Predigt MCC Köln, 12. Oktober 2014
Daniel Großer
Epheser 4, 1-6 „Aufruf zur Einheit“
Im Neuen Testament stehen Galaterbrief und Epheserbrief direkt hintereinander. Gehen wir heute einmal davon aus, dass beide von Paulus stammen (beim Epheserbrief ist man sich da wohl nicht ganz sicher).
Wenn die Römische Post die beiden Briefe versehentlich vertauscht hätte oder Paulus’ Sekretärin schlicht die Umschläge verwechselt hätte, welch Chaos wäre damit in den ersten Gemeinden angerichtet worden.
Außer der Grußformel, mit der ich euch zum Beginn des Gottesdienstes empfangen habe, haben beide nicht viel miteinander gemeinsam. Dabei liegen sowohl Ephesus als auch die Gemeinden von Galatien in der heutigen Türkei und bestanden aus sogenannten Heidenchristen, also Christen aus nicht-jüdischer Kultur. Dennoch schlagen beide Briefe sehr verschiedene Töne an.
Der Galater-Brief ist eine gewichtige, strenge Zurechtweisung, während der der Epheser-Brief eine lange Ermutigung und Anleitung darstellt, beinahe wie eine Predigt. Wozu müssen die Epheser ermutigt werden, warum muss die Gemeinde in Galatien von Paulus hart zurechtgewiesen werden?
Nun, in Galatien waren Christen jüdischer Kultur aufgetreten und hatten begonnen, von den galatischen Christen die Einhaltung alttestamentlicher Gebote zu fordern, wie sie die Juden noch heute einhalten. Das betrifft Speisegesetze, Reinheitsgebote, Beschneidung und vieles mehr. Unter den Christen in Galatien hatte die Einhaltung von Normen, Gesetzen und Sitten inzwischen die gleiche Bedeutung bekommen, wie die gute Nachricht von Jesus Christus, durch den Gott zu uns kommt und Gottes Gnade zeigt. Man nennt das “Gesetzlichkeit”, die Christen in Galatien drohten, gesetzlich zu werden im Sinne von: “Wenn du ein richtiger Christ sein willst, dann musst du auch dieses und das und jenes tun.”
Damit die Christen in Galatien sich diesen Unsinn schnell wieder aus dem Kopf schlagen, muss Paulus teils drastische Töne ergreifen. Auf gut deutsch schreibt er: “Mensch, schmeißt das olle Gesetz endlich in die Tonne, nur euer Glaube an Jesus Christus ist wichtig.”
Ganz anders die Gemeinde in Ephesus. Im Epheserbrief erfahren wir, dass die Christen in dieser Gemeinde das Geheimnis des Glaubens begriffen haben. Sie haben verstanden, dass Christus geboren, gelebt, gestorben und auferstanden ist, und dass er wiederkommt. Mehr noch, sie kennen sogar den Heiligen Geist. Ihnen ist bewusst, dass Gottes Geist bei ihnen ist und ihnen Gottes Gegenwart vermittelt.
In Ephesus hapert es an anderer Stelle. Es scheint, dass den Worten keine Taten folgen. In der Gemeinde gibt es Diebe, es wird über andere gelästert, mancher und manche denkt nur an sich selbst. Paulus muss diese Menschen ermutigen, den nächsten Schritt zu gehen. Deswegen erklärt er ihnen breit und lang, was der Glaube mit Menschen tut, wie er sie verändert, wie er Denken, Wollen und Handeln beeinflusst. Offenbar würde den Christen in Ephesus ein bisschen mehr Gesetzlichkeit ganz gut tun.
Was für ein Glück, dass Paulus’ Briefe jeweils bei den richtigen Gemeinden angekommen sind. Was für ein Glück, dass er die Galater nicht aufgefordert hat, sich an noch mehr Gesetze zu halten. Was für ein Glück, dass er die Epheser nicht aufgefordert hat, sich nur auf den Glauben zu konzentrieren und das alltägliche Leben mal außer Acht zu lassen.
Beide Gemeinden wären sonst zu einem Alptraum geworden.
