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Lädt Jesus zu Nachfolge ein, die über Leichen geht?

Predigt MCC Köln 28. Feb. 2016
Daniel Großer

Lukas 9,57-62: „Von der Nachfolge“

Unser Predigttext erzählt von drei Begegnungen mit Jesus, die mehr oder weniger alle um das Thema “Preis der Nachfolge” kreisen.
Das ist äußerst praktisch, denn im Lukasevangelium nimmt die Geschichte mit Jesus danach so richtig Schwung auf. Jesus erreicht Jerusalem, die Jünger werden entsendet, Jesus tritt immer öfter und in größerem Rahmen öffentlich auf, er lehrt öffentlich und legt sich mit den Mächtigen seiner Zeit an. Also höchste Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen für die, die sich an ihn halten wollen.

57Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst.
58Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

59Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.
60Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

61Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.
62Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Lukas 9,57-62

Ich wette, es geht einigen von euch so wie mir, und ihr habt schon mehr als eine Predigt über diese Stelle gehört. Ich könnte es mir also leicht machen, und sie alle mit einem Satz zusammenfassen: “Das Leben in der Nachfolge Christi erfordert ganze Hingabe und bettet uns eher nicht auf Rosen.”

Kann man machen, ist aber leider ziemlich langweilig, denn darauf sind die damaligen Zeitgenossen sicher auch schon gekommen. Für sie lag ein großer Teil von Jesu Wirken und Lehre noch in der Zukunft. Wir hingegen schauen auf das große Ganze zurück. Machen wir doch von diesem taktischen Vorteil Gebrauch und fragen uns: Ist das, was direkt in diesen Versen steht, wirklich die ganze Wahrheit?

Begegnung #1: Jesus – ein Heimatloser? (Verse 57.58)

Wer das Alte Testament kennt, dem springt die Ähnlichkeit mit Rut und Noomi förmlich ins Gesicht. Das Alte Testament erzählt die Geschichte von der jungen Witwe Rut, die ihrer ebenfalls verwitweten Schwiegermutter Noomi ganz ähnlich begegnet. Rut sagt zu Noomi;
“Verlang nicht von mir, dass ich dich verlasse und umkehre. Wo du hingehst, dort will ich auch hingehen, und wo du lebst, da möchte ich auch leben. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.” (Rut 1, 16)
Rut und Noomi sind da in genau der gleichen Lage, in der sich auch Jesus in seinem Gleichnis sieht. Beide sind heimatlos und haltlos, haben kein Auskommen, kein Dach über den Kopf, und lediglich den Plan in der Hand, in Noomis Geburtsland auszuwandern. Sie sind rastlos und wohnungslos, wie der Menschensohn. Und Rut beschließt dennoch, Noomi zu folgen.
Ganz ähnlich sagt der Jünger: “Ich will mit dir gehen, wohin du auch gehst!”

Aber führt diese Nachfolge in die Rast- und Heimatlosigkeit? Ist Jesus ein Heimatloser?

Die kurze Antwort lautet: Nein. Durch die Nachfolge findet Rut (und Noomi) eine Heimat, neues Glück und neue Lebensperspektive, so berichtet das Buch Rut. Die Nachfolge in Christi Spuren ist ähnlich, sie ist ihrem Wesen nach nicht der Weg in die innere Obdachlosigkeit. Ganz im Gegenteil: Die Perspektive der Nachfolge ist es, Heimat und Ruhestätte zu finden. Jesus spricht:
“Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.” (Joh. 14, 2-4)

Das klingt ganz anders, als “sich nicht ausruhen können”, anders als Obdachlosigkeit. Jesus stellt dazu das Konzept einer himmlischen Heimat auf. In der Nachfolge lassen wir uns auf diese Heimat ein, statt unser Zuhause nur in den eigenen vier Wänden zu wähnen. Dieses himmlische Zuhause ist nicht ungewiss und nicht rastlos. Der gütige und wärmende Gott schafft Wohnung in uns, selbst dann, wenn wir unsicher und heimatlos sind. Es ist der gleiche Gott, der unter den Israeliten in einem großen Zelt Wohnung nahm, der die Menschen an seinen Tisch einlädt. Jeder und jede von uns trägt eine kleine, gemütliche gute Stube in sich, in der Gott Wohnung nimmt; ein Vorgeschmack der himmlischen Heimat, denn wir immer bei uns haben können.

