Impuls & Segensritual MCC Köln, 12. Jan. 2014
Ines-Paul Baumann
Mt 3,1-17: Johannes der Täufer und die Taufe Jesu
Fehler bei anderen wahrzunehmen fällt oft leicht. Dem Aufruf, dass die anderen doch endlich mal alles anders machen sollen, würden sich viele sofort anschließen. Mit Wohlwollen würden sie registrieren, dass so viele Menschen damals zu Johannes in die Wüste kamen, um dem Aufruf zur Umkehr Gehör zu schenken.
Bei manchen ist auch die Wahrnehmung der eigenen Fehler gut ausgeprägt. Mit Wohlwollen nehmen sie auf, dass sich so viele christliche Traditionen und Rituale um Fehler drehen (Beichte, Vergebung, Fürbitten, „Opfer“ bringen, …).
Manche verstehen es als christliche Tradition, dass Menschen nicht bloß Fehler machen, sondern dass andere und sie selbst Fehler SIND: „Der Mensch ist ein Sünder ganz und gar, und Gott kann uns nur annehmen, wenn wir das einsehen und uns ganz schlecht vor Gott fühlen – mit etwas Glück ist Gott uns dann gnädig.“
Die Taufe wird in diesem Zusammenhang gerne gesehen als ein Reinwaschen von den Sünden; das eigene schlechte Selbst wird im Wasser ertränkt und kommt als von Gott neu geschaffen wieder heraus. (Ich kenne dieses Taufverständnis aus eigener Erfahrung und weiß um die Kraft, die darin liegen kann!) Nun müssten spätestens die so Getauften Gott ja nun eigentlich gefallen, aber auch sie plagen sich oft Tag für Tag mit Gefühlen des Unwürdigseins vor Gott.
Das Tauferlebnis Jesu, das hier geschildert wird, ist ein ganz anderes: Die Taufe offenbart nicht, wie „unwürdig“ und „schlecht“ Jesus ist. In der Taufe hört Jesus keine Verurteilung Gottes („du bist schlecht, aber sei froh, dass ich dich gnädig annehme“), sondern die Stimme Gottes bezeugt: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Nun würden viele sagen: „Na gut, klar, das ist ja auch Jesus! Jesus IST ja auch Gottes Sohn, und natürlich hat Gott Wohlgefallen an ihm! Aber das hat ja mit uns nichts zu tun. Das lässt sich doch gar nicht vergleichen!“
Warum lässt sich das nicht vergleichen?
Erstens: Christen sich sich darin einig, dass auch wir Kinder Gottes sind. Jesus selbst hat uns angewiesen, so zu beten: „Vater Unser im Himmel“. Wir beten nicht zu „Vater Jesu im Himmel“. Wir selbst beten zu „unserem Vater im Himmel“. Jeder und jede hier, die so beten möchte, ist ein Kind Gottes, ein Sohn Gottes, eine Tochter Gottes!
Der zweite Punkt ist emotional schwieriger: Kannst du glauben, dass Gott Wohlgefallen an dir hat?
Dürfen wir das glauben, ist das biblisch? OK, von wie vielen Kanzeln wird gepredigt: „Gott ist die Liebe“, Aufkleber und Andachten und Bekehrungshefte betonen immer wieder: „Gott liebt dich“ – aber es wird selten so oft und deutlich vermittelt, dass Gott Wohlgefallen an mir hat.
Meistens bleibt eher hängen: „Gott liebt mich, und nur wegen dieser wunderbaren unendlichen übermenschlichen Liebe ist Gott in der Lage, mich in Gnade und Barmherzigkeit zu ertragen.“ Klingt so etwa „Wohlgefallen“?
„Gott wäscht unsere Sünden weiß wie Schnee“, aber dieser weiße schöne reine Schnee mag meterhoch über meine Sünden gestapelt sein, darunter gammeln und stinken diese Sünden halt doch noch vor sich hin, nur ist Gott jetzt halt so nett und schaut nicht mehr so genau hin“?!