Die eine Gemeinde wäre zu einem Ort voller Regeln und voller Scheinheiligkeit verkommen, in ihr hätten Ansehen und Ruf die größte Rolle gespielt.
Die andere Gemeinde wäre zu einem Ort geworden, an dem trotz lieber Worte ständig Menschen verletzt und gekränkt werden, weil den Worten die Taten nicht folgen.
Einige von uns kennen solche Gemeinden, manche vielleicht sogar beide Extreme. Die, die so gesetzlich und regelversessen sind, und die, die immer nur schön reden, wo aber nie was passiert. Sicher ist manchmal auch unsere MCC ein Ort der Gesetzlichkeit, sicher ist manchmal auch unsere MCC ein Ort, an dem Worte und Taten weit auseinanderliegen. Wie gut, dass Paulus beide Briefe geschrieben hat, wie gut, dass wir uns angesprochen fühlen können und uns wiederfinden in den gleichen Erfahrungen, die auch andere Gemeinden machen.
Dieses Wissen tut uns gut, denn der Ruf unseres Predigttextes entspricht beim ersten Hören so ganz und gar nicht dem, wozu die MCC ihren Besuchern und Besucherinnen Mut machen möchte.
Das beginnt bereits damit, dass der Predigttext eine persönliche Meinung des Paulus ist, ein gutgemeinte Rüge oder Warnung, wie du sie auch von einer Pastorin oder einem guten Freund erhalten könntest.
Und dieser Ratschlag des Paulus ist eben keine Lobrede für Vielfalt, Diversität, Farbenpracht und individuelle Entfaltung.
Paulus fordert die Gemeinde in Ephesus nicht dazu auf, Konflikte zu wagen oder etwa schwere Kämpfe untereinander durchzustehen.
Er verspricht ihnen gerade nicht, dass der Friede Gottes auf kurz oder lang zum Frieden für alle wird.
Paulus zieht sich auch nicht auf eine Position zu zurück, die den Glauben radikal an erste Stelle setzt und alles andere als weniger wichtig erachtet. Seine Ratschläge betreffen fast alle das soziale Miteinander, erst die letzte Ermahnung schlägt eine Brücke zu Gottes Geist und ihrem Frieden.
“Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.”
Wie mögen diese Worte damals gewirkt haben?
Was mögen die Individualisten und Selbstverwirklicher gedacht haben, als sie diese väterliche Belehrung von einem alten Mann erhalten, der ins Gefängnis geworfen wurde, weil sein Leben sich an seinen Worten messen ließ? Schauten sie vielleicht beschämt zu Boden, widersprachen sie Paulus?
Und was ist mit dir und mir? Wie hört es sich für unsere Ohren an, wenn wir zu Demut, Zurückhaltung, Selbstzügelung, Geduld, Friedfertigkeit aufgerufen werden, aufgerufen werden müssen? Kann ich das wirklich begrüßen?
Oder regt sich in mir Widerspruch: “Aber mein Anliegen ist so wichtig, aber mein Glaube sollte diese Gemeinde doch viel mehr prägen, aber ich bin doch schon immer geduldig über alle Maßen, aber ich kann doch nicht immer einfach Ja und Amen sagen”?
Wie klingt der Gedanke für dich, dass Friede und Mühsal Hand in Hand gehen, dass Leben in Gemeinschaft und in Gemeinde für dich vielleicht nie ungetrübt und ohne Sorgen von statten geht?
Wie geht es dir damit, dass Gottes Friede sich vielleicht nie ganz entfaltet, wenn wir ihn nicht mit Kraft und Nachdruck suchen?
Wir feiern fast in jedem Gottesdienst miteinander den Friedensgruß, sprechen einander Gottes Frieden zu. Ist dir bewusst, dass dieser Friedensgruß manche von uns in Unfrieden bringt, sei es aus Angst vor körperlichem Kontakt oder aus Angst davor, ihn abzulehnen – sei es aus eigenen Problemen oder Problemen, die mit dir zu tun haben – sei es aus dem Gefühl von Gottesferne und Verzweiflung oder aus dem Gefühl, nicht in diese Gemeinde gehören zu können, wollen oder dürfen? Ist uns klar, dass unser Friedensgruß so oft auch ein Schmerzensgruß ist?
