Predigt MCC Köln, 15. Dez. 2013
Ines-Paul Baumann
Mt 11,1-19 „Die Frage des Täufers — Jesu Antwort und Zeugnis über ihn“
Petrus: Äh… Jesus…?
Jesus: Ja, Petrus?
Petrus: Kann ich dich was fragen zu Krisenmomenten?
Jesus: Was für Krisenmomente, Petrus?
Petrus: Ich wusste, dass du das fragen würdest…
Jesus: Komm schon: worum geht’s, Petrus?
Petrus: Naja, der Johannes zum Beispiel. Vor ein paar Wochen war er noch so sicher. Er war so überzeugt. So voller Erwartung. Alle sind zu ihm raus in die Wüste, weil ER Bescheid wusste. Dass du kommen würdest. Was dann passieren würde. Er hatte es voll raus! Und jetzt sitzt er im Gefängnis und lässt dich fragen, ob du es tatsächlich bist.
Jesus: Und was möchtest du jetzt von mir wissen, Petrus?
Petrus: Kaum bist du da, verliert der Überzeugteste beinahe seinen Glauben. Wir hatten irgendwie erwartet, dass es andersherum sein würde. Dass du kommen würdest, um unseren Glauben zu stärken.
Jesus: Was würde euren Glauben denn stärken?
Petrus: Dass alles gut wird, Jesus! Wir würden erwarten, dass du alles gut machst. Du sollst die Leute aufrufen, nett zueinander zu sein. Wo du bist, sollen Leute einander wertschätzen. Wenn ich mich abrackere, soll ich ein Dankeschön und Anerkennung bekommen. Die Leute um mich herum sollen alle freundlich sein. Sie sollen sich so benehmen, dass ich gut mit ihnen klarkomme.
Jesus: Und, ist es so?
Petrus: Nein! Das ist ja! Sieh dir doch nur mal unseren Zwölferkreis an. Wie bist du auf die Idee gekommen, ausgerechnet uns zusammenzustellen? Du hast doch mitbekommen, wie wir uns manchmal fetzen. Jeder will der Größte sein. Wie oft muss ich den anderen noch vergeben?
Jesus: Das hatten wir doch schon, Petrus. Erinnerst du dich nicht?
Petrus: Ja, Jesus, ich weiß. Vergeben ohne Ende. Aber das ist doch unrealistisch. OK, eine zweite Chance hat jeder verdient. Aber irgendwann muss es doch auch mal reichen. Du hättest auch sagen können: Vergib drei Mal, und wenn sich immer noch nichts gebessert hat, dann gehen wir da mal zusammen hin und waschen dem den Kopf.
Jesus: Bist du wirklich enttäuscht, dass ich das nicht gesagt habe?
Petrus: Wie kannst du denn so sicher sein, dass das gut geht? Dass nicht einer von uns irgendwann die Nase voll hat und alles hinschmeißt? Woher willst du wissen, dass wir immer zu dir halten? Dass nicht einer von uns dich mal verrät? Dass wir nicht irgendwann mal leugnen werden, dich jemals gekannt zu haben? Dass nicht auch unter uns Zweifel an dir aufkommen?
Jesus: Petrus, das mag alles sein. Aber vorher lade ich euch nochmal zum Essen ein.
Petrus: Manchmal verstehe ich dich einfach nicht. Das geht anderen übrigens auch so. Jesus, die Leute tuscheln schon.
Jesus: Sie tuscheln?
Petrus: Naja, sie reden halt so Zeugs. Über Johannes. Dass der nix gegessen hat. Und über dich. Dass du so viel isst und trinkst. Und dass du das römische Reich immer noch nicht abgeschafft hast. Solche Sachen halt.
Jesus: Und, was ist daran falsch?
Petrus: Hm, stimmt – es stimmt. Johannes hat fast nix gegessen, und du isst die ganze Zeit! Sie haben also richtig beobachtet!
Jesus: Sag mal, Petrus, willst du nicht langsam mal auf den Punkt kommen? Du wolltest mich doch was zu Krisenmomenten fragen.
Petrus: Aber das ist es doch, Jesus! Guck doch mal, was passiert ist, seitdem du da bist:
– Johannes hat beinahe seinen Glauben verloren.
– Statt für einen Propheten halten die Leute ihn mittlerweile für einen Besessenen.
– Nicht mal im Zwölferkreis bekommen wir unsere Gemeinschaft immer gut auf die Reihe.
– Und du isst zu viel.
Jesus: Euer Glaube steckt in der Krise, weil ich zu viel esse?
Petrus: Naja, es macht unsere Arbeit nicht gerade einfacher. Außerdem isst du ständig mit den falschen Leuten.
Jesus: Sagen das die „richtigen“ Leute?
Petrus: Jesus, deine gesamte Performance entspricht nicht den Erwartungen!
Jesus: Meine was?
