Predigt MCC Köln 10. Jan. 2016
Manfred Koschnick
Praktikable Predigt VERTRAUEN
Lieber Zuhörer, liebe Zuhörerin!
Unser Thema heute heißt VERTRAUE u. GOTTVERTRAUEN.
Denk nach und erinnere Dich! Mit welcher Geisteshaltung betest Du? Betest du mit Vertrauen oder mit Misstrauen, …mit Angst oder mit Liebe?
Man nahm auch an, dass der theistische Gott die Erklärung für alles bildete, was über das rationale Verständnis hinausging: ein Wesen von wundersamer Kraft, das deshalb angebetet und gelobt wurde, das man zufrieden zu stellen und dem Gehorsam entgegenzubringen war.
J.S. Spong
Die Version von Matthäus lässt das Ende offen: „Es fällt kein Spatz zur Erde ohne den Willen des Vaters.“ Die Version von Lukas erklärt genauer, was das bedeutet: „Gott vergisst nicht einen von ihnen“ (Lk 12,6) Wenn jedes Haar und jeder Spatz von Gott „gezählt“ wurde, so bedeutet das, dass jedes Geschöpf zählt. Jeder ist wichtig. Gott ist nicht getrennt von uns, Gott ist mit uns, Gott erinnert sich: Es heißt also, dass Gott weiß, nicht dass er verursacht.
Catherine Keller
Gerade Schwule, Lesben und Transgender haben Probleme damit, Gott und seinem Bodenpersonal vollständig zu vertrauen. OK – Paulus hatte mit den einschlägigen Bibelstellen eher Tempelprostitution homosexuelle Experimente unter Heterosexuellen gemeint, nicht die festgelegte Disposition Homosexualität und andere von der gesellschaftlichen Norm abweichende Veranlagungen – obwohl er diese Disposition sicher auch kannte, denn Homosexualität gab es mindestens seit den alten Ägyptern zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Was würde er aber zu der Schwulenszene von heute sagen? Was, wenn er in die Kneipen in der Mathiasstrasse am Heumarkt ginge? Kann denn die bürgerliche sogenannte Volkskirche innerhalb dieser andersartigen Welt, der Subkultur, hilfreiche Orientierung bieten? Ind er Subkultur alltägliche Worte wie Blinddate, offene Beziehung, Darkroom und Pornografie (oder Männer in Frauenkleidern ) gibt es in jenen Gottesdiensten der Volkskirchen nicht, erst recht nicht in einer die Menschen annehmenden Form und Akzeptanz. Die Worte scheint es daher auch bei Gott nicht zu geben. Ist solchem Gott wirklich zu trauen? Sind wir uns seiner Akzeptanz wirklich sicher? Kann uns die Angst vor Gott mit seinen Moralaposteln nicht plötzlich überfallen wie aus dem Hinterhalt?
Ist Leben als Schwuler, Lesbe oder Transgender nicht leichter ohne Gott? Die meisten Menschen denken so – und im Einzelfall mögen sie Recht haben, je nachdem, welches alte Gottesbild ihre Beziehung zu Gott nachhaltig prägt.
Selbstverständlich gilt das auch für Heterosexuelle.
Und auch die Menschen der Bibel kannten dieses Misstrauen. Mal war Gott streng und rachsüchtig, mal großzügig, der sogenannte „liebe Gott“. Er musste mit Tieropfern, Gehorsam, guten Taten usw. besänftigt werden, bis er wieder lieb zu einem war. Aber ist sowas Vertrauen?
Jederzeit konnte Gott wieder gefährlich werden, wie ein Quartalssäufer, der seine Frau schlägt und anschließend schwört, ewigen Frieden zu halten – so wahr der Regenbogen nach dem Gewitter erscheint. Und dann kommt die nächste Sintflut über die Gläubigen: Krieg, Pest, AIDS oder Terror. Und dann heißt es in der Bibel, es sterbe kein Spatz, falle kein Spatz vom Himmel, ohne dass Gott das will. Daraus könnte man folgern: Dahingegeben sind wir der göttlichen Willkür, wenn es ihn gibt. Also gibt es ihn besser nicht. Dann wäre es logisch: Einem guten Freund, einer treuen Freundin könnte man allemal eher vertrauen als diesem Gott, wie er sich in den Glaubenserfahrungen der Bibel, aber auch im eigenen Leben mit seinen Schicksalsschlägen zeigt. So jedenfalls denken einige von uns – manchmal – und kommen trotzdem zum Gottesdienst. Predigten in der MCC werfen manchmal auch eher Fragen auf, als dass sie Gewissheit und Sicherheit bieten.
