Daniel Großer
Vielleicht habt ihr es einmal selbst erlebt, vielleicht kennt ihr solche Menschen: Sie sind begeistert für Jesus! Sie sind volle Kanne für Gott! Ihre Augen leuchten. Sie sitzen auf der Straße und singen Lobpreislieder, sie tragen bunte Bänder in der Bibel. Es ist der Zauber der ersten Begeisterung für Gott, die Zeit, in der sie alles umkrempeln möchten, in der sie in der Fußgängerzone Broschüren verteilen, in der sie für dich beten wollen. Die Zeit, in der sie gar nicht genug bekommen, in der sie sich in die Bibelschule einschreiben. Sie fühlen, dass Gott groß ist und einen Plan hat, aus der Tiefe ihres Herzens. Und alle Menschen um sie herum sollen es auch fühlen. Sie sagen so Dinge wie “Gott ist Liebe.” oder “Gott ist immer da.” oder “Gott ist immer gnädig.” oder “Gott ist immer größer.”
Das Lied, das wir eben gehört haben, ist ziemlich zynisch und geht hart ins Gericht mit denen, die begeistert sind für Jesus. Ich will eine Lanze für sie brechen, für die Begeisterten. Hand auf’s Herz: Ist es nicht etwas schönes, wenn das Herz für eine Aufgabe schlägt? Ist es nicht wunderbar, wenn man sich angekommen fühlt, wenn man Teil eines großen Plans ist? Wenn man voller Gewissheit ist, dass es Gott gibt und dass er einen liebt? Wenn man vor Freude platzen könnte, wenn man singen und springen und jubeln und tanzen kann? Vielleicht habt ihr das erlebt mit Gott! Vielleicht erlebt ihr es gerade mit Gott. Vielleicht werdet ihr es erleben.
Gott sehnt sich danach, dass wir uns nach ihm sehnen, uns für sie begeistern. Nicht umsonst lautet das erste Gebot: “Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” Gott ist ein eifersüchtiger Verliebter, und sie sehnt sich danach, dass wir dieses Gefühl erwidern. “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit deinem ganzen Verstand und mit aller deiner Kraft.” (Markus 12, 30) In anderen Worten: “Liebe mich! Begeistere dich für mich! Geh mit mir Pferde stehlen!”
Im Gottesdienst der letzten Woche ging es darum, was Gott für unser Leben verheißt. Es ging darum, dass Gott nicht mit ihrer Nähe geizt, sondern Gemeinschaft verspricht. Dass sie in Hoffnung, Trauer, Freude und Schmerz bei uns ist.
Wisst ihr, ich bin mal so ein begeisterter Jugendlicher gewesen, wie er in diesem Lied geschildert wurde. Manchmal kann ich diese Begeisterung immer noch fühlen, sie schlummert irgendwo da drin. Aber wenn ich nach Hause gehe, wenn ich früh morgens aufstehe und zur Arbeit gehe, dann beginnt wieder das wirklich echte Leben. Dann ist Gott mir nahe, so lautet seine Verheißung. Wenn ich aber ganz ehrlich bin, ist mir das nicht genug. Ich sehne mich nach mehr. Ich sehne mich nach einer tiefen, brummenden Stimme vom Himmel, die irgendwas geheimnisvolles sagt. Ich sehne mich nach einer Spur im Sand, die mir den Weg zeigt. Ich sehne mich nach der inneren Gewissheit auf einem Weg zu sein, den Gott vorgesehen hat. Es mag naiv klingen, aber irgendwie sehne ich mich danach, dass Gott einen tieferen, größeren Plan hat, und dass ich meine Rolle darin erkenne und wahrnehme. Ich sehne mich nach Sicherheit auf der Lebensreise mit Gott. Wie toll wäre es, wenn er einfach sagen würde: “Daaaaaaaaa lang.” Und dann würde ich einfach “daaaaaaaaa lang” gehen. Eine herrliche Vorstellung, oder? Ein großer Plan Gottes, und ich ein kleines, aber nicht zu kleines, Rädchen darin.
Es gibt Menschen, die dir sehr viel erzählen können von Gottes Plan. Meistens sind sie es auch, die ganz genau zu wissen meinen, wie dieser Plan für dich aussieht. Ich denke, die meisten von uns wissen, wie es ist, wenn man zu jemandem gemacht werden soll, der man gar nicht ist.
Heißt das aber im Gegenzug, dass es sowas wie Gottes Weg für dich und mich nicht gibt? Was ist nun dran am Plan Gottes? Gibt es das? Wie konkret werden Gottes Verheißungen und Wünsche für meinen und deinen eigenen Lebensweg?
Auf der Suche nach einer Antwort habe ich einen Blick in die Bibel geworfen, um Gottes Plan zu finden bei den Menschen, die dort beschrieben sind. Wollen wir die Liste mal durchmarschieren.
– Adam und Eva. Plan: Glücklichsein im Paradies bis Zippelpfingsten. Hm… hat irgendwie nicht geklappt. Naja, jedenfalls haben sie zum Schluss was zum anziehen bekommen.
