Predigt MCC Köln, 2. Juni 2019
Ines-Paul Baumann
Epheserbrief (2,19-22) + 3,14-21
Nervt dich deine Gemeinde wirklich NIE? Fühlen sich Leute bei euch nie enttäuscht, zurückgesetzt, nicht beachtet genug, nicht verstanden genug? Du kannst gar nicht aufhören, für deine Gemeinde zu danken? Mir geht das anders. Liebe unbekannte Person, die du hinter dem Epheserbrief steckst: Können wir uns mal austauschen?
Schade, dass du deinen Namen nicht nennst. Stattdessen berufst du dich auf Paulus, auf seine Autorität, auf seinen Namen. Warum? Du schreibst doch selbst, dass der wahre Gründer und Begründer unseres Glaubens Jesus Christus ist. CHRISTUS wohnt in unseren Herzen. Die Liebe CHRISTI soll im Mittelpunkt der Erkenntnis stehen. Gottes Wirken vollzieht sich ganz direkt an uns, ohne Umwege. Ohne spirituelle Meister, ohne machtbefugte Priester, ohne geistliche Lehrer. Wir brauchen keine menschlichen Herrschaften, die über uns bestimmen. Wir müssen nicht nach ihnen benannten Übungen geistlicher und spiritueller Art durchlaufen. In uns wirkt keine Macht der Kirche. Es gibt keine menschenbezogenen Voraussetzungen für unser Glaubenswachstum, nichts. Und doch berufst du dich auf einen Menschen, auf einen Namen, um deinen Worten Geltung zu verschaffen. Warum?
Oder ist das Absicht? Willst du deinen Namen mit Absicht nicht nennen, damit du eben nicht eingereiht wirst in die Heldengalerie? Ist dir der Name Christi so hoch, dass auch dein Name nicht von ihm ablenken soll? Geht es dir so sehr nicht um dich, sondern um Jesus Christus und die Gemeinde? Du legst gar keinen Wert darauf, dass wir DEINEN Namen im Gedächtnis behalten?
Das wäre konsequent. Und weise. Wie viele Gemeinden sind schon daran zerbrochen, dass sie sich um Einzelne gedreht haben. Und daran, dass Einzelne sich nur um sich selbst gedreht haben. Um ihren Ruf, ihre Karriereleiter, ihr Einkommen, ihren sicheren Platz. So manche Gemeindeleiter und Gemeindeleiterinnen haben damit Gemeinden kaputt gemacht.
Und auch so manche GemeindeMITGLIEDER haben damit Gemeinden kaputt gemacht. Wenn es ihnen nur noch um ihren Platz ging, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne. DA sitzen sie, immer (und auf keinem anderen Sitzplatz!). Entscheidungen sollen nach IHREM Willen fallen. IHR Interesse ist das wichtigste. SIE sollen gesehen werden. Was IHNEN gefällt, soll umgesetzt werden.
Dummerweise fühlen sich bei solchen Sätzen meistens die falschen angesprochen – diejenigen, denen es eh schon nicht um sich geht. Und die als erste denken: „Oh ja, es soll um Jesus gehen, nicht um mich“ – und ausgerechnet ihre Stimme fehlt dann nächstes Mal wieder, wenn die Lautstarken ihre Interessen kundtun. Wo ist da die Erkenntnis der Liebe Christi, von der du schreibst?
Gab es in der Gemeinde, an die schreibst, keine solche Leute? „Nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, höre ich nicht auf, zu danken für euch…“ Hach – ich HÖRE manchmal auf zu danken für die MCC Köln. Bei uns ist es nicht immer nur unser Glauben und unsere Liebe, die unseren Ruf prägen.
Wir sind uns in so vielem so uneinig. Wir sind so vielfältig. Christlicher Glaube ist im Umbruch.
Die einen wollen traditionelle Liturgien, andere wollen Gottesdienste mit Kneipenfeeling. Wem gefallen welche Lieder? Der eine besteht auf Teppich und Sofa – andere möchten genau NICHT, dass sich Leute im Gottesdienst benehmen wie zuhause in ihrem Wohnzimmer. Die einen brauchen Ruhe, andere finden es offenbar toll, mit ihren Schlüsseln zu klappern. Oder es ist ihnen gleichgültig, dass es andere stört.
Dass wir unterschiedlich sind, ginge ja noch. Aber manche verhalten sich rücksichtslos, ob mit Absicht oder unbewusst oder aus Unvermögen. Was soll ich nur mit ihnen machen?
Du verstehst sicher, was ich meine. Dein ganzer Brief dreht sich um nichts anderes. In deiner Gemeinde sieht es offenbar ähnlich aus. Oh ja, damals hattet ihr ähnliche Probleme. Die einen bestanden auf Beschneidung – anderen war es genau wichtig, dass das NICHT sein muss. Die einen mieden Götzenopferfleisch – den anderen war es genau wichtig, dass das NICHT gemieden werden muss.
Die einen bestehen auf traditionellen Ritualen und Formen, die anderen feiern ihre Freiheit davon. Wie soll das zusammenpassen?
Habt ihr angefangen, zwei unterschiedliche Treffen für die beiden Gruppen anzubieten? Nein, im Gegenteil! Das war ja das Beeindruckende am christlichen Glauben: das Miteinander von so vielen unterschiedlichen Menschen, Herkünften, Bildungsschichten, Einkommensklassen, Gesundheitszuständen, Altersgruppen, Glaubensvorstellungen, ….
