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Parodie, Punkrock, Palmsonntag? (Wie können wir Jesus loben?)

Andacht MCC Köln, 10. April 2022
Ines-Paul Baumann

Markusevangelium 11,7-10

Lobpreis, Glaubensbekenntnisse, Gebete: Eine große Menge vereint sich mittels einer Gleichheit von Worten und Rhythmus. Manche versetzt das in Hochstimmung. Mir selbst wird bei einheitlichem Lob und Jubel schnell ganz eng und klamm zumute.

Dabei kann ich in manchen Situationen durchaus aus ganzem Herzen jubeln. Bei der Drag Night im Gemeindezentrum schloss ich mich dem Applaus und Jubel, der allen Bühnenmutigen zuteilwurde, aus ganzem Herzen an. Beim trans* Pride oder beim CSD klingt jeder Jubel am Straßenrand ermutigend und empowernd.

Auch an Palmsonntag findet sich also eine große Menschenmenge zusammen. Lauthals loben sie Gott. Auf den ersten Blick könnte es großer ungetrübter Jubel sein. Bei mir tauchen aber auch Fragen auf.

Was passiert da? Vielleicht hilft ein Blick auf das, was bis dahin passiert ist:

  • Jesus selbst scheint sich gerne mal zurückzuziehen. (z.B. Mk 1,35 / Mk 6,46 / Mk 7,24 / Mk 9,2 / Mk 9,30).
  • Ansonsten findet sich ein Wechselspiel: Mal hat Jesus mit großen Menschenmengen zu tun („ihm folgte eine große Menge“, „sie brachten viele zu ihm“, …), mal ist Jesus im privaten Bereich unterwegs („als er im Haus war“, als er daheim war“, …).
  • WENN Jesus mit großen Menschenmengen zu tun hat, dann im Zusammenhang mit Veränderungen unter ihnen (zum Heilen, Predigen, Mahnen, …).
  • Die Situation der Menge ist dabei stets wichtiger als die Stellung Jesu, z.B. bei den Speisungen der Tausenden: Es soll IHNEN gut gehen – und sie HABEN dafür die Ressourcen.

Zusammengefasst: Jesus macht Menschen nicht von sich abhängig, stellt sich nicht in den Mittelpunkt, handelt nicht um seiner selbst willen.

Bis zum Palmsonntag sucht Jesus nicht die Massen, lässt sich nicht bejubeln, setzt nicht auf Siegesrhetorik.

Und dann kommt der Einzug nach Jerusalem:

7 Die Jünger brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Mäntel auf das Tier, und er setzte sich darauf.
8 Viele Leute breiteten ihre Kleider als Teppich vor ihm aus, andere legten Zweige auf den Weg, die sie von Bäumen auf den Feldern abgerissen hatten.
9 Vor und hinter ihm drängten sich die Menschen und riefen: »Gelobt sei Gott, und gepriesen sei, der in seinem Auftrag kommt!
10 Gesegnet sei das Königreich unseres Vorfahren David, das nun kommt! Gelobt sei Gott hoch im Himmel!«

Mk 11,7-10

Der Einzug eines bejubelten Königs in Jerusalem ist sonst bekannt als Prozession des römischen Kaisers – eine Machtdemonstration.
Die Palmwedel sind in der Antike ein Zeichen des Sieges.

Wieso sollte Jesus auf einmal auf Machtdemonstration und auf Siegesrhetorik setzen?

Versucht er mit dem Esel (statt der gepanzerten Kriegsrosse bei den kaiserlichen Prozessionen) nicht vielmehr, das zu unterlaufen?

War das vielleicht eher eine Parodie der herrschaftlichen Prozessionen des römischen Kaisers?
War der Esel vielleicht eher – wie an Karneval – ein Mottowagen?
Waren die ärmlichen Mittel vielleicht so selbstbewusst ausgewählt wie der wohltuende Verzicht auf Schnickschnack im Punkrock?

WILL Jesus also überhaupt so bejubelt werden? Damals? Heute?

„Gelobt sei Gott! Gelobt sei Gott hoch im Himmel!“

Wird der Jubel und die Jubelnden hier nicht ganz schön kritisch dargestellt? Wo sind all die Jubelnden, als Jesus nicht ihre Hoffnung einlöst, sich zum neuen Herrscher der Welt aufzuschwingen?
(Diejenigen, die Jesu Werk letztlich weitertragen, sind Menschen fern allen Jubels: Menschen, die verzweifelt, einsam und verzagt waren, bis der Glaube an Jesu Auferstehung sie aktiv werden ließ…)

„Gelobt sei Gott! Gelobt sei Gott hoch im Himmel!“

Was ist mit all den christlichen Liedern, die genau so klingen?

Mit all den Situationen, in denen wir heute gemeinsam dieselben Worte im selben Tempo sprechen?

Jesus, wie können wir dich loben?

Jesus, WIE können wir dich loben?
Jesus, wie KÖNNEN wir dich loben?
Jesus, wie können WIR dich loben?
Jesus, wie können wir DICH loben?
Jesus, wie können wir dich LOBEN?

Ich glaube nicht, dass Gott unser Lob braucht, um Gottes Ego damit zu streicheln. Als wäre Gott erzürnt, beleidigt oder zornig, wenn unser Lob nicht groß genug und nicht häufig genug für Beschwichtigung sorgt.

Wie also kann Lob, Preis, Jubel und Anerkennung in einem Gottesgeschehen Platz finden, das nicht gegründet ist in der Liebe zur Macht, sondern in der Macht der Liebe?

 

 

 

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