Predigt MCC Köln, 22. Juni 2014
Ines-Paul Baumann
Mt 28,16-20: „Der Missionsbefehl / Der Auftrag des Auferstandenen“
& Mt 10,7-14.40-42: „Anweisung für die Mission / Der Auftrag der Jünger“
Mission, war das nicht auch der Anlass für die Kreuzzüge im Mittelalter, die so viel Blut vergossen haben? Mission, haben da nicht die europäischen Kolonialherren im 19. Jahrhundert sich selber zu Herrschaften in Afrika gemacht? Mission, ist das nicht immer wieder Anlass zu Kämpfen, Ausgrenzung, Unterdrückung und Gewalt in unserer Welt?
Mit Mission möchten viele nichts mehr zu tun haben. Auch und gerade weil ihnen diejenigen verdächtig erscheinen, die sich dazu aufgerufen sehen, andere „zu missionieren“ – die so überzeugt und gewinnend auftreten, die offenbar nie Zweifel in ihrem Glaubensleben gekannt haben und auf alles eine Antwort wissen.
Jesus selbst hat das anders gesehen. Im Matthäus-Evangelium steht nicht:
„Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel. Diejenigen mit den Zweifeln sortierte Jesus aus. Sie sollten erst mal weiter im Glauben wachsen. Auf diejenigen ohne Zweifel trat Jesus auf zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. (…)“
Sondern da steht:
Mt 28,16-20
Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte.
Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel.
Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde.
Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Das Matthäus-Evangelium endet mit diesen Worten, sie sind Jesu „Vermächtnis“. Eine wichtige Aufgabe. Bei wichtigen Aufgaben ist die Frage immer: Wer ist dafür geeignet?
Wenn wir zum Beispiel als MCC einen Infostand beim CSD machen: Wer ist da am besten für den Standdienst geeignet? Wenn die MCC ein Interview für’s Fernsehen machen soll: Wer soll sie da am besten vertreten? „Wie peinlich“, wenn wir da Leute stehen haben, die nicht gewinnend auftreten, die nicht gut reden können, die nicht auf alles eine Antwort haben…
Auch bei Mission wird oft nach denjenigen gefragt, die am besten von ihrem Glauben reden können, die auf alles eine Antwort haben, die selbst voller Überzeugung sind.
Viele meinen: „Wenn ich selber so meine Zweifel habe, nicht auf jede Frage eine Antwort weiß, und kein gutes und gewinnendes Auftreten habe, dann ist das nichts für mich.“
Aber Jesus wendet sich an alle, auch an die Zweifelnden.
Es gibt noch eine andere Situation, in der Jesus Leute aussendet., auch im Matthäus-Evangelium:
Mt 10,40-42
»Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.
Wer einen Propheten aufnimmt, weil er ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil er ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten.
Und wer einem von diesen gering Geachteten auch nur einen Becher kaltes Wasser zu trinken gibt, einfach weil er ´mein` Jünger ist, der wird – das versichere ich euch – nicht ohne Lohn bleiben.«
Propheten und Gerechte, klar gehören die dazu. Die großen Vertreter und Vertreterinnen des Glaubens. (Wobei es manche wundern dürfte, dass Jesus unter den Menschen „Gerechte“ vorfindet: Heißt es nicht immer, unter den Menschen gäbe es keine Gerechten? Schon gar nicht zu dem Zeitpunkt, als Jesus das hier sagt – also bevor er für sie „sein Blut vergossen“ hat? Ach, das scheint nicht immer gängige Meinung gewesen zu sein…)
Aber Jesus schickt nicht nur diejenigen los, die eine Gabe als Propheten und Gerechte haben. Er schickt auch diejenigen los, die gering geachtet werden. Diejenigen, die so auftreten, dass andere sie nicht toll finden. Die nicht hoch im Kurs stehen. Die kein hohes Ansehen genießen.
Jesus schickt sie alle los: die „Glaubensprofis“, die bei anderen Eindruck hinterlassen – und diejenigen, die als gering geachtet werden. Diejenigen voll des Glaubens – und diejenigen mit Zweifeln.