Deine Antwort war gerade NICHT, daraus wieder Grüppchen zu machen, die sich eh gut verstehen.
Deine Antwort war auch nicht, dass die eine Gruppe die andere dominiert.
Du hast sie daran erinnert, was in der Gemeinde wirklich wichtig ist. Nicht Teppich, Sofa oder Bank zum Hinknien. Nicht das Sonderrecht auf Kaffeebecher im Gottesdienst oder deren generelles Verbot.
Stattdessen gibt es: Erstens einen gemeinsamen Kern, ein gemeinsames Zentrum, nämlich Jesus Christus. DARUM soll sich eine Gemeinde drehen. Jesus Christus soll der Grund sein, warum sie sich treffen, warum sie Zeit miteinander verbringen.
Und zweitens: Wo es um Jesus Christus geht, werden die Gottesfülle und die Liebe Christi auch unseren Umgang mit uns selbst und miteinander verändern. Die Liebe Christi wird anfangen, unser Verhalten zu prägen, unsere Denkweisen zu verändern, unsere Sichtweisen zu lenken.
Und selbst dass DAS passiert, machst du nicht von Gemeindeleitern abhängig. Du versuchst gar nicht erst, die Verantwortung dafür bei dir selbst zu suchen. Dass die Gemeinde und ihre Mitglieder im Glauben wachsen, wirkt Gott. Dass Christus in ihren Herzen wohne, wirkt Gott. Dass unser Innerstes von der Liebe geprägt wird, wirkt Gott. Nicht du oder ein Gemeindeleiter oder ein Meister oder eine Übung.
Und doch, wie könnte Gott wirken, wenn es Menschen wie dich nicht gegeben hätte? Die den Mund aufmachen, die ermahnen, die erinnern, die Mut und Trost zusprechen, die das Wesentliche in den Blick nehmen, die die Wahrheit sagen? Wie kommt es, dass du so weise, mutig und klar bist, und dich gleichzeitig so zurücknimmst, dass wir nicht mal deinen Namen kennen?
Hätte dein Name dir im Weg gestanden? Hätten Leute dich nicht ernst genommen in der damaligen Gesellschaft? Hättest du vielleicht gar nicht schreiben DÜRFEN? Warst du vielleicht ein Frau? Oder kamst aus einem anderen Land? Hattest vorher eine andere Religion? Hatte dein Name einen schlechten Ruf?
Hat dir genau das vielleicht geholfen, am wirklich Wichtigen dranzubleiben? Statt auf deine Rechte und deinen Namen und deine Interessen zu pochen? Hat dir das geholfen, diese klaren Worte zu finden, die Gesamtheit zu sehen, die Gottesfülle in den Mittelpunkt zu stellen und auf Jesus Christus zu verweisen statt auf dich selbst?
Schade, dass deine Gesellschaft nur bereit war, Schreiben mit Männernamen als Absender ernst zu nehmen. Dass Tradition und Macht doch noch mit bedacht wurden, bevor Inhalte und Personen zur Kenntnis genommen werden.
Wobei, ist das heute so anders? „WER redet da? Welchen RUF haben die? WELCHER KIRCHE gehören die an? Wie sehen die Leute da aus?“
Mögen wir in der MCC nie an den Punkt kommen, auf berühmte Namen und Machtstrukturen bauen zu müssen.
Mögen wir anderen Menschen immer zuhören und sie ernst nehmen, mit ALL ihren Hintergründen und Erfahrungen.
Möge der Heilige Tempel MCC gebaut sein auf der Liebe Gottes; mögen wir zusammen einen Tempel bilden, in dem Gott sich zu erkennen geben und in uns wachsen kann.
Weißt du, liebe unbekannte Person, DA erkenne ich die MCC jetzt doch in deinem Schreiben, sehr sogar. Du schreibst ja gar nicht, dass ALLES schon so toll ist:
Du dankst für den Glauben, den sie haben, oh ja. Ich bin auch dankbar für die Art von Glauben, die ich in der MCC finde. Ein Glaube, der sowohl Begeisterung als auch Zweifel zulässt. Der nicht nur Antworten kennt, sondern auch Fragen. Der gründet auf und in Liebe, anstatt in dahergesagten Bibelsprüchen und platten Floskeln. Dieser Glaube IST toll, und für den kann ich gar nicht aufhören zu danken.
Und dann fängst du an, FÜR die Gemeinde zu bitten. Nicht weil das, worum du bittest, schon da ist – sondern weil das zunehmen soll. Weil genau das wachsen soll. Weil der tolle Glaube noch Früchte tragen wird, die erst mal wachsen müssen. Wenn ich an die MCC Köln denke, kann ich das Wort für Wort mitbeten:
… dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus uns gebe den Geist der Wahrheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen.
Und er gebe uns erleuchtete Augen des Herzen, damit wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir von ihm berufen sind (Eph 1,17+18),
dass er uns Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu WERDEN (!) an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohne und wir in der Liebe eingewurzelt und gegründet sind,
(und) auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, DAMIT wir erfüllt WERDEN mit der ganzen Gottesfülle.
Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (Eph 3,14-21)