Wie können wir, die wir so unterschiedlich sind und so verschiedene Vorstellungen von Frieden haben, wie können wir gemeinsam nach dem suchen, was Gott lächeln macht? Wie können wir einander ertragen, Geduld üben, und uns bemühen, die Einheit des Geistes zu wahren, und wie sieht der Friede aus, der uns zusammenhalten kann?
[Einkehr]
Lesung (im Anschluss an Stille nach der Predigt):
L1: Ein Leib
L2: und ein Geist
L3: wie uns durch unsere Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist.
L1: Ein Herr,
L2: ein Glaube,
L3: eine Taufe,
L1: ein Gott und Vater aller,
L2: der über allem,
L3: die durch alles,
L1: der in allem ist.
Bitte um Vergebung + Fürbitte
Gott, wir bekennen, diese Welt ist kein friedlicher Ort, und wir, deine Menschen, mühen uns oft nicht so um deinen Frieden, wie wir könnten. Hilf uns, dass unser Sehnen nach Frieden sich in unserem Handeln ausdrücken kann.
Christus, erhöre uns.
Gott, wir bitten dich für die Flüchtlinge auf der ganzen Welt, in Lateinamerika, in Syrien, im Irak, in Palästina, in Deutschland. Hilf ihnen, dass sie nicht vergessen, was Frieden ist. Hilf uns, dass wir sie bei uns herzlich empfangen mit Gedanken des Friedens. Hilf ihren Ländern, dass Gewalt und Terror ein Ende finden. Hilf ihren Verfolgern, dass sie wieder lieben können.
Christus, erhöre uns.
Gott, wir bekennen, wir sind oft nicht demütig. Wir sorgen uns darum, was andere Menschen von uns denken könnten und machen diese Gedanken für uns zu bestimmenden Gedanken. Hilf uns, dass wir demütig sein können, weil wir uns nicht besser oder schlechter machen brauchen, als du uns geschaffen hast. Lass uns Frieden finden vor den Geistern, die uns zuflüsten, dass wir mehr sein müssen, als wir sind.
Christus, erhöre uns.
Gott, hilf uns und anderen, die dazu neigen, über Menschen zu richten, dass wir gnädig sind. Lass niemandem alleine sei, wenn er wegen seiner Hautfarbe, seiner Geschlechts, seiner Sexualität, seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Körpers gering geachtet wird. Sende deinen Geist, dass er gerade auch Jugendlichen und ihren Eltern Gedanken der Wahrheit und Wertschätzung für sich selbst und andere gibt.
Christus, erhöre uns.
Gott, wir bekennen dir, dass wir oft uneins sind. Wir scheuen die Einheit mit anderen Menschen, auch anderen Christen und Christinnen, denn wir fürchten oft um unser Bild von dir. Gott, wir bekennen dir, dass wir dich oft nicht zur Quelle unserer Einheit machen, sondern nach guter Gemeinschaft, gleichen Meinungen, gemeinsamen Vorstellungen und Ähnlichkeiten suchen. Hilf uns und allen Kirchen, dass wir uns nicht verschließen voreinander, dass wir unsere Einheit erkennen.
Christus, erhöre uns.
Gott, in der Stille bringen wir vor dich, was deinen Frieden braucht. Wir können für uns selbst beten, aber auch für die Menschen, die du uns anvertraut hast.
[Stille]
Christus, erhöre uns.
Gott, wir bekennen dir, dass uns oft die Worte fehlen für dich und für einander. Wir danken dir, Jesus Christus, dass du uns Worte gelehrt hast, mit denen wir uns immer an dich wenden können. Darum wollen wir nun gemeinsam zu dir mit diesen Worten beten.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, …
Denn du, Herr Jesus, bist der Freund der Menschen. Du hebst uns auf, wenn wir am Boden sind, und du hältst uns an den Händen, wenn wir drohen, vom Boden abzuheben. Wir loben und preisen dich mit dem Vater und dem Heiligen Geist.
AMEN.