„Mission“ hätte sicher einen besseren Ruf, wenn nicht nur „die Überzeugten“ diese Aufgabe wahrnehmen würden. Wenn in der Öffentlichkeit nicht nur ankommen würde, dass „die Christen“ alles Menschen sind, die keine Zweifel mehr kennen und auf alles eine Antwort haben. Sondern wenn auch diejenigen, von denen sie es vielleicht nicht erwarten, sich in ihrer Umgebung mal als Christen outen würden.
Wir sollten den Spieß aber auch nicht umdrehen. Jesus sagt ja nun auch nicht zu den Zweifelnden: „Euch schicke ich los, denn ihr überrennt andere wenigstens nicht“, und zu den Glaubenden: „Ihr lieben überzeugten naiven Gläubigen, ihr bleibt mal besser zuhause, bis ihr ein paar Zweifel kennengelernt habt!“ Wir sollten uns auf unsere Zweifel genau so wenig einbilden wie auf unseren Glauben (bzw. die Zweifel genau so anerkennen wie den Glauben).
Es geht auch nicht darum, dass wir keine Überzeugungen mehr haben dürfen. Viele sind heutzutage so genervt davon, wie Menschen ihre eigene Religion für die beste halten, dass sie überhaupt keine Lust mehr auf Religion haben. Selbst Christen und Christinnen sagen dann lieber so Dinge wie: „Was soll der ganze Streit, wir glauben doch eh alle das Gleiche.“
Es gibt in der Tat viele Gemeinsamkeiten unter den Religionen und Weltanschauungen; und es täte vielen gut, ein paar mehr davon zu kennen (!).
Aber wir glauben nicht alle das Gleiche. Es gibt Unterschiede (nicht nur geschichtliche und kulturelle), und wir können diese Unterschiede anerkennen. Christentum gestaltet in vielem eine andere Wahrnehmung Gottes als es der Islam tut. Buddhist/innen einfach als „unwissende“ (eigentlich-)Christen zu bezeichnen, die „nur andere Bezeichnungen“ verwenden, ist vereinnahmend und respektlos.
Ich kann zu meinen Überzeugungen stehen. Und ich kann trotzdem anerkennen, dass mein Mitmensch vielleicht andere Überzeugungen hat. Ich kann das Menschenrecht auf Religionsfreiheit (und auf Freiheit von Religion) anerkennen, auch ohne dass ich meine persönlichen Glaubens-Überzeugungen aufgeben muss.
Jesus fordert uns genau dazu auf, zu unserem Glauben zu stehen und trotzdem in Frieden mit allen umzugehen. Denjenigen, die er aussendet, gibt er diese Anweisung mit:
Mt 10,12-14
Wenn ihr das Haus betretet, grüßt die Bewohner ´und wünscht ihnen Frieden`.
Sind sie es wert, so soll der Frieden, den ihr bringt, bei ihnen einziehen. Sind sie es jedoch nicht wert, so soll euer Frieden zu euch zurückkehren.
Wenn man euch nicht aufnimmt und sich eure Botschaft nicht anhören will, dann verlasst jenes Haus oder jene Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.
Wenn wir ein Haus betreten, soll unsere Frage nicht sein: „Hast du den richtigen Glauben? Ansonsten bekehre ich dich mal.“ Wir sind gesandt, allen, denen wir begegnen, Frieden zu wünschen. Wir sind gesandt, uns und unsere Botschaft anzubieten – ob und wer (und wann) mich damit aufnimmt, ist meinem Mitmenschen frei überlassen.
Aus Angst, von anderen nicht aufgenommen zu werden, verstecken sich Menschen allerdings oft. Nicht nur mit der Botschaft Jesu – sondern damit, dass sie selber Träger/innen dieser Botschaft sind. „Ich habe AIDS, ich bin Trans, ich bin süchtig, ich bin depressiv, ich bin nicht so, wie andere es von mir erwarten – solange ich damit hinter’m Berg halte, werde ich hoffentlich keine Ablehnung erfahren… Vor allem als Christ/in nimmt mich damit doch kein Mensch ernst. Dafür müsste ich doch viel stärker, geheilter, gesünder und überzeugter sein. Nur wenn ich selbst überzeugt bin, kann ich andere überzeugen, oder?“
Nein, wir müssen nichts und niemanden überzeugen. Wir sind eben nicht gesandt, andere überzeugen zu müssen. Wir sind gesandt, Frieden anzubieten – und wer uns damit nicht annehmen will, hat das Recht und die Freiheit dazu. Das ist Teil der Botschaft. Jesus hat uns nicht nur dazu aufgefordert, Jesus hat es selbst so vorgelebt.