Wie soll man da vertrauen?
Ich wage mich in dieses neue Gebiet mit einem tiefen Gefühl nicht der Angst, sondern der Erleichterung. Ich muss keine Energie mehr aufwenden, um diesen theistischen Gott zu verteidigen, der so launisch handelte und die Anforderungen der Gerechtigkeit ständig verletzte. Ich bin von dem Gott befreit, der unvollkommen bleiben musste, wenn er nicht ständig unsere endlosen Lobpreisungen empfing.
J.S. Spong
Gott ist das Sein – die Realität, die alles Leben trägt.
J.S. Spong
Man braucht ein erhebliches Maß an spiritueller Reife, um in der Spannung zwischen diesen beiden Tatsachen zu leben: Gott hat unser Gebet erhört, und die herrschenden Mächte blockieren Gottes Antwort.
Walter Wink
Du betest normalerweise nicht so: „Vater im Himmel, heilig ist Dein Name“, sondern Du betest: „geheiligt sei bzw. werde Dein Name“; nicht „Dein Reich ist da oder kommt“, sondern „Dein Reich komme (erst noch)“; nicht „Dein Wille geschieht“, sondern „Dein Wille geschehe“, usw. Die Christin betet nicht „Danke! Du vergibst uns gratis und täglich unsere Schuld“, sondern „(bitte) vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“, und dann heißt es „führe uns nicht in Versuchung“, nicht etwa voll Vertrauen „Du bist es ja nicht, der uns in Versuchung führt“…
Wie soll man da Gott vertrauen, – wenn man so betet? Das Misstrauen ist also m.E. Teil des Christentums und erscheint so vertraut wie die Angst vor Löwen und Krokodilen am Wasserloch der Steppe.
Die Menschen, die das „Vater-Unser“ auf traditionelle Art beten, scheinen nicht viel Vertrauen in die Regentschaft Gottes zu haben. Manches muss anscheinend erst durch Klagen oder sogar mit „selbsteigener Pein“ erbeten werden, die Erbsünde im Nacken und das Endgericht vor Augen.
Ist diese Angst vernünftig? Kann Angst überhaupt vernünftig sein?
Ja! Man könnte es so sehen. Die misstrauischen Gläubigen verhalten sich ähnlich einem guten Kapitän, der beim Manövrieren seines Schiffes nicht den romantischen Sonnenuntergang bestaunt, sondern selektiv, d.h. einzig und allein aufmerksam gespannt die gefährlichen Sandbänke, die unheimlichen Eisberge und beängstigenden Gewitterwolken und Hurricane-Warnungen im Blick hat. Dies ist die Pointe: Nur sein (gesundes) starkes Misstrauen lässt die Passagiere überleben…, ähnlich den Jüngern, die im Boot sitzen blieben, ähnlich wie schon seit Urzeiten im Tierreich bei Zebras und Gazellen am Wasserloch: Sie haben keinen Sinn für die Schönheit der Savanne oder die Attraktivität ihrer Artgenossen oder das frische, Leben spendende Wasser. Ihre einzige Aufmerksamkeit gilt den Löwen, Krokodilen und anderen Gefahren. Diese Angst, dieses Misstrauen rettet ihnen das Leben. Misstrauen ist also ein wichtiger uralter Teil des Erfolgssystems Evolution. Wenn jemand ständig in Sorge und Anspannung lebt, misstrauisch oder ungläubig ist, ist er deswegen also nicht automatisch ein besserer oder schlechterer Mensch (oder besserer oder schlechterer Christ).