Begegnung #2: Jesus, der kompromisslose Todesverächter? (Verse 59.60)

Natürlich, das ist unerhört! Ausgerechnet in einem Volk mit einer derart ausgeprägten Trauerkultur, wie sie die Juden haben, verlangt Jesus die Absage der Beerdigung? Die Juden weichen wegen Beerdigungen sogar einige sonst unumstößliche Regeln auf, Trauerfeiern sind ausführlich und lang, ggf. mit Unterstützung bezahlter professioneller Trauer-Weiber, alles Teil der letzten Ehrung, die ein Kind seinen Eltern erbringt. Eine Beerdigung ist keine Sache von Stunden, sie ist eine Sache von Tagen und Wochen (bisweilen sogar mehr)!
Ist Jesus ein kompromissloser Todesverächter, wenn er verlangt, dass sich dieses wichtige Beerdigungsgeschehen der Nachfolge unterzuordnen hat?

Die kurze Antwort lautet: Nein. Die Evangelien berichten uns mehrfach, dass Jesus Beerdigungen und Totenzüge aufgesucht hat, und das Leid der Trauernden erlebt. Im Falle des verstorbenen Lazarus erfahren wir sogar, dass er vor Schmerz weint (Joh. 11, 33). Jesus ist kein Todesverächter, ganz im Gegenteil: Er scheut weder Trauer noch Leid. Und an seinem eigenen Tod wird deutlich: Er ist auch nicht kompromisslos. So sagt er zwar in unserem Predigttext:
“Lass die Menschen, die nicht nach Gott fragen, für ihre Toten sorgen. Deine Aufgabe ist es hinzugehen und das Kommen des Reiches Gottes zu verkünden.” (Lk 9, 59.60)
Aber dann ist es geradezu erstaunlich, dass sich das “Kommen des Reiches Gottes” nach Jesu Tod ausgerechnet denen zuerst verkündigt, die für den toten Jesus sorgen: Die Frauen am Grab sind es, die zuallererst die Frohe Botschaft erfahren. Jesus lebt! Sie, die das jüdische Trauer- und Begräbnisritual abhalten, sich um ihre Toten sorgen, sie werden zuallererst Zeuginnen des Kommens von Gottes Reich.
Nachfolge verlangt uns also nicht ab, dem Tod ins Auge zu spucken. Wir brauchen die Trauer nicht meiden, und den Tod nicht kleinreden. Nachfolge ermöglicht es uns aber stattdessen, den Tod nicht mehr als Ende zu betrachten. Der wiedererstandene Christus gesteht dem Tod einen Platz zu – aber nicht am Ende des Tisches. Dazu fordert uns Nachfolge auf.

Begegnung #3: Lädt Jesus zu Nachfolge ein, die über Leichen geht? (Verse 61.62)

Keine Frage: Ein schweres, unhandliches Landwirtschaftsgerät (den Pflug) mit einer Hand zu führen, und dann auch noch woanders hingucken, das wird nix. Aber sich nicht einmal von seiner Familie verabschieden, ist das nicht reichlich übertrieben? Ganz egal, wie groß die Aufgabe ist: Es ist doch eigentlich immer Zeit für ein “Leb wohl” – besonders bei der eigenen Familie.
Ist Jesus kaltschnäuzig und unsozial, wenn er nicht einmal auf diese Verabschiedung warten kann? Erfordert die Nachfolge, dass wir (menschlich gesehen) notfalls auch über Leichen gehen?

Die kurze Antwort lautet: Nein. Es ist gerade nicht Ansinnen Jesu, Familien und Beziehungen zu gefährden – seine eigene Mutterbindung ist uns ja in etlichen Stellen überliefert (im Gegensatz zu den meisten von uns geht er mit seiner “Mom” sogar auf die gleichen Parties!). Jesus gefährdet in der Nachfolge auch nicht fahrlässig Menschenleben (sonst täte eine Verabschiedung ja um so mehr Not). Er weist seine Jünger stattdessen sogar an, Orte einfach wieder zu verlassen, an denen sie nicht gerne gesehen sind (z.B. Lk 9, 55.56).
Jesus rät auch nicht zur Familienlosigkeit zwecks Nachfolge. Stattdessen denkt er den Begriff “Familie” nur viel weiter, als “Vater-Mutter-Kind”.
Es ist auch und gerade die ernsthafte Nachfolge, die Menschen in Familie stellt:
“Jesus fragte: ‘Wer ist meine Mutter? Und wer sind meine Brüder?’ Und er zeigte auf seine Jünger und sagte: ‘Diese Leute sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt, ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!’” (Mt 12, 48-50)
Sehr zur Freude von Menschen, die unter ihrer leiblichen Familie gelitten haben, bietet Jesus einen besseren Familienbegriff an: Die himmlische Familie. Es sind die Schwestern und Brüder im Geiste, die uns auf dem Weg der Nachfolge begleiten. Nachfolge ist also keine Absage an Familie, es ist das Eintreten in eine viel größere Familie.

Ich fasse zusammen:
Nachfolge hat ihren Preis, keine Frage. Aber sie gibt mehr, als sie kostet.

Amen.

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