– Mose. Plan: Volk Israel ins gelobte Land führen. Am Anfang andauernd Stunk mit dem Pharao, ständig Sorgen, dann das nervige Volk, das sich nie an das zu halten scheint, was man ihm sagt. Und am Ende darf Mose dann noch nicht mal hinein ins gelobte Land, wegen einer Lapalie. Na super.
– Volk Israel. Plan: Das gelobte Land einnehmen. Kriege und Scharmützel, ständig Streitereien und Grenzkonflikte, und irgendwie ist man nie so richtig alleine im nahen Osten. Obendrein ständig Leute töten, obwohl das in den Geboten irgendwie anders steht. Irgendwie klingt das nicht so chillig.
– David. Plan: Tollster König Israels sein. Wenn da nur die Frauen nicht wären. Und immer das Geläster im Rücken, ständig die Feinde, die ihm nachstellen. Das ist mir zu anstrengend.
– Hosea. Plan: Als Prophet das Nordreich Israel vom Götzendienst abbringen und das erste Gebot hochhalten. Wie macht man das am besten? Genau, geschmeidig das sechste Gebot brechen und eine Hure heiraten. Das Nordreich geht später ohnehin unter. War wohl nix. Toller Plan!
– Petrus. Plan: Coolster Jünger aller Zeiten sein. Aber Moment, da war doch die Sache mit dem Übers-Wasser-Laufen, naja, dann wird der Lehrer ermordet, dann die Leugnung, und später unredliche Konflikte mit Paulus. Nicht unbedingt cool, wenn man Zeuge der ersten Kirchenkonflikte werden muss.
Ich durchforste meine Bibel auf der Suche nach Menschen mit einem tollen, großen Plan in ihrem Leben, aber was muss ich finden? Loser, Sünder, Versager, Wichtigtuer, Feiglinge, Verbrecher. Gott, wie um alles in der Welt willst du geehrt sein, wenn deine Nachfolger die uncoolsten Weggefährten aller Zeiten sind?
Ihr wisst, dass meine Gedanken hierzu überspitzt sind. Natürlich gibt es in der Bibel Menschen, die von Gott gerufen werden, einen bestimmten Dienst zu erfüllen, zum Beispiel Samuel. Manche davon scheitern daran, anderen gelingt es sogar. Viele biblische Charaktere erleben nicht mehr, was Gott aus ihrem Wirken wachsen lässt. Bei manchen ist sich die Bibel selbst sogar uneinig. Je mehr ich lese, desto überzeugter bin ich: Ja, Gott einen Plan. Aber anhand der Bibel werde ich den Eindruck nicht los, dass sie oft selber nicht so richtig weiß, wie dieser Plan denn aussieht.
Ständig fallen mir Momente auf, wo Gott ihre Pläne ändert. Adam und Eva scheitert? Machen wir mit Noah weiter! Scheitert? Machen wir mit Israel weiter! Scheitert? Machen wir mit Juda weiter! Schaue man sich nur mal an, wie Gott im Alten Testament über sein gerade aus Ägypten geholtes Volk jubelt und wettert.
“Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.”, sagt er in 2. Mose 19, 6. Sieben Seiten später spricht Gott zu Mose:
“Geh, DEIN Volk, das DU aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. […] Ich sehe, dass es ein halsstarriges Volk ist. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge;” (2. Mose 32, 7ff)
Drei Verse später: “Da gereute den Herrn das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.”
Klingt für mich nicht nach einem Gott, der sein Wort hält, dessen Wille ewig zählt.
Und dann diese merkwürdige Geschichte mit Hosea. Erst stellt Gott mit höchster Dramatik die zehn Gebote auf, darunter auch das sechste: “Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.”, und dazu noch eine Unzahl an Geboten zur ehelichen Reinheit und Treue. Und dann schickt Gott Hosea als Prophet, damit sich die Leute an das erste Gebot halten, und Gott ehren. Und was soll Hosea machen? Ausgerechnet ein anderes Gebot brechen! “Als der Herr anfing zu reden durch Hosea, sprach er zu ihm: Geh hin und nimm ein Hurenweib und Hurenkinder;”
Ich kann euch sagen: Ich glaube an einen Gott, der durchaus in der Lage ist, seine Meinung zu ändern! Und je mehr ich über Gott erfahre, desto schwerer tue ich mich, wenn jemand sagt: “Aber Gott hat versprochen” oder “Gott ist immer dies und das”.
Schauen wir uns mal an, wie Jesus Blinde heilt. Mal tut er das mit einem Lehmbrei aus Erde und Speichel, mal spricht er die Blinden einfach gesund, mal legt er die Hände auf. Wie sollen die Jünger denn so jemals den Trick lernen?
Fakt ist: Ich kann dir nicht sagen, was Gottes Plan für dich ist, oder ob es diesen Plan gibt. Ich kann dir aber sagen, dass Gott die Verheißung seiner Nähe nie gebrochen hat, ja, dass sie sogar eher ihr Wort bricht, als auf die Nähe ihrer Menschen zu verzichten. Eher bricht Gott ihr Wort, als dass sie dein Herz bricht!
Gott möge uns allen soviel Freiheit und Plan geben, wie wir brauchen. Vor allem aber wünsche ich uns, dass Gott uns Vertrauen schenkt für die Wege, die wir nicht kennen können.