Ich erzähle Euch hierzu eine pessimistische, vielleicht zynische, vielleicht aber auch heilsame chinesische Parabel über die stabilisierende Verharrungstendenz aller Systeme:
„Einst trafen sich eine Schildkröte und ein Skorpion an einem sehr flachen Fluss. Der Skorpion bat die Schildkröte, ihn auf ihrem Panzer hinüber zu tragen. „Wie kann ich Dir vertrauen? Wie kann ich glauben, dass Du mir nicht in der Mitte des Flusses mit deinem Giftstachel in den Kopf stichst?“ Der Skorpion antwortete: „Weil ich dann selbst mit Dir sterben würde, da ich doch nicht schwimmen kann. Der Schildkröte leuchtete das ein. Sie vertraute den Worten des Skorpions. Als sie die Mitte des Flusses erreicht hatten, stach er zu. „Warum um alles in der Welt hast Du das getan?“, fragte entsetzt die sterbende Schildkröte. Der Skorpion antwortete „Weil ich ein Skorpion bin.“
Soweit eine chinesische Parabel über die vielleicht 8.Todsünde, die Naivität. Jedenfalls hat mir diese Geschichte zu mehr Nüchternheit verholfen. Sie ist ein Gegengift, falls ich aus frommen Gründen zu viel der Dosis genossen habe, d.h. vom Gift romantischer Nächstenliebe und christlicher Hoffnung auf Umkehr und Wandlung. So wundert es mich nicht, wenn der geprügelte rumänische Straßenköter beim deutschen Besitzer nicht zum Schoßhund mutiert, sondern in die Hand beißt, die ihn streichelt.
Beißen alle Straßenköter?
Ich weiß, dass 98% der Alkoholiker rückfällig werden (was den 2% egal sein kann, solange sie trocken bleiben). In meinen Beziehungen habe ich erlebt, dass das, was sich zu Beginn der Beziehung zeigte, durchhielt bis zum Schluss. Ich kann also direkt damit aufhören, den Partner (meiner hoffentlich besseren Zukunft wegen) verbessern zu wollen. Es ist zwecklos. Wenn einer generell z.B. eine Aversion gegen alle Arten von Küssen hat, werden speziell MEINE Küsse ihn nicht ändern. Warum, Skorpion, hast Du mich mitten im Fluss gestochen? Weil ich ein Skorpion bin. Der Alkoholiker trinkt nicht, um seine Ehe und seinen Arbeitsplatz zu gefährden. Er trinkt, weil er Alkoholiker ist.
Zu glauben, unsere Unzulänglichkeiten und Sünden seien so wichtig, dass sie Gott beim Erhören unseres Gebetes im Weg stehen könnten, ist wahrscheinlich nichts als großer Dünkel.
Walter Wink
Es heißt, es gäbe gesundes Misstrauen und krankes Misstrauen So einfach ist das nicht! Immer ist sowohl Vertrauen wie Misstrauen mit Risiken verbunden. Es kommt auf das Ergebnis an. Oft erkennt man erst da, ob es gerechtfertigt war.
Ich kenne einen trockenen Alkoholiker, der bat, als er noch hemmungslos seine Ehe und Arbeitsfähigkeit versoff, ein befreundetes Ehepaar, ihm Geld zu leihen, denn es gab wirklich niemand mehr, der ihm noch Geld leihen wollte. Das Ehepaar gab ihm 700 DM. Das Erlebnis von so viel Barmherzigkeit änderte seine Gesinnung, und er begab sich in Therapie und wurde trocken. Als er trocken war, konnte er vieles nicht mehr gut machen, was er angerichtet hatte, aber die 700 DM konnte er zurückgeben. Das Ehepaar wollte jedoch zu seiner Überraschung das Geld nicht, da beide es bislang nicht wirklich vermisst hatten. Sie sagten ihm, dass er vielleicht einmal selbst so einem armen Teufel begegnen wird, wie er einer war. Ihm könne er ja dann die 700 DM geben. War das Ehepaar grenzenlos naiv, einem hoffnungslosen Säufer Geld zu geben? Wussten sie denn nicht, dass nur 2% trocken bleiben? War der Alkoholiker nicht ein Skorpion auf der Schildkröte? Nein? Wäre es auch dann nicht naiv gewesen, wenn der Alkoholiker das Geld versoffen hätte? Plötzlich wäre es doch naiv gewesen!
Seht ihr, – so einfach ist die Unterscheidung nicht, und daher verzichte ich auf die Unterscheidung zwischen gesundem und krankem Misstrauen. Der entscheidende Punkt ist doch der, dass ich nicht wissen kann, welcher Alkoholiker trocken wird. Darum muss jeder seine Chance bekommen. Ich weiß nicht, ob der Straßenköter mich beißen wird. Er selbst wird mir bei der Entscheidung nicht helfen. – Der Kapitän weiß nicht, wo er sich nach dem Sturm befindet, aber er hat etwas, das wir bei allen Entscheidungen brauchen, einen Kompass. Und solch einen ethischen Kompass brauchen wir, u.a. auch in der Flüchtlingspolitik.
Heißen die Himmelsrichtungen nun Gut und Böse, Gesund und Krank?
