren Frauen damals so wenig Teil von Machtverhältnissen (in Familien UND in Gottesbezügen), dass es hier auch keiner Umbenennung der Ansprache bedurfte – was korrigiert werden musste, war vorrangig das Verständnis von VATERschaft und Gottesbezug.
Jedenfalls kündet Jesu Ansprache von Gott als „Abba“ von einem selbst gewählten und bewussten Vertrauensverhältnis statt von erzwungenen biologistischen Machtverhältnissen. Der Rückgriff auf das Vaterunser in Anlehnung an die Sprache, die Jesus selbst damals gesprochen hatte, möge auch uns heute etwas von dieser Umdeutung erneut bewusst und zugänglich machen. Ihr seid herzlich eingeladen, jetzt das aramäische Vaterunser mitzubeten.
(…)