Predigt MCC Köln, 16. Nov. 2014
Daniel Großer
2. Korinther 5, 1-10 “Sehnsucht nach dem neuen Körper und nach der Heimat im Himmel”
Lieber Paulus!
hab recht herzlichen Dank für deinen Brief. Er ist nach fast 2000 Jahren gut bei mir angekommen und ich habe mich riesig gefreut, dass du dir Zeit genommen hast, mir dein Herz auszuschütten.
Ich bin mit dir traurig, dass es dir nicht so gut geht, wie ich es dir wünsche. Sicher hat auch dein ständiges Sorgen um deine Gemeinden nicht dazu beigetragen, dass du dich einmal richtig erholen kannst. Ich kann dich aber beruhigen: Deine Gemeinden haben sich prächtig entwickelt. Gottes Geist hat dich ganz gut vertreten. Und damit ich es nicht vergesse: Von der MCC Köln soll ich dich auch ganz herzlich grüßen. Du bist oft in unseren Gedanken.
Deine Worte haben mich sehr bewegt, lieber Paulus. In mir hören so viele verschiedene Stimmen mit, wenn du mir schreibst, welche Sehnsucht du danach hast, den alten und beschwerlichen Körper aufgehen zu lassen in einem himmlischen, einem passenden, einem ewigen Körper.
Weißt du, hier bei uns in der MCC gibt es Menschen, die können sehr gut verstehen wie es ist, in einem Körper zu sein, der sich unpassend anfühlt, und den sie so gerne gegen einen passenden, wahren Körper eintauschen würden. Ich weiß, ich weiß, du hast wahrscheinlich mit deinem Brief nicht an Transmänner und Transfrauen gedacht. Aber ich bin dankbar, dass gerade sie mir helfen, deine Sehnsucht zu verstehen. Ich frage mich wirklich, wie dieses neue Leben in jenem neuen Körper wohl aussieht, von dem du sprichst.
Ehrlich gesagt habe ich mich schon sehr an meinen Körper gewöhnt. Ich wurde mit ihm geboren und kann mir nur schwer vorstellen, wie es ohne ihn wäre. Ich brauche diesen Körper, damit ich das Quietschen der Straßenbahn in den Gleisen hören kann, und das Singen der Vögel an einem Frühlingstag. Ich brauche meinen Körper, damit ich das salzige Meer riechen und Freude an den Blumenwiesen finden kann. Ich brauche meinen Körper, um dein griechisches Essen zu genießen, und um vom Geschmack bitterer Tränen zu wissen. Ohne Körper könnte ich niemanden in den Arm nehmen, wüsste ich nichts von den spitzen Dornen der Distel. Ohne Körper hätte ich nichts vom bunten Regenbogen, und alle traurigen Bilder dieser Welt wären mir egal.
Paulus, das hast du gut gemacht, dass du nicht von einem Himmel schwärmst, in dem ich als körperloses Seelenlüftchen umherwehe. Dieser Gedanke hätte mir Angst gemacht, denn was wäre da nur von mir übrig geblieben? Aber so muss ich keine Sorge vor dem Himmel haben, weil ich auch dort ein Mensch sein kann, ganz wie Gott mich geschaffen hat. Das muss wundervoll sein.
Du schreibst ja selbst, dass wir im Glauben leben, und nicht im Schauen. Ich meine zu wissen, was du damit sagen wolltest. Wir glauben schließlich an Gott und seine guten Versprechen, auch wenn wir sie nicht sehen können.
Das ist für uns heute immernoch genau so schwer, wie für euch damals, nehme ich an. Wir Menschen sind nun mal eher optische Typen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Vielleicht nehmen wir deshalb unseren Körper häufig so wichtig. Aber was schreibe ich dir da, bester Paulus. Sicher war das zu deiner Zeit nicht anders, ihr Griechen habt den Körperkult schließlich perfektioniert. Ich würde dir so gerne die Bilder aus unserer Werbung für Parfüms, für Kleidung, für Versicherungen zeigen, dann würdest du schnell selbst sehen, dass wir den Griechen in nichts nachstehen. Ich habe manchmal den Eindruck, ein gesunder, attraktiver und fitter Körper sei das wichtigste auf der Welt. Überall nur hübsche und erfolgreiche Leute, glückliche und vor allem faltenfreie Familien, begehrenswerte Frauen und sportliche Männer. Du kannst mir glauben, lieber Bruder Paulus, das steht mir manchmal bis oben hin, so satt habe ich das. Wie gut tun mir da doch deine klugen Worte. Ich bin heilfroh, dass es diesen himmlischen Körper gibt, und dass das Leben doch nicht so oberflächlich ist.