Gesund und krank sind oft moralische Kategorien wie gut und böse. Das kranke Huhn wird von den andern Hühnern umgebracht. Hilft Moralisieren bei der Unterscheidung und der richtigen Wahl? Nein, denn unsere Welt ist tragisch. Manche der schlimmsten Verbrechen wurden in guter Absicht begangen. Was für den einen ein Unglück ist, kann irgendeinem anderen nutzen.
Ich bin mir sicher, dass Menschen mit ein paar Entscheidungen und deren Umsetzungen plötzlich so anders werden können, dass sie nicht wiederzuerkennen sind. Ich versichere Euch, ich habe solche Veränderungen sogar bei schweren Persönlichkeitsstörungen erlebt. Es gibt Skorpione, die nicht grundsätzlich stechen. Nur ist dies leider nicht die Erfahrung der Familie eines schwer alkoholkranken Menschen. Wie kann jemand nicht in Resignation, Gottesferne und Hoffnungslosigkeit versinken, wenn die Alkoholikerin das Haushaltsgeld eines jeden Monats versoff?
Man rechnet aus der immer wieder kehrenden Erfahrung nur noch mit dem Schlimmsten. Und manchmal führt das dazu, dass man auch immer nur noch das Schlimmste tut und dadurch das Elend zementiert.
Höret dazu die Geschichte vom frommen Juden Mosche:
Dieser beschwerte sich ein ums andere Mal und anklagend jammervoll bei Gott darüber, dass er, Mosche, trotz der täglichen, flehentlichen Bittgebete zu Gott, noch nie im Lotto gewonnen hat…… Gott antwortete ihm schlicht und ergreifend: „Mosche… (!), Du musst Lose kaufen!!!“
Veränderungen im Leben geschehen manchmal durch solche kleinen Hinweise und Perspektivwechsel.
Wenn Liebe und Macht einander in der göttlichen Natur nicht widersprechen, dann haben wir einen wichtigen Hinweis entdeckt.
Catherine Keller
Wenn unsere Gebete so sporadisch oder mit so langer Verzögerung erhört werden, können wir Gott überhaupt voll vertrauen? Kann man sich auf Gott verlassen? Ist ein so begrenzter Gott überhaupt noch Gott?
Walter Wink
Was brauchen Menschen, um sich zu trauen, ein Risiko einzugehen?
Obwohl es so viele Verkehrstote gibt, steigen immer wieder jeden Tag Menschen in einen PKW und riskieren ihren Tod. Buspassagiere vertrauen entspannt und unbesorgt darauf, dass der Busfahrer nicht betrunken ist und sie wirklich dorthin fährt, wohin er laut Fahrplan fahren soll. Gedankenlosigkeit begleitet viele Menschen zum Ziel ihrer Wünsche. Verrückt – aber so ist es.
Vertrauen ist nichts für Theoretiker, sondern für mutige Praktiker. „Mosche, Du musst Lose kaufen“. Vertrauen ist konkret oder gar nicht. Fallschirmspringer, Du musst genau jetzt aus dem Flugzeug in die Tiefe springen. Weniger geht nicht. Es ist der erste kleine wirkliche Schritt zum Erfolg. Das bedeutet folgendes:
Du kannst dem Prinzip Vertrauen vertrauen. Es funktioniert. Du kannst dem Gottvertrauen vertrauen. Es funktioniert. Du kannst Gott vertrauen. Es funktioniert!!! Es ebnet die Wege zu Weisheit, Mut und Gelassenheit – und damit zu einem erfolgreicheren Leben. Wie ihr vielleicht aus der Forschung wisst, sind gläubige Menschen weniger krank – Katholiken noch weniger als Protestanten. Die entspannenden meditativen Rituale beruhigen wie autogenes Training. Sich in der Beichte mal alles von der Seele zu reden, entlastet. Vielleicht entlastet es auch, dem Priester die besondere Pflicht der asketischen Frömmigkeit zu überlassen und die Wandlung bei der Messe ganz allein in seine Hände zu legen.
– Wird Vertrauen enttäuscht, lag eine Täuschung vor. Falsche Grundannahmen über Gott, die Natur oder den Menschen sind die Ursache solcher Täuschungen. Gott, der um schönes Wetter gebeten wurde, lässt es trotzdem regnen, nur deshalb, weil ein Tief dunkle regenreiche Wolken heranführt. Kann er denn nicht mal machen, dass aus dunklen Wolken kein Regen fallen kann??! Und wenn ER mit einer Marienprozession gebeten wird, dass das Erdbeben nicht ausbricht, also, dass die Kontinentalplatten auf dem flüssigen Magma dieses eine Mal bitte nicht schwimmen und nicht aufeinander zutreiben, ist Gott dafür irgendwie gar nicht zuständig, ausgerechnet jene Naturgesetze (die er erschaffen hat), außer Kraft zu setzen. .
