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Die Norm ist nicht mehr der Maßstab: Statt um Anpassung geht es um Vielfalt. (Wegen dir und mit dir.)

Predigt MCC Köln, 31. Mai 2020
Ines-Paul Baumann

1. Könige 7,48 – 8,11 & Apostelgeschichte 2,1-12

An Pfingsten ist Gott aufgebrochen, um sich dir verständlich zu machen.

An Pfingsten hat Gott gesagt: „Ich möchte, dass du von mir in einer Sprache hörst, die du verstehst.“ Auf jeder Ebene: Gott bindet sich nicht an eine bestimmte Sprache.
Du muss nicht erst Lateinisch oder Altgriechisch lernen.
Du musst nicht lernen, „katholisch“ zu verstehen, wenn das nicht deine Sprache ist.
Du musst nicht lernen, lange Predigten zu verstehen, wenn das nicht deine Sprache ist.
Du musst nicht lernen, christlichen Pop zu verstehen, wenn das nicht deine Sprache ist.
Du musst nicht lernen, „männliches“ Auftreten zu verstehen, wenn das nicht deine Sprache ist.
Du musst nicht lernen, „heterosexuelles“ Miteinander zu verstehen, wenn das nicht deine Sprache ist.

Pfingsten sagt:
Du sollst von Gott in der Sprache hören, die DU sprichst.
Du sollst von Gott in der Sprache hören, die dein Leben spricht.
Du sollst von Gott in der Sprache hören, die deine Gedanken und Gefühle sprechen.

Um in Deutschland eingebürgert zu werden, muss die deutsche Sprache erlernt werden. Sonst gehörst du offiziell nicht richtig dazu. Auch für viele christliche Gemeinden gibt es Kurse, in denen gelehrt wird, richtig zu sprechen – richtig von Gott zu sprechen, die richtigen Worte zu verwenden, richtig beten zu lernen. Dein ganzes Leben muss die richtige Sprache sprechen. Sogar deine Gedanken und Gefühle müssen die richtige Sprache sprechen. Sonst bist du womöglich ferne von Gott.

Um Gottesferne zu überwinden, gab es früher Priester. Priester waren (und sind es für viele immer noch) sowas wie Mittler zwischen Gott und den Menschen. Der Dienst von Priestern sollte ermöglichen, dass Menschen zu Gott Zugang finden. Ihr Dienst vermittelt quasi die Gegenwart Gottes. Wie sich das gehört, bedarf es dazu allerlei richtigen Zubehörs. Hier eine Lesung dazu aus dem Alten Testament:

48 Und Salomo machte alle die Geräte, die das Haus des HERRN braucht: den goldenen Altar; und den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen; 49 und die Leuchter, fünf zur Rechten und fünf zur Linken vor dem Hinterraum (…)
10 Und es geschah, als die Priester aus dem Heiligen hinausgingen, da erfüllte die Wolke das Haus des HERRN; 11 und die Priester konnten wegen der Wolke nicht hinzutreten, um den Dienst zu verrichten; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus des HERRN.

1. Könige 7,48 – 8,11

Gottes Gegenwart verhindert den Dienst der Priester! Sollte nicht der Dienst der Priester die Gegenwart Gottes überhaupt erst vermitteln? HIER kehrt die Gegenwart Gottes in dem Moment ein, als die Priester den Kirchenraum VERLASSEN! Als SIE DRAUSSEN sind, kehrt GOTT EIN. (Der Umkehrschluss ist übrigens nicht erlaubt, nach dem Motto: „Nur da, wo keine Priester sind, kann Gott sein.“ Oder: „Kirche weg – Gott da.“ SO einfach ist es nun auch nicht!)

Gott ist nicht gebunden an bestimmte Menschen (oder an bestimmte Sachen, die Menschen tun). Ob Priester da sind oder nicht: Gott kann da sein. Ob gerade liturgischer Hochbetrieb ist oder nicht: Gott kann da sein.

Das bedeutet auch: Wenn dich jemand vom Kirchengeschehen ausschließt, entziehen sie dich damit nicht dem Wirkungsraum Gottes.

Letzte Woche haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert: Jesus entgrenzt sich von Raum und Zeit. Auf Erden können wir an einem bestimmten Zeitpunkt nur an einem bestimmten Ort sein. Für Jesus gilt das nicht mehr.

Himmelfahrt und Pfingsten zusammengenommen heißt also: Die Gegenwart Gottes, die sich in Jesus offenbart, bindet sich nicht mehr an bestimmte Orte oder bestimmte Zeitpunkte oder bestimmte Ausdrucksformen.

Wir müssen uns nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Gott verbinden.
Wir müssen uns nicht an einem bestimmten Ort begeben, um uns mit Gott verbinden zu können.
Wir müssen nicht etwas bestimmtes tun, um uns mit Gott verbinden zu können.

Es gibt da keine Vorgaben. Es geht nicht um Normen, denen du dich anpassen musst. Vielmehr müssen sich alle Vorgaben öffnen. Die Normen sind nicht der Maßstab. Der Maßstab ist: Gott möchte sich für DICH verständlich machen.

Manchmal spüren wir das. Ein Satz, eine Geste, ein Lied, und wir spüren: Gott ist da.

Manchmal spüren wir aber nur wenig oder nichts. Das heißt nicht, dass Gott dann nicht da ist. Ich habe öfter gehört, dass Depression eine große Einschränkung im Erleben Gottes mit sich bringt. Überhaupt, wenn ich mich selbst nicht spüren kann oder darf, macht es das schwer, Gott zu spüren. Wenn ich in einem Gottesdienst sitze, in dem ich nicht ich selbst sein darf: Wie soll ich etwas von Gott mitbekommen, wenn niemand etwas von mir mitbekommen darf, am besten auch ich selbst nicht…?

Aber auch wenn sonst alles stimmt: Ich habe schon oft in Gottesdiensten gesessen, von vielen verschiedenen Konfessionen, und war völlig unberührt. Andere um mich herum waren sehr wohl berührt. Was war da los? An dem Tag hatte die Gemeinde nicht meine Sprache gesprochen. Das heißt nicht, dass Gott nicht da war. Aber ihre Ausdrucksformen haben mir Gott nicht verständlich gemacht.

Zum Glück hat Gott weiter an mich gedacht. Und mir Menschen geschenkt, die meine Sprache sprechen. Die mir von Gott in einer Art und Weise erzählt haben, dass ich etwas von Gott verstanden habe. Ich bin nicht Christ geworden, weil ich genug christliche Vorkabeln gelernt und mich christlichen Normen angepasst habe. Ich bin zum Glauben gekommen, weil mir andere von ihrem eigenen Glauben erzählt haben! In einer Sprache, die ich verstanden habe!

In der MCC gibt es beide Erfahrungen: Manchmal passt alles. Hier bin ich richtig, hier fühle ich mich verstanden, hier verstehe ich Gott, hier SPÜRE ich Gott und mich selbst. Und andere Male passt es nicht – dann spüre ich nichts, fühle mich nicht angesprochen; nichts spricht mich an. Aber auch DANN gilt: Gott ist da.

So ein Wechsel kann deswegen vorkommen, weil wir in der MCC glauben, dass Gottes Gegenwart sich nicht an eine bestimmte Form von Liturgie oder Gebetspraxis bindet. Es gibt nicht DEN EINEN Prüfstein für Gottes Gegenwart. („Ah, das kenne und liebe ich aus meinen sonstigen Gottesdiensten, DANN läuft ja alles richtig hier.“) Es gibt keine bestimmten Kennzeichen, die da sein müssen, damit GOTT da ist. Gott möchte, dass wir in VIELEN Sprachen von ihr sprechen. (Und ja, das kann auch mal irritieren…)

In der Pfingstgeschichte war es nicht so, dass ein einzelner Mensch plötzlich ganz viele Sprachen konnte. Für VIELE Sprachen und Ausdrucksformen braucht es VIELE Menschen, die ihren Mund auftun und ihren Glauben zum Ausdruck bringen.

Es reicht also nicht, wenn wir auf die starren, die eh immer reden, und darauf warten, dass sie sich endlich mal ändern. In der MCC Köln versuchen wir, verschiedenen Ausdrucksformen Raum zu geben, indem sich verschiedene Menschen einbringen. Und es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, von Gott zu reden, als wir im Moment zum Ausdruck bringen können! Aber wartet bitte nicht darauf, dass ICH anfange wie jemand zu reden, der 23 Jahre jung ist. Oder dass ICH anfange, Gott im Tanz zu loben. Oder Spaziergänge zum Meditieren anzubieten. Oder mit euch zusammen Bibliodrama zu machen. Oder neue Lieder einzubringen. Oder zum Ausdruck zu bringen, wie Depressive Glauben leben und gestalten. Ich lerne gerne und ständig dazu, aber Pfingsten war ein Gemeinschaftswerk.

Um sich für unterschiedliche Menschen verständlich zu machen, braucht Gott unterschiedliche „Sprach- und Ausdrucksformen“. Mit deinem Verständnis von Gott kannst du genau so ein Äußerungsraum vom Wirken Gottes sein. Gott segne dich!

 

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