Ein Christ, der in der weißen westlichen „christlichen“ Welt aufgewachsen ist, hat mal gesagt: „Mir wurde immer gesagt, dass Gott mich liebt und mich zur Strafe für meine Sünden in die Hölle wirft. Mir wurde immer gesagt, dass Sexualität etwas Schmutziges und Schlimmes sei, und dass ich das aufheben soll für die Person, die ich liebe.“
Ich glaube, dieser Satz macht deutlich, wie verworren das „christliche“ Denken und Fühlen sein kann, wenn es um Liebe und Gott geht. Ich finde, wir können das Tauferlebnis Jesu hier als etwas verstehen, was Klarheit schafft. Wo der ganze aufgewirbelte Bodensatz aus Jahrhunderten Kirchengeschichte uns nicht mehr den Blick trüben soll in unserem Denken über Gott und uns selbst. Sondern wo wir im (oder als) Tauferlebnis neue Klarheit darüber gewinnen, mit welchem Blick Gott uns anblickt.
Vielleicht ist das der eigentliche Moment, den wir als „Taufe“ bezeichnen können: dass wir Taufe nicht als eine rein äußerliche Handlung verstehen, die irgendwie mit Wasser zu tun hat, sondern das unser eigentliches Tauferlebnis in diesem Moment zu finden ist, wo uns deutlich wird: „Ich bin aus Gott und Gott hat Wohlgefallen an mir.“
Das ganze Neue Testament bezeugt genau das in Bezug auf uns, was Gottes Stimme bei der Taufe Jesu über Jesus bezeugt: Du bist aus Gott, und Gott hat Wohlgefallen an dir. Ein Großteil des Lebens als Christ/in besteht vielleicht aus nichts anderem als darin, dass Menschen versuchen, diese Wahrheit mehr und mehr zu begreifen, zu verinnerlichen, zu verstehen, zur Grundlage ihres Lebens zu machen:
– Ob Mystiker im Geheimnis der Einheit,
– ob sich Menschen engagieren im Dienst an anderen,
– ob durch Predigten oder durch meditieren,
– ob in Lobpreis und Liedern,
sie alle drehen sich darum, immer mehr einzutauchen in dieses Taufwasser, dieses Tauferlebnis, bei dem Gottes Stimme bezeugt: „Du bist aus Gott, und Gott hat Wohlgefallen an dir.“
Segensritual:
Ein paar Bibelstellen zu Gottes Wohlgefallen in unserem Leben:
Psalm 30,8 / Psalm 44,4 / Psalm 149,4 / Lk 12,32 / Phil 2,13
Ein paar Bibelstellen zu uns als Kinder Gottes:
Mt 5,48 / Mt 6,9 / Mt 23,9 / Lk 6,36 / Lk 12,32 / Röm 8,15f
Dieser Geist soll hier heute spürbar „wehen“. Du bist eingeladen zum Segensritual mit der hörbar ausgesprochenen Bezeugung, dass du Gottes Kind bist und Gott Wohlgefallen an dir hat. Vorher sind wir ein paar Minuten stille und sehen dabei zu, wie sich in einem großen Glas voll aufgewirbeltem Sand das Wasser klärt. Möge Gott die Bilder, die wir uns von ihr, von uns selbst und von anderen machen, ebenso mit der Klarheit erfüllen, dass wir alle hier aus Gott sind und dass Gott uns mit Wohlgefallen ansieht. Wer mag, darf vorher auch noch dem Ruf des Johannes zur Buße nachkommen; lasst uns füreinander und miteinander die Bitte um Vergebung lesen.
- Sand in einem großen Glas Wasser aufwirbeln und zusehen, wie sich der Sand absetzt und das Wasser klar wird.
- Salbung mit den Worten: „Gott spricht: Du bist aus mir, du bist mein Sohn / meine Tochter / mein Kind. Ich habe Wohlgefallen an dir. Gehe hin in Frieden.“