Die Kontinentalplatten müssen nämlich aufgrund der göttlichen Schöpfungsordnung auf dem Magma schwimmen – immer – ohne Pause. Sie müssen sich verschieben auch gegeneinander und dabei Gebirge wie den Himalaja auftürmen oder San Francisco in Schutt und Asche legen. Der Spatz muss sterben, weil Gott Vererbung, den Tod und die Geburt als Evolutionsprinzip erschaffen hat. Übrigens können Spatzen wirklich vom Himmel fallen, wenn sie dort erfrieren – ist schon vorgekommen! Die Malediven müssen im Meer versinken, wenn die Pole weiter abschmelzen. Aber die Menschen beten vertrauensvoll zu Gott, er möge Kalifornien vor dem Erdbeben verschonen. Der Skorpion, der die Schildkröte in der bedrohlichen Situation mitten im Fluss schonen sollte, wird sie (laut der Legende) stechen, weil er ein Skorpion ist. Der Andreasgraben in Kalifornien wird bald aufbrechen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, weil der Planet Erde nur so funktionieren kann. Was glauben wir Menschen eigentlich, wo wir hier sind, wer wir auf der Erde sind und wer Gott ist und was die Naturgesetze, die er geschaffen hat? Welches Bildnis machen wir uns von Gott, der Welt …?
Christ, was glaubst Du denn von Deinem Gott? Wer oder was ist Gott? Wie und unter welchen Umständen kannst oder solltest Du ihm vertrauen? Kannst Du ihm vertrauen trotz und innerhalb der Konzentrationslager dieser Welt, oder als Lesbe, Schwuler oder Transmann vor einem Gericht der Scharia, oder in einem amerikanischen Hurrikan und andern Katastrophen?
Ich glaube nicht mehr, dass Gott im menschlichen Leben in den normalen Ablauf von Ursache und Wirkung eingreift.
J.S. Spong
In einem Ereignis gegenwärtig zu sein, bedeutet nicht dasselbe wie, es zu verursachen. Gottes Wille kann nicht an der Oberflächlichkeit der Ereignisse abgelesen werden.
Catherine Keller
Doch interveniert Gott nicht nur gelegentlich. Gott ist die ständige Möglichkeit zur Verwandlung, die jeder Gelegenheit anhaftet
Walter Wink
Ist Gott nicht an das Gesetz von Ursache und Wirkung gebunden?
Steht Gott in keiner Relation zu irgendwas?
Ist Gott also unfrei, determiniert durch die Liebe und Beziehung zum Gläubigen?
Oder ist er frei in der Wahl seiner Gedanken und Entscheidungen?
Können wir ihm nur dann vertrauen, wenn er frei und souverän ist? Oder können wir Gott auch trauen, wenn er in der Gestalt Jesu hilflos liebend am Kreuz hängt, wenn er womöglich nicht anders kann als zu lieben?
Kann man einem Gott trauen, der uns nicht als Messias, sondern in den Geringsten unserer Geschwister begegnet?
Wir würden lieber wie Petrus in Gethsemane das Schwert ziehen, um das Schicksal zu wenden. Wir würden wie Petrus Jesus bitten, nicht den Passionsweg ans Kreuz zu gehen – würden versuchen, seine Bindung ans Schicksal zu begrenzen, um weniger Angst zu haben.
Fürbitte ist der spirituelle Widerstand gegen das, was ist,
im Namen dessen, was Gott verheißen hat.Walter Wink
(Fürbitte ist) keine Flucht vor dem Handeln, sondern ein Mittel, sich auf das Handeln auszurichten und schöpferisch zu werden.
Walter Wink
Ich meine: Menschen nutzen Fürbitte und Bittgebete jeder Art (wie Petrus), um sich davor zu drücken, anzuerkennen, was ist. Die Gebete helfen uns, die bittere Wahrheit über uns und die Welt nicht ganz ernst zu nehmen. Im Gebet stellen wir uns eine Qualität und Größe vor, die die Welt übersteigt und Sinn stiftet bis in unser Menschsein, das sogenannte von Politikern gern zitierte christliche Menschenbild.
Bei sich ihrer selbst bewussten Wesen ist der Tod, das Wissen von der Endlichkeit des eigenen Lebens, das 3. große Thema neben Sex und Gewalt. Manchmal fühlen Menschen sich schon zu Lebzeiten wie tot. Tödliche Krankheiten wie Sucht und Depression und andere können das Leben zur Hölle machen. Lebensmüde Menschen achten den Tod nicht als das Ende aller Alternativen. Gerade im Tod suchen sie nach Auswegen, als sei der Tod eine Option innerhalb des Lebens. Die Wucht, mit der der Tod alles verändert, wird nicht gesehen, wird verdrängt oder verniedlicht als etwas, das man handhaben könnte, besser jedenfalls als die Krankheit.
Den Tod zu respektieren führt dazu, das Leben zu respektieren – und umgekehrt. Das Leben ist keine Selbstverständlichkeit.
In einem afrikanischen Stamm grüßen die Menschen einander mit der Frage “Lebst Du noch?“ „Ja, ich lebe noch!“
Wer an das ewige Leben glaubt, anerkennt den Tod manchmal noch weniger. Besonders krass sehen wir das bei den muslimischen Selbstmordattentätern. Bei diesem läppischen Umgang mit dem Tod kann auch unser Verantwortungsgefühl Schaden nehmen. Es braucht nämlich die Anerkennung des Faktischen, der Begrenzung, um Verantwortung zu übernehmen.
Gottvertrauen ist ohne all das über den Tod gesagte nicht wirksam. Es bliebe unreif und könnte den Stürmen des Lebens nicht standhalten. Bei Sturm lässt der kluge Kapitän die Segel einrollen.
Das Beten geschieht nicht nur zwischen uns und Gott. Es schließt auch die großen sozialen und spirituellen Kräfte ein, die weite Teile der Wirklichkeit bestimmen. Ich meine damit sowohl die gewaltigen Institutionen, gesellschaftlichen Strukturen und Systeme, (…) wie auch die spirituelle Realität in deren Zentrum.
Walter Wink
Gott ist in mir. Gott ist in dir. Er versöhnt, heilt, erneuert und macht vollkommen. Das Gebet ist so gesehen die bewusste Anerkennung dieser Wirklichkeit.
J.S. Spong
Was an Wirklichkeit und Wahrheit anerkennen wir, wenn wir an Gott glauben und ihm vertrauen?
Alles Lebendige ist ein Teil Gottes, in dem er sich als Schöpfer offenbart. In seiner Menschwerdung löst er den Dualismus auf. So können wir das Göttliche auch in uns selbst anerkennen und ihm vertrauen. Sein ist die Welt, doch nicht als Form von Haben, sondern als das Seiende – als Form des Seins, aus dem heraus ewig nichts verschwinden und vergehen kann.
Dieses Urvertrauen ist mehr als ein Feilschen mit dem Händler Deines Vertrauens wie bei Lot in Sodom, oder Jona in Ninive. In Psalm 23 heißt es „denn Du bist bei mir!!“ Das ist der eigentliche Kern unseres Vertrauens als gläubige Christen.
Du bist bei mir, wenn sich die Kontinentalplatten verschieben.
Du bist bei mir, wenn mein Kind stirbt.
Du bist bei mir, sollte die Welt untergehen. (Dass die Welt untergehen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.)
Gott ist bei uns, selbst wenn wir das aus Angst oder in der Depression nicht fühlen.
‚Dein Wille geschehe‘ bräuchten wir niemals zu sagen, wenn wir damit nur einem allmächtigen Gott sagen würden, er solle doch bitte weiterhin genau das tun, was er / sie ohnehin schon zu tun vorhatte.
Catherine Keller
Die Geschichte gehört den Fürbittern, die durch ihren Glauben die Zukunft herbeiführen.
Walter Wink
Deswegen beten wir um das, was wir für richtig halten, und überlassen Gott das Ergebnis.
Walter Wink
Meine mir wichtigste Erfahrung ist diese: Du kannst Gott als Vater, Sohn und Heiligem Geist unter allen möglichen Umständen vertrauen, jedoch nicht damit rechnen, dass er Deine Wünsche erfüllt. Das klingt paradox. Wenn ich darauf vertraue, dass z.B. die Mitglieder des Kirchenchors pünktlich erscheinen, rechne ich damit, dass sie es auch tun.
Gottvertrauen geht anders! Einen Gott, der die widersprüchlichen Wünsche aller Menschen gleichzeitig erfüllte, kann und darf es nicht geben. In BRUCE ALLMÄCHTIG und einigen Geschichten und Spielfilmen wurde dieses Dilemma als Komödie überzeugend abgehandelt. Das ist die erste Tatsache, die wir beim Vertrauen in Gott anerkennen müssen. Was soll daraus werden, wenn Franzosen und Deutsche wie im ersten Weltkrieg beide Gott darum bitten, jeweils ihrer eigenen Nation den Sieg zu bescheren?
Was folgt aus dieser Erkenntnis? Daraus folgt ein Verzicht auf jede Art Forderung an Gott. Demütig und bescheiden müssen wir anerkennen, dass wir weder wissen, was für uns selbst noch für die Welt das Beste wäre. Auch hierzu erzähle ich Euch eine Geschichte:
Einem Bauer lief sein wertvoller Hengst fort. Die Menschen bedauerten ihn. Er sagte: „Wer weiß, wofür das gut ist“. Da kam der Hengst zurück aus der Wildnis und brachte einige wilde Stuten mit. Die Menschen gratulierten ihm. Er sagte wieder, er wisse nicht, ob das gut ist. Der Sohn des Bauern ritt die Stuten ein und stürzte dabei so schwer, dass er zeitlebens nur noch hinken konnte. Die Leute bedauerten den Sohn. Sein Vater sagte: „Wer weiß, wofür es gut ist.“ Da kam der König und zog alle gesunden jungen Männer für den Kriegsdienst ein. Der Bauernsohn musste daheim bleiben, wurde verschont und die Leute freuten sich mit ihm. Und was der Bauer daraufhin sagte, das wisst ihr schon…
Also, wir wissen eigentlich nicht, was gut und was schlecht ist und worum wir in Fürbitten beten sollen. Wir können nichts weiter beten als dies: „Dein Wille geschehe!“ – Gottes grenzenlose Barmherzigkeit geschehe.
Aber müssen wir Gott darum bitten, dass das geschieht, was ohnehin geschieht? Geschähe Gottes Willen denn ohne unser Bitten nicht? Käme sein Reich ohne das VATER-UNSER nicht? Es kommt, und sein Wille geschieht wie im Himmel so auf Erden.
Was wir aber tun können, ist dies: Wir können das an- nehmen, was geschieht. Wir können es“ nehmen dankbar ohne Zittern“, wie Bonhoeffer schreibt, auch wenn wir es für falsch halten und nicht verstehen.
Wir dürfen nicht nachlassen, zu beten um das, was recht ist, nur weil unsere Gebete scheinbar unerhört bleiben. Wir wissen, dass die Gebete bereits am allerersten Tag erhört werden. Und wir beten weiter, denn auch nur einen einzigen Tag länger auf Gerechtigkeit zu warten, wäre zu lang.
Walter Wink
Als Paulus sagte: „Betet ohne Unterlass“ (1. Thess. 5,17), bezog er sich da nicht auf eine bestimmte Lebensweise und nicht auf eine bestimmte Handlung?
J.S. Spong
Es verhält sich beim Bittgebet wie bei einem Kind „im wirklichen Leben“. Wenn ein Kind beim Betteln um ein Bonbon die Handflächen aufgeregt immer aneinander schlägt, um die Bitte stärker als dringlich zum Ausdruck zu bringen („bitte, bitte, bitte!!!“), kann es das Bonbon im entscheidenden Moment nicht mehr auffangen. So ist es auch mit unserem christlichen Vertrauen in Gott.
Wer Gott aufdringlich anbettelt, glaubt in Wahrheit nicht, dass Gott uns helfen will.
Wer um Liebe bettelt, glaubt nicht an die Möglichkeit bedingungsloser Liebe.
Wer bittet DEIN REICH KOMME, glaubt nicht, dass Gottes Reich in Jesus schon angebrochen ist und sich in uns zeigen will.
So ist der Weg zu mehr Vertrauen das Vertrauen. Der Weg zum Glauben ist der Glaube, denn in der Ruhe liegt die eigentliche göttliche Kraft.
Entgegen unserer evolutionsbedingten Natur müssen wir uns Gott gegenüber anders verhalten als Jungvögel im Nest. Diese Jungvögel zeigen den Eltern den weit aufgerissenen Schnabel, was bei den Eltern den Fütterungsinstinkt auslöst. (Ich glaube, dass auch PEGIDA in Dresden aus diesem Reflex heraus entsteht. Mutter Merkel soll nicht den anderen das Futter geben, sie soll uns nicht übersehen.)
