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Home | Da war das berührende Erlebnis wichtiger als Gottes verbietendes Wort.

Da war das berührende Erlebnis wichtiger als Gottes verbietendes Wort.

Predigt MCC Köln, 17. Sept. 2017
Daniel Großer

Markus 1,40-45 „Heilung eines Aussätzigen“

“Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker” (Matth. 28, 19a) – so lautet der sogenannte Missionsbefehl, auf den sich viele Christinnen und Christen berufen.
Ganz anders aber der heutige Bibeltext: “Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst” (Mk. 1, 44a) – hier gibt Jesus quasi den “Nicht-Missions-Befehl”.

Ich denke, manch eifrigem Fan Jesu dürfte diese Stelle ein Dorn im Auge sein. Da befindet sich Jesus so richtig im Aufschwung, beruft seine Jünger und die Kunde von ihm macht sich endlich mal breit, und was tut der Heiland der Welt? Er versucht, positive Publicity zu vermeiden.

Leider lässt das Markusevangelium es offen, aus welchen Gründen Jesus den Mann bedrohte, warum er ihn zum Schweigen bringen wollte. Wusste Jesus vielleicht schon, welche Provokation seine Art der Heilung für die Mächtigen seiner Zeit bedeutete, wenn er Menschen eben auch von Sünde und gesellschaftlichen Zwängen befreite und neue Prioritäten schuf? Wäre es ihm vielleicht lieber gewesen, dass die Leute nicht auf seine Wunder, sondern auf seine Worte schauen? War er sich womöglich seiner Sache doch noch nicht ganz sicher? Oder fürchtete er, was mit dem Geheilten passieren könnte, wenn man ihm keinen Glauben schenken sollte?

Ich weiß es nicht. Das Markus-Evangelium beschenkt uns lediglich mit einer der sonderbarsten Aussage Jesu: “Erzähl nicht davon, was du mit mir erlebt hast.”

Diese Aussage ist mir fremd, aber nicht weniger fremd ist mir der Missionsbefehl oder das, wofür er die Rechtfertigung sein soll.

Ein bisschen können sie einem ja auch Leid tun, die Männer und Frauen, die mit ihren oft laienhaften Ständen in den Fußgängerzonen stehen und mal mehr, mal weniger euphorisch ihre Mitmenschen in ein Gespräch über Gott verwickeln möchten. Weil der Missionsbefehl es so will. Vielleicht lächeln wir aber auch spöttisch über die Jugendgruppen der Pfingstgemeinden, die mit Jesus-Bannern und sehr plakativen Aussagen durch die Vororte ziehen. Weil der Missionsbefehl es so will. Womöglich dreht sich dir der Magen bei der Vorstellung, an einem Straßenprediger vorbeizugehen, weil du eines bestimmt nicht brauchen kannst: dich schon wieder in einen Zwang hinein bekehren zu müssen; aber er steht da. Weil der Missionsbefehl es so will. Oder in dir werden schaurige Erinnerungen wach an die fromme Tante in deiner Familie, die dir gerne wichtige geistliche Erkenntnisse mit auf den Weg geben mochte, aber sich aber sonst nicht allzu sehr für deinen Alltag interessierte. Sie meinte es ja nur gut mit dir – weil der Missionsbefehl es so will.

Die Geschichte der schlecht gemachten Missionsversuche ist lang und überaus ergiebig an neuen Tiefpunkten, sie reicht bis in unsere Gegenwart hinein und wird noch weit über sie hinaus gehen. Sie wurde vor, während und nach der MCC geschrieben, und gewisslich auch durch sie.
Ich selbst kann von mir im übrigen behaupten, meinen Anteil an dieser unglückseligen Geschichte zu haben. Geschenkt!

Nun gibt es nicht wenige Christinnen und Christen, denen der Missionsbefehl darüber sehr lästig geworden ist, und für die das ganze Thema “Reden von Gott” ein rotes Tuch ist. Der Glaube wird zur Privatsache, man geht Sonntags in die Kirche aber viele Worte verliert man nicht darüber, und auch sonst braucht eigentlich keiner zu wissen, was man glaubt. Da kommt der heutige Predigttext natürlich ganz gelegen, denn natürlich ist Jesus gut, aber man erzählt besser nicht von dem, was Gott tut, und schon gar nicht in der Öffentlichkeit.

Und so wird es leise. Je weniger wir von Gott sprechen, desto mehr verlernen wir, wie das überhaupt geht. Wir vergessen, wie wir unserem Glauben Ausdruck geben. Er zieht sich erst aus unserem Alltag, dann aus unserem Sonntag, und zuletzt aus unserem Herzen zurück.

Insofern bin ich den Evangