Predigt MCC Köln, 29. Jan. 2017
Ines-Paul Baumann
Matthäus 14,22-32 „Jesus und der sinkende Petrus auf dem See“
Ich fürchte, es gibt kaum einen Wert, den die MCC vertritt, der nicht von neoliberalen oder rechtspopulistischen Ideen missbraucht werden kann: Vielfalt, Inklusivität, individuelle Freiheit, Solidarität, …: Derzeit verschiebt sich so einiges.
Die Freiheit von (und die Solidarität mit) Menschen, die eine andere Religion, eine andere Meinung oder einen anderen Lebensstil haben als manche selbsternannte Vetreter_innen des „wahren Volkes“, darf ganz öffentlich zunehmend wieder in Frage gestellt werden.
Am Freitag gedachten wir aus gutem Grund der „Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front, Zwangsarbeiter und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.“ (Bundesregierung, 27. Januar 2008) In seiner Proklamation zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Januar 1996 sagte der damalige Bundespräsident Roman Herzog: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. (…) Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
„Der Wiederholung entgegenwirken“? Was Religion, Geschlecht und Herkunft für den Leben eines Menschen bedeuten können, gab diese Woche eher Anlass zur Sorge.
In den USA hat Trump diese Woche öffentlichkeitswirksam einen Einwanderungsstopp für Muslime inszeniert (also, für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern – aber für CHRISTEN können Ausnahmen gemacht werden).
In Russland wurde diese Woche ein Gesetz verabschiedet, dass schlagende Ehemänner zuerst nur eine „administrative Strafe“ bekommen (damit bleiben sie in ihrem offiziellen Lebenslauf straffreie, unbescholtene Bürger).
In Koblenz fand letzte Woche ein Treffen führender Rechtspopulisten aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Italien und Österreich statt. Hier ein paar Ausschnitte aus der Rede, die Marine Le Pen dort gehalten hat: „Das deutsche Volk strebt, wie alle in Europa, nach einer einzigen Sache: Freiheit. Freiheit und Ruhe. In Frieden leben zu können, über seine Zukunft selbst zu entscheiden. Heute berücksichtigen die europäischen Führer nicht die nationalen Interessen, sondern die Interessen einer Oligarchie. Eine Finanzoligarchie, die sich der Institutionen bedient, um Interessen durchzusetzen, die dem Willen der Völker zuwiderlaufen. (…) Ich liebe Deutschland, weil es deutsch ist. Ich liebe Frankreich, weil es französisch ist. (…) Von dem Moment an, wo wir das Gefängnis der Europäischen Union verlassen, werden wir die Vielfalt der Kulturen und der Nationen, die sie ausmachen, wiedergeboren sehen.“
„Vielfalt der Kulturen und der Nationen“, das klingt doch auf den ersten Blick gar nicht so schlecht! Wenn diese „Vielfalt“ aber entsteht durch die Einteilung in „französische Franzosen“ und „deutsche Deutsche“, dann ist das so, als entsteht eine „Vielfalt der Geschlechter“ dadurch, dass „Männer“ wieder echte „Männer“ sind und „Frauen“ wieder echte „Frauen“.
„Vielfalt“ entsteht hier nur durch klare Abgrenzungen, Zuweisungen und Identitäts-Modelle, die eben KEINE Vielfalt mehr zu lassen. DIE sind SO, ANDERE sind SO. So eine Vielfalt darf nur getrennt voneinander existieren. „Ich bin kein Rassist. Ich habe nichts gegen Syrer! Sie sollen nur in Syrien bleiben.“ Oder: „Ich habe nichts gegen Moslems. Sie sollen nur wegbleiben von unseren christlichen Abendland. Ihr Glaube passt halt grundsätzlich nicht zu unseren Werten.“
„Unsere Werte“?…
Ich fürchte, dass tatsächlich viele „Werte“ längst unbemerkt und tiefgehend in uns stecken, die eine offenes und herzliches Miteinander unter Menschen aushöhlen. Wie oft ist mein Blick auf andere und auf mich schon getrübt von Nützlichkeits-Gedanken, Anpassungszwängen und Optimierungsdruck?
Ich fürchte, auch ein Großteil unserer Reflexe GEGEN manche politische Richtungen ist nicht frei von Vereinnahmungen, die von anderen Seiten längst in uns gedrungen sind. Was wir heute alles für „selbstverständlich“ und „alternativlos“ halten, schreit zum Himmel.
Ich fürchte, dass viel von solchen ideologischen Vereinnahmungen auch in dem steckt, was heute als „christlich“ gilt – und auch in dem, wie wir glauben.
Ich scheue mich deswegen mittlerweile vor einfachen Antworten. Ich glaube nicht, dass aus jedem Reflex auf einen Bibeltext das ungetrübte Wort Gottes spricht.
