Predigt MCC Köln 24. Jan. 2016
Daniel Großer
2. Korinther 4, 6-10
Als Kind erlebte ich meinen Vater oft singend, nicht selten hatte er folgendes spaßiges Lied auf den Lippen: “Denn solche 6 wie wir 5 sind, gibt’s keine 4, denn wir 3 sind die 2 einzigen.”
Herrlich verwirrend fand ich dieses Lied, in dem man alle drei Worte nicht mehr so ganz genau weiß, wer dieses “wir” eigentlich ist.
So auch im 2. Korintherbrief, aus dem auch unser Predigttext stammt. In diesen 5 Versen gelingt es Paulus doch glatt 16 mal, das Wörtchen “wir” oder “unser” zu verwenden. Man muss einige Verse nach vorne blättern, dann weiß man, wen Paulus mit seinem “wir” meint: nämlich die Apostel.
Das lässt heute jedem von uns die Freiheit, nicht jeden dieser Verse mit “Ja und Amen” abzunicken und auf sich selbst beziehen zu müssen. Und weil es an diesem kühlen Januar-Sonntag viel zu frostig ist, den persönlichen Wir-Gehalt jedes Verses umständlich zu ermitteln, greifen wir uns einen davon heraus wie eine Blume aus einem großen Blumenstrauß, stellen ihn in eine Vase und betrachten ihn.
Ich lese Vers 6:
Denn Gott, der sprach “Es werde Licht in der Finsternis”,
hat uns in unseren Herzen erkennen lassen,
dass dieses Licht der Glanz der Herrlichkeit Gottes ist,
die uns im Angesicht von Jesus Christus sichtbar wird.2. Kor. 4,6
Im Angesicht von Jesus Christus wird uns sichtbar
Im Angesicht von Jesus Christus wird uns etwas sichtbar. Da man ein Angesicht aber nur von vorne sehen kann – nicht jedoch von hinten -, muss dieses Angesicht uns zugewandt sein. Paulus zeichnet ein Bild von Jesus Christus als einer zugewandten Person, die sich in unser Blickfeld begibt, wo wir sie klar erkennen können. Nun war Jesus aber zu jener Zeit schon auferstanden, sein menschliches Gesicht kann Paulus also nicht gemeint haben.
Kann Paulus also allen Ernstes behaupten, er habe das Angesicht Jesu Christi gesehen? Wie steht es mit uns, können wir das Gesicht Jesu Christi sehen?
Ich denke, ja. Wenn Paulus das Anlitz Jesu Christi gesehen hat, dann deshalb, weil
Jesus sich ihm zugewandt hat. Paulus hat erlebt, dass Jesus sich ihm zuwendet. Wie auch immer diese Art der Zuwendung sich ereignet haben mag: Paulus nennt es “das Gesicht” Jesu Christi.
Hast du in deinem Leben – vielleicht auch nur für einen Moment – schon einmal den Eindruck gehabt, dass Gott sich dir zuwendet?
Dieser Eindruck könnte ganz unterschiedlich gewesen sein. Vielleicht hast du dich von einem Bibelvers oder einem Gebet schon einmal so angesprochen gefühlt, als würde er dich ganz persönlich meinen. Vielleicht hast du in einem einsamen Moment tief in dir gespürt, dass du einsam – aber nicht Gott-verlassen bist. Vielleicht hast du einmal ein Lied gesungen und dabei entdeckt, dass Gott dir zuhört. Vielleicht hast du schon einmal einen Tag erlebt, der wie für dich gemacht erschien. Vielleicht hast du in einer schweren Zeit gerade dann Halt gefunden, als du es dir am wenigsten vorstellen konntest. Vielleicht hast du aus einer Begegnung etwas gezogen, was dir Mut und Hoffnung und Perspektive gegeben hat. Vielleicht hast du beim Abendmahl dich einmal so gefühlt, als könne deine Seele aufatmen. Vielleicht hast du schon einmal erlebt, wie dir vergeben wurde, was du dir selbst nicht verziehen hast.
Ganz unterschiedlich wendet sich Jesus dir zu, nicht selten ist diese Zuwendung gerade so, als wenn sich jemand in der Menge nach dir umschaut: Leise, nicht zu hören, still – aber doch sichtbar.
