Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
23. Juni 2024
Jesus musste nicht für irgendwen oder irgendwas sterben. Nicht „für dich“, nicht für „die Sünde der Welt“, nicht für IRGENDWAS, was das Leben und Wirken Jesu ausmachte.
Das Verständnis von Jesu Tod als „Freischalt-Code“ entwickelte sich erst NACH seinem Tod.
Nehmen wir als Beispiel den für heute vorgeschlagenen Predigttext:
36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. 37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. 38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.
Lukas 6,36-38 (Lutherbibel)
Dies ist nur ein winziger Abschnitt aus der Bergpredigt. Aber es zeigt sich überall in den Evangelien das gleiche Bild: Interessant ist vor allem, was hier NICHT steht.
NIRGENDS steht etwas von einem Vorbehalt:
– „Ihr werdet Kinder Gottes sein… wenn ich erstmal für euch gestorben bin.“
– „Es wird Vergebung geben… wenn ich erstmal für euch gestorben bin.“
Jesus nennt die Zuhörer_innen JETZT Kinder Gottes.
Jesus stellt JETZT Vergebung in den Raum.
Und das damalige JETZT war … VOR seinem Tod.
Keine*r seiner Zuhörer*innen war getauft.
Keine*r war Mitglied in einer christlichen Kirche.
Keine*r hatte „Jesus sein Leben übergeben“.
Keine*r hatte sich in einer Lobpreis-Session dem Wirken Gottes geöffnet und hingegeben.
Keine*r hatte bei einem geweihten Priester eine Beichte abgelegt.
Nichts von all dem, was angeblich nötig sein soll, damit Jesus wirken kann, war damals gegeben.
Das Wirken Jesu war wirksam in dem Moment, in dem er wirkte.
Jesu Wirken war kein Gutschein, der erst später eingelöst werden konnte („Warte, ich heile dich jetzt, und sobald ich gestorben bin, wird das gültig“).
Jesu Zusagen standen nicht auf Stand-By („Wartet, ich spreche euch jetzt Vergebung zu, und sobald ich gestorben bin, wird das gültig“).
Zum Glück wusste Jesus selbst nichts von diesem Vorbehalt. Auch wir sollten es vielleicht manchmal wieder vergessen.
(Jesu Auferstehung war trotzdem göttlich: Sie ent-grenzte das Wirken Jesu von Raum und Zeit. Jesu Leben und Auferstehung haben Glaubensleben von Bedingungen UND Einschränkungen befreit.)
Mehr dazu:
- „Indem Johannes die Deutung der Hinrichtung Jesu als Opfer zurückweist, hält er auch Gott aus dessen uralter Verwicklung in das System von Gewalt und Gegengewalt konsequent heraus.
Dazu hatte ihn sein Vater aus Liebe in die Welt ‚gegeben‘ (3,16). Von einem durch Gott initiieren Opfertod Jesu ist hier nicht die Rede: ‚Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe.‘ Der von vielen hergestellte Opferbezug ist in den Text hineingelesen, und zwar vom 1. Johannesbrief her. Da wird nämlich gesagt, Jesus sei ‚das Sühnopfer für unsere Sünden, aber nicht nur für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.‘ (2,2) Beim Evangelisten Johannes wird nicht die Opferterminologie ‚dahingegeben‘ verwendet, sondern einfaches ‚geben‘: Gott gab ihn in der ‚Fleischwerdung‘ des Logos in die Welt. Parallel dazu redet er davon, daß Gott ihn in die Welt ‚gesandt‘ habe (3,17). Kein Wort spricht von Opfer oder Sühne. Gott ‚gab ihn‘ bei seiner Geburt in die Welt, damit die Menschen den den Glauben an ihn, an seine Worte, ewiges Leben finden.“
Klaus-Peter Jörns: „Notwendige Abschiede“. 5. Auflage. Gütersloh 2010, S. 300 - „Gott ist mit Jesus am Kreuz. Sicher. Aber nicht als derjenige, der die Gräueltat als Mittel zum Guten veranlasst. Sondern auf andere Weise: als derjenige, der wirklich in Jesus ist und sein Leiden erleidet.“
Catherine Keller: „Über das Geheimnis“. Freiburg 2013. S. 133 - s.a. Predigt „Die Auferstehung gibt es nicht DAMIT, sondern WEIL Jesu Leben so wirksam ist.“:
https://www.mcc-koeln.de/die-auferstehung-gibt-es-nicht-damit-sondern-weil-jesu-leben-wirksam-ist/