Ich glaube aber, dass wir um so mehr wagen müssen, was Petrus gewagt hat. Er hat sich an Jesus orientiert, auch wenn ihn das in Gefahr gebracht hat. Er hat sich auf unsicheres, ja gefährliches Terrain begeben. Er ging lieber die Gefahr ein, für Jesus unterzugehen, als den ganzen Warnsignalen zu erlauben, ihn zu beherrschen.
Warnsignale gibt es auch heute überall. „Begib dich DA mal nicht in Gefahr! WEISST DU, was du da tust? Ist dir klar, was du verlieren kannst, wenn du das machst?“
Ich möchte im Folgenden versuchen, ein paar dieser inneren und äußeren Stimmen aufzugreifen. Sie wahrnehmbar zu machen. Diese Stimmen stehen für viele Anteile, die unser Leben ausmachen, unser inneres Leben genau so wie unser öffentliches Leben. Von manchen dieser Stimmen kann ich mich ganz klar distanzieren. Andere trage ich beinahe unbemerkt in mir. Manche verbinden mich mit dem Heil, der Heilung und der Heiligung, wie sie Jesus offenbart. Andere trennen mich davon. Bei manchen weiß ich es nicht.
Als Kanäle für diese Stimmen habe ich mir Twitter-User ausgedacht. Wer sich mit Twitter auskennt, wird sofort merken, dass meine Szenarien nicht realistisch dargestellt sind. (Sollte ich mir User oder Zitate ausgedacht haben, die es tatsächlich gibt, bitte ich um einen Hinweis, damit ich das korrigieren kann.) Ich werde gleich 7 Folien zeigen, und jede dieser Folien greift ein Thema auf und lässt verschiedene Stimmen dazu zu Wort kommen. Nicht immer komme ich zu einem klaren Fazit.
Eine Info vorher noch zum See Genezareth: Für die Menschen damals, als die Evangelien niedergeschrieben wurden, war der See Genezareth kein Ausflugsziel für einen lustigen Badetag. Nach dem jüdischen Aufstand gegen das Römische Reich lag nicht nur der Tempel in Jerusalem in Trümmern, sondern auch der See Genezareth voller Leichen. Unmengen Kriegstote waren in ihm begraben. Der Ortsname „See Genezareth“ hatte damals also eine eigene Geschichte, so wie heute Ortsnamen wie „Guantanamo“, „Aleppo“ oder „Auschwitz“.
Manager @Erfolg-im-Team 29. Jan. 2017
Bootsfahrt bei Sturm ohne Chef an Bord! Tolle Teambuilding-Maßnahme! #petrussinkt #erfolg-im-team
CEO@Human-Ressources 29. Jan. 2017
Sollten wir im nächsten Bewerbungs-Verfahren auch mal ausprobieren. Da wird sich zeigen, wer die anderen gerne mal im Stich lässt für die eigene Show. #petrussinkt #human-ressources
Traudich @Wer-wagt-gewinnt 29. Jan. 2017
Umgekehrt. Wer versteckt sich lieber in der Menge statt etwas zu wagen? #petrussinkt #wer-wagt-gewinnt
Troester@gottes-liebe 29. Jan. 2017
Jesus hat mit ALLEN weiter zusammengearbeitet und ihnen sein Werk anvertraut: dem kleingläubigen Petrus UND den vor Furcht schreienden Jüngern im Boot. #petrussinkt #miteinander-statt-aussortieren
Franz @christen-deutschland 29. Jan. 2017
Und welche Lehre ziehen wir daraus? Wahre Christen sollten nie ohne Jesus im Boot losfahren. #petrussinkt #mit-jesus-im-boot
Troester@gottes-liebe 29. Jan. 2017
Es war Jesus selbst, der sie genötigt hat, ohne ihn loszufahren. #petrussinkt #jesus-reicht-dir-die-hand #trost-von-aussen
wahres-volk@abendland-schuetzen 29. Jan. 2017
Sch*** Juden! Sollen sie doch alle versinken! Das christliche Abendland muss geschützt werden! Wir glauben nur an Jesus! #petrussinkt #abendland-schuetzen
Faktenvermittler @historischer-jesus 29. Jan. 2017
Jesus WAR Jude. (Und hat auch Nicht-Juden geholfen, wenn sie ihn um Hilfe gebeten haben.) #petrussinkt #historischer-jesus
wahres-volk@abendland-schuetzen 29. Jan. 2017
Was interessieren mich Fakten! #petrussinkt #fuehlen-ist-wichtiger-als-fakten
Ex-Manager @neoliberal-vereinnahmt 29. Jan. 2017
Die Selbstbeurteilungen (!) und Erwartungen (!) des Geschäftsklimaindex halten ja auch alle für eine „Fakten“-Lage. Genau wie „Leistung zahlt sich aus“. Oder „Gleiche Chancen für alle.“ Oder „Mehr Geld für Reiche sackt auch zu unteren Schichten durch.“ Warum ist „Gefühle-statt-Fakten“ bei Rassisten zurecht verpönt, aber am neoliberalen Markt seit langem ok? #petrussinkt #geschaeftsklimaindex #neoliberal-vereinnahmt
Franz @christen-deutschland 29. Jan. 2017
Bei christlichen Events FÜHLE ich genau, ob ich Jesus spüren kann oder nicht. #petrussinkt #glaube-muss-spürbar-sein
atheist @irrlehren 29. Jan. 2017
Fahren die über einen See voller Leichen. War wohl nix mit ihrem starken Gott gegenüber dem starken Römischen Reich. #petrussinkt #irrlehren
widerspruch @gott-ist-groesser 29. Jan. 2017
Ach, und welcher römische Kaiser hat jemals einen Sturm gestillt? #petrussinkt #gott-ist-groesser
freude @sieg-des-christentums 29. Jan. 2017
Der Tempel in Jerusalem ist zerstört, das Christentum wird siegen! Unser Leiden zahlt sich bald aus! Freut euch! #petrussinkt #sieg-des-christentums
witwe@mitten-im-leid 29. Jan. 2017
Da unten im See liegen mein geliebter Mann und unsere zwei Söhne. Welchen Sinn soll dieses Leiden haben? Da sind mir verängstigte und zweifelnde Jünger wesentlich näher als deine Siegesgewissheit. #petrussinkt #mitten-im-leid
leichte-feder @stark-durch-verletzlichkeit 29. Jan. 2017
Toll, wie verletzbar Petrus sich gemacht hat. #petrussinkt #stark-durch-verletzlichkeit
coach @stark-durch-scheitern 29. Jan. 2017
Wieso verletzlich? Scheitern gibt es nicht! Wir wachsen an unseren Problemen! #petrussinkt #stark-durch-scheitern
Herbert @erziehung-durch-leiden 29. Jan. 2017
Selber schuld. Hätte er sich mal nicht für was Besseres gehalten. Wird ihm eine Lehre gewesen sein! Gott meint es gut mit uns, wenn er uns so erzieht. #petrussinkt #erziehung-durch-leiden
Wilhelm Grün @spirituelle-weisheiten 29. Jan. 2017
Petrus wird an der Erfahrung menschlich und geistlich gereift sein. #petrussinkt #spirituelle-weisheiten #potentiale-effizient-nutzen
Einfach-mal-so @neoliberal-vereinnahmt 29. Jan. 2017
Muss selbst Scheitern jetzt einen Zweck haben? Ich möchte mal wieder einfach so scheitern dürfen. Ganz sinnlos und zweckfrei. #petrussinkt #sinnlos-scheitern-dürfen #neoliberal-vereinnahmt
Bibi @tagebuch 29. Jan. 2017
Gott wär mir das peinlich. Sich vor allen Leuten so zu überschätzen! Stell dir das mal vor! Du scheiterst, und alle kriegen es mit! #petrussinkt #was-denken-die-anderen-von-mir
Tina @tagebuch 29. Jan. 2017
Ich kenne das. Alle lachen und keiner hilft dir. #petrussinkt #ausgelacht
Josef Kirschner @buchmarkt Mai 2000
Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.
Äsop @sprichwoerter 600 v. Chr.
Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Franz @christen-deutschland 29. Jan. 2017
Petrus hatte nicht genug GLAUBEN. GLAUBE mehr, dann hilft dir Gott! #petrussinkt #stark-durch-glauben
troester@gottes-liebe 29. Jan. 2017
Jesus HAT ihm geholfen, gerade als er seinen Glauben verlor! (Und er sich selber nicht helfen konnte. Und niemand sonst half.) #petrussinkt #jesus-reicht-dir-die-hand #trost-von-aussen
Wincent Weiss @Wincent_Weiss
„Ey da müsste Musik sein!“
Tim Bendzko @bendzko
„Ich bin doch keine Maschine, bin nur ein Mensch aus Fleisch und Blut.“
Clueso @cluesomusik
„Neuanfang!“
Franz @christen-deutschland 29. Jan. 2017
Jesus macht ALLES neu! #petrussinkt #mit-jesus-im-boot
Einfach-mal-so @neoliberal-vereinnahmt 29. Jan. 2017
Nicht schon wieder. #petrussinkt #sinnlos-scheitern-dürfen #neoliberal-vereinnahmt
troester@gottes-liebe 29. Jan.2017
Manchmal haben auch Christen recht! :) #petrussinkt #jesus-reicht-dir-die-hand #trost-von-aussen