Unser Umgang mit Menschen ist also an sich schon Botschaft. Darin, wie wir mit anderen umgehen, können andere Gotteserfahrungen machen. Das können sie aber nur, wenn wir uns nicht verstecken – weder als Menschen noch als Christen. Solange wir uns verstecken, kann uns niemand aufnehmen. Aber wenn wir anderen zeigen, wer und was wir sind (und dass wir von Jesus gesandt sind, genau so, wie wir sind!), dann können sie uns aufnehmen, uns und unsere Botschaft:
- „Ich bin Trans. Und ja: Ich glaube an Gott als Quelle des Lebens. Und ja: das ist die Botschaft, die ich verkündige!“
- „Mein Leben versinkt oft in heillosem Dunkel. Und ja: ich glaube an Jesus als das Licht der Welt. Und ja: das ist die Botschaft, die ich verkündige!“
- „Ich bin süchtig. Und ja: Ich glaube, dass Jesus uns zur Freiheit berufen hat. Und ja: das ist die Botschaft, die ich verkündige!“
- „Ich habe in meiner Kirche Missbrauch erlebt. Und ja: Ich glaube, dass Gott Gerechtigkeit und Frieden will. Und ja: das ist die Botschaft, die ich verkündige!“
- „Ich habe so meine Schwierigkeiten mit einem dreieinigen Gott. Und ja: Ich glaube, dass sich Gott in Jesus auf ein besondere Weise offenbart hat. Und ja: das ist die Botschaft, die ich verkündige!“
Wer uns mit dieser Botschaft aufnimmt, nimmt Jesus auf.
Wenn Menschen also Jesus wirklich aufnehmen wollen in ihr Leben, geht es nicht einfach darum, das richtige Glaubensbekenntnis zu sprechen. Jesus will dich senden, mit seiner Botschaft, und er selber sagt: „Wer dich aufnimmt, nimmt mich auf.“ Das gilt auch für dich selbst: Wenn du Jesus aufnehmen möchtest, gehört auch dazu, dass du dich selbst aufnimmst. (Manchmal dauert der Weg dahin etwas länger, aber in der Nachfolge Jesu wird er dich auch darin leiten….)
Oft fehlt Menschen die eigene Anerkennung und Selbstannahme. Und oft fragen sie dann nach der Anerkennung von außen. MCC wird beispielsweise immer wieder gefragt, ob wir „von den anderen Kirchen anerkannt“ werden. Also ob die Kirchen, die öffentlich anerkannt sind als Vertreterinnen des Christentums, uns bescheinigen, anerkannte (und damit „akzeptable“) Kirche zu sein.
Nun ja: Manche achten die MCC gering.
Und manche achten den Papst gering. Manche halten Maria-Anhänger für gering. Manche achten in Popmusik schwelgende Lobpreis-Christen gering. Manche achten meditierende Christinnen gering.
Manche achten Zweifelnde gering. Manche achten Glaubende gering.
Manche achten Schüchterne gering. Manche achten Rampensäue gering.
Manche achten Kranke gering. Manche achten Leistungsträger/innen gering.
Ständig scheinen Glaubende an anderen (oder an sich selbst) etwas zu finden, das sie zu geringeren Glaubenden macht.
Wie gerne sind Christen dann so hilfsbereit, mit Eifer die jeweils gering Geachteten zu missionieren und zu „wahren Christen“ zu machen.
Hier in der MCC bieten wir all diesen gering Geachteten lieber ein Glas Wasser an. Wenn wir sie aufnehmen, nehmen wir Jesus auf.