Petrus: Dein Auftreten. Ich versuche die ganze Zeit, es dir schonend beizubringen. Deine Performance stimmt nicht. Sie erwarten etwas anderes von dir. Du sollst alles Böse aus der Welt raffen und eine Gemeinde aufbauen, in der nur die wahren Gläubigen einen Platz haben, und wo immer alle nett zueinander sind. Also, zumindest kann jeder von allen anderen erwarten, dass sie nett zu ihm sind. Wer das nicht ist, hat es natürlich nicht verdient, dass ich selbst nett zu dem anderen sein muss. Nur wer mich gut behandelt, wird auch von mir gut behandelt. Wo kämen wir dahin, wenn plötzlich alle an deinem Tisch Platz nehmen dürften.
Jesus: Wir kämen genau da hin, wo ich mit euch hin will, Petrus.
Petrus: Aber wenn du wirklich alle dazu einladen willst, musst du deine Performance ändern! Du musst spektakuläre Wunder tun und Leute heilen,
Jesus: – habe ich gemacht –
Petrus: du musst den Bösen sagen, dass sie so nicht weitermachen können und Gott das nicht hinnehmen wird,
Jesus: – habe ich gemacht –
Petrus: du musst alle dazu aufrufen, besser mit sich und anderen umzugehen als wir es sonst gewöhnt sind,
Jesus: – habe ich gemacht –
Petrus: und du darfst nicht so viel essen.
Jesus: Und irgendwann sperren sie meinen Leib dann in irgendwelche Boxen und klingeln mit den Glöckchen, wenn sie mich hervorholen? Petrus, das kann doch nicht unser Ziel sein!
Petrus: Trotzdem, Jesus. An irgendetwas müssen wir Menschen doch erkennen können, dass wir in dir Gott begegnen. Dass du uns Gottes Nähe zusagst, dass du uns Gottes Reich bringst! Dass Gott da ist, wenn du da bist!
Jesus: Und was soll das deiner Meinung nach sein, Petrus?
Petrus: Im Zwölferkreis hatten wir unterschiedliche Vorschläge.
Jesus: Na, dann fang mal an.
Petrus: Geht nicht.
Jesus: Geht nicht?
Petrus: Wir sind zu keinem Ergebnis gekommen.
Jesus: An was hattet ihr denn gedacht?
Petrus: Vielleicht könnten wir ein paar Lieder einstudieren, und überall wo diese Lieder gesungen werden, wissen die Menschen dann, dass du da bist. Aber du hast uns keine Lieder als Erkennungszeichen für deine Gegenwart beigebracht.
Jesus: An was hattet ihr noch gedacht?
Petrus: Vielleicht könnten wir uns ein Mal pro Woche zusammensetzen und alles, was du uns gepredigt hast, nach einem festen Ablauf zusammen durchgehen: um Vergebung bitten, unseren Glauben bekennen, und in deine Nachfolge aufrufen. Wir würden eine Art Vokabelheft erstellen und richtiges Beten lehren.
Aber du redest ja mit jedem anders. Manchen sagst du, sie sollen alles stehen und liegen lassen und ihr gesamtes Leben in deinen Dienst stellen. Von anderen nimmst du einfach so manchmal Unterstützung entgegen. Andere heilst du und schickst sie nach Hause. Wie sollen wir daraus einen für alle gültigen Glaubenskurs stricken können? Wir haben den Plan aufgegeben.
Jesus: An was hattet ihr noch gedacht?
Petrus: Benimmregeln. Die zehn Gebote umgeschrieben für deine Anhänger und Anhängerinnen. Du sollst deinen Gruppenleiter ehren, du sollst deine Nächsten immer und alle mögen, du sollst immer voll des Glaubens sein, …
Jesus: Und, woran ist dieser Plan gescheitert?
Petrus: An uns selbst.
Jesus: Na, da hat sich die göttliche Weisheit ja doch noch durchgesetzt.
Petrus: Du meinst nicht, wir wären die Falschen? Sind wir nicht zu menschlich für den göttlichen Dienst? Zu unwürdig?
Jesus: Lieber Petrus, ich bin als Mensch geboren. In mir wurde Gott selbst Mensch. Seitdem kann es durchaus menscheln, wo Gott ist. Ich habe euch genau deswegen berufen, weil ihr so menschlich seid. Dass ich euch würdige, macht euch würdig. Und ich würdige alle Menschen. Genau darum geht es ja in der Liebe Gottes, die ich offenbare.
Ich weiß, ihr seid manchmal echt schräg drauf. Wer sich das so ansieht, wird immer was finden, wo ihr euch anders benehmt als erwartet. Aber genau mit euch, in euch und durch euch vollzieht sich die Nähe der Liebe Gottes. Wer euer Verhalten noch so scharf beobachtet, mag noch so Recht haben mit seinen Urteilen – und kann trotzdem blind sein für das, was sich in eurer Mitte vollzieht. Inmitten eures menschlichen Verhaltens vollzieht sich Gottes Wirken! Nicht jeder „realistische“ Blick erfasst diese Wirklichkeit.
Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen, Petrus?
Petrus: Müssen wir Jünger wirklich immer dabei sein, wenn du dauernd mit allen möglichen und allen unmöglichen Leuten zusammen isst, Jesus?