Der Glanz der Herrlichkeit Gottes
Ganz sicher kannst du dir sein, dass du auf irgendeine Weise das Antlitz Jesu Christi erlebt hast, wenn es dir so geht, wie Paulus: Das Angesicht Jesu Christi hat in ihm einen Eindruck vom Glanz der Herrlichkeit Gottes hinterlassen.
Was aber ist das, die Herrlichkeit Gottes? “Herrlich” ist ein Wort, das nicht zu unserem Alltagswortschatz gehört. Wir nennen etwas schnell “nett” (die kleine Schwester von, na?), selten sagen wir “schön”, aber so gut wie nie “herrlich”. Herrlich ist alles, was wir als außerordentlich schön oder wohltuend empfinden. Die erste Frühlingssonne nach einem kalten Winter fühlt sich auf unserer Haut herrlich an. Der Blumenschmuck auf einer Hochzeitstafel sieht herrlich aus. Außerordentlich schön und wohltuend. Was gibt es an Gott, das wir als außerordentlich schön und wohltuend erleben könnten?
Für mich persönlich liegt die Herrlichkeit Gottes in zwei Aspekten. Außergewöhnlich besonders und schön finde ich Gottes “Ja” zu Ihren Menschen, die er mit unumstößlicher, grenzenloser Liebe anblickt. Außergewöhnlich besonders und wohltuend finde ich Gottes geheimnisvolle Art, sich vor meinen Gedanken zu verbergen, um sich dann an ganz anderer Stelle neu zu zeigen.
Wenn Jesus sich dir zuwendet, und du das als außerordentlich schön und wohltuend erlebst, dann hast du den Glanz der Herrlichkeit Gottes wahrgenommen.
Den wir in unseren Herzen erkennen
Paulus schreibt, dass er den Glanz der wohltuenden und außerordentlich schönen Anwesenheit Jesu in seinem Herzen erkannt hat.
Was heißt das?
Mit “Herz” meint Paulus den innersten Bereich seines Wesens, den elementaren Kern seiner Person. Im Sinne von Paulus ist das der Teil deiner Gedanken und Gefühle, die du vor dir selbst nicht mehr verbergen oder verschleiern kannst, und die du deswegen auch nicht anzweifelst. Wenn Paulus etwas “in seinem Herzen erkannt” hat, dann meint er damit als ein Mensch des Verstandes nicht unbedingt in erster Linie seine Gefühle, sondern auch seinen Verstand. Ja, auch und gerade als Vernunftmensch kann er etwas in seinem Herzen erkennen.
Der Eindruck der außerordentlichen Wohltat und Schönheit Gottes, den du gewinnst, wenn Jesus sich dir zuwendet, dieser Eindruck wird dir so begegnen, dass du in deinem tiefsten Inneren keine Zweifel daran hast, dass Gott gut ist.
Das lässt durchaus Raum für Zweifel an Gottesbildern, an Kirche, an Religion, und an deinem eigenen Glaubengebäude. Ja, ganz im Gegenteil: Wer in sich auch nur das scheue Flackern einer Ahnung von der Güte Gottes hat, der kann mutig sein, denn kein zerbrochenes Gottesbild, keine verfehlte Kirche, keine zerstörerische Religion, und kein theologischer Gedanke hat die Übermacht über diese Erkenntnis des Herzens.
Wenn Jesus sich uns nur zuwendet.
Licht in der Finsternis
Wenn Jesus sich dir zuwendet, und die Wohltat und Schönheit Gottes dir so zu einer Erkenntnis des Herzens wird, dann begleitet sie dich wie ein Licht Gottes in der Finsternis.
Du kannst traurig sein. Aber der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst pleite sein. Aber der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst unausstehlich sein. Aber der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst gütig sein. Denn der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst zuversichtlich sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst mutig sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst wütend sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst verzweifelt sein. Aber der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst todkrank sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst fröhlich sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst albern sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst tröstend sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst verletzend sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst sprachlos sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst ahnungslos sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst stark sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst ruhig sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst liebevoll sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst skeptisch sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst benachteiligt sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst müde sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst tatkräftig sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst unbändig sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
Du kannst sein. Der wohltuende und schöne Gott ist bei dir.
AMEN.