Ich bin ja auch wirklich nicht undankbar für meinen Körper, lieber Paulus, nicht dass du denkst. Aber ich glaube, wir brauchen deine Sehnsucht nach Erneuerung heute genauso sehr, wie deine Korinther. Das wird uns modernen Menschen ja oft auch erst klar, wenn der Körper nicht mitspielt.
Lieber Paulus, du wärst sicherlich begeistert, was da heute alles möglich ist. Unsere Ärztinnen und Ärzte können schlimme Krankheiten heilen. Gegen so viele Probleme ist im wortwörtlichen Sinne ein Kraut gewachsen. Wir sind wirklich gut darin geworden, unseren Körpern aus der Patsche zu helfen. Stell dir vor, manche Menschen lassen sich ihren Körper sogar nach eigenen Vorstellungen modellieren. Du würdest deinen Augen nicht glauben, wenn du sähst, was man alles verbiegen, vergrößern und verkleinern kann. Aber darum ging es dir mit deiner Sehnsucht nach einem neuem, himmlischen Leib natürlich nicht, das ist mir schon klar.
Ich denke nur, vielleicht hätten unsere Mediziner auch gegen deine Krankheit eine Therapie gefunden. Aber der Lauf der Dinge ist natürlich, dass jeder irgendwann stirbt. Es gibt auch heute noch Krankheiten, an denen wir Menschen jämmerlich zugrunde gehen. Das macht mir immer dann besonders viel Angst, wenn ich deinen Brief etwas vergesse. Dann vergesse ich nämlich, dass auch ein alter, sterbenskranker und schmerzleidender Körper nicht die letzte Heimstadt der Seele ist, dass da ja das beste erst noch kommt. War dir damals klar, was für eine Quelle der Kraft deine Worte für viele waren, weil sie darin Zuversicht auf echtes Leben fanden im Angesicht des Sterbens?
Lieber Paulus, ich will es dir nicht verschweigen, einige Menschen beenden ihr Leben auch selbst, meist aus Verzweiflung und Not, weniger aus Sehnsucht nach Gottes Himmel. Man sagt, auch du hättest solche Gedanken gekannt. Mag sein, vielleicht wolltest manchmal auch du als Zeltmacher dein Lebenszelt abreißen, um es gegen eine himmlische Wohnung einzutauschen. Umso mehr berührt mich die Festigkeit deiner Hoffnung und deines Zutrauens auf Gottes Herrlichkeit. Vielleicht hat dir die Sehnsucht nach dem Himmel auch darin Trost und Stärke gegeben.
Und dann sind da natürlich noch die Menschen, deren Seelen gegen ihren Willen aus ihren Körpern getrieben wurden. Heute, da ich dir diese Zeilen schreibe, begeht mein Staat den Volkstrauertag zum Gedenken an die Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg. Ich bitte dich, grüße sie doch alle recht herzlich von mehr, wenn du sie triffst. Ich wünsche ihnen von Herzen, dass das Leben in der Form, wie Gott es ihnen nun Zuteil werden lässt, sie reicht entlohnt für ihre Leiden. Wenn sich das neue Leben und der neue Körper auch zum Umarmen reicht, dann drück sie bitte dolle von mir.
Lieber Bruder Paulus, nun hab wirklich noch einmal herzlichen Dank für deine Briefe, deine Fürsorge, und deine Gebete für uns.
Wenn es an der Zeit ist, freue ich mich sehr darauf, dass wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht sehen, wenn Gottes Licht sich auf unserem Antlitz spiegelt. Der Heilige Geist, der uns verbindet und eins macht, der uns zusammenführt zu der einen, umfassenden Kirche, wird es Wirklichkeit werden lassen, wie du auch schreibst.
Sei herzlich gegrüßt von deinem dankbaren Bruder in Jesus Christus, dein
Daniel