Bei Gott brauchen wir keine Instinkte auszulösen. Unser Glaube hat uns geholfen, gleichsam Berge zu versetzen. Wir müssen nur unsere Angst überwinden. Es ist wie der Fallschirmsprung aus dem Flugzeug. Es einfach tun! Glauben und vertrauen.
Es hilft und heilt uns dabei der Heilige Geist, die göttliche Kraft, das Sein in Gott! „Glaube und vertraue!“ Ohne Vertrauen gibt es keine Hoffnung, keinen Glauben und keine Liebe. Trennung ist nichts von vornherein schlechtes, aber alles, was Dich von Dir, von Gott und Deinem Nächsten trennt, ist ursprünglich Angst, zu kurz zu kommen und Misstrauen. …wie beim Sündenfall im Paradies das Misstrauen gegenüber Gott, die Angst, ohne die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu kurz zu kommen.
„Es hilft, es heilt die göttliche Kraft“. In so einfachen Worten hat es ein Prediger in der Nachkriegszeit gesagt. Und so dürfen wir es auch heute sagen und tun. Dies bedeutet: Wenn Du Gott um etwas bittest, brauchst Du es nur ein Mal zu tun. Ansonsten wärst Du der Ansicht, dass Gott schwerhörig oder vergesslich ist. Danach sollte auch Dein Verstand schweigen oder zumindest nicht länger quälend über den Wunsch grübeln. (Diese Gedankenlosigkeit ist einfacher als das, was man Kampf, Disziplin und Selbstüberwindung nennt.) Du kannst Dir Gedankenlosigkeit leisten, wenn Gott Dich gehört hat …und wenn es ihn gibt, dann hat er Dich gehört! Glaube ist Erkenntnis und Vertrauen!
Gott ist nicht abhängig von der Art, in der wir beten, aber die Art unseres Glaubens drückt sich im Gebet aus – und dieser Glaube kann sich durch die Art des Gebets verändern.
Im Beter öffnet sich ein Raum, der es Gott ermöglicht, zu handeln, ohne die menschliche Freiheit zu verletzen.Walter Wink
Das Gebet lässt die Luft einer kommenden Zeit in die erstickende Atmosphäre der Gegenwart hereinwehen.
Walter Wink
Ich sage nicht, dass das Kind mit vertrauensvoll ruhigen geöffneten Händen in jedem Fall von der Mutter ein Bonbon bekommen wird. Ich weiß nur, dass es leichter ist, das Bonbon zu empfangen, wenn das Kind ruhig bleibt und still voller Hoffnung seine Hände öffnet.
So möchte ich es jetzt mit Euch halten. Wir brauchen es, von Gott beschenkt zu werden.
Wer mag, legt jetzt seine Hände ruhig mit den Handflächen nach oben auf die Oberschenkel wie ein Kind in Erwartung eines Geschenks. Schließt Eure Augen, wenn Euch das ohne Angst möglich ist. Horcht und spürt und schaut nach innen.
Ihr könnt Euch vorstellen, dass Euer Körper wie eine Antenne ist quasi für den „göttlichen RadioFunk“ und die göttliche Kraft. Die Antenne muss für den Empfang nichts tun. Gott will uns alles geben, was wir brauchen, und auch dem Nächsten, für den Ihr betet. Ihr könnt jetzt in Euren Körper hinein spüren. Richtet still ein Gebet im Vertrauen auf Gott. Ihr dürft sicher sein, dass Gott weiß, was Ihr wollt, aber auch weiß, was Ihr braucht.
Nun denken wir ein paar Minuten an etwas Schönes, das mit dem Gebet nichts zu tun hat, denn Gott ist nicht schwerhörig oder dumm. Er hat Dich gehört. Wir können es uns leisten, die Sorgen loszulassen und uns vom Bösen zu lösen.
Wenn die Musik nach 5 Minuten endet, endet auch diese kleine Übung. Dann öffnet ihr wieder die Augen.
Zitate (ausgewählt und platziert von Ines-Paul) aus:
- Catherine Keller: „Über das Geheimnis. Gott erkennen im Werden der Welt. – Eine Prozesstheologie“ (Freiburg 2013)
- John Shelby Spong: „Warum der alte Glaube neu geboren werden muss. Ein Bischof bezieht Position.“ (Düsseldorf 2006)
- Walter Wink: „Verwandlung der Mächte. Eine Theologie der Gewaltfreiheit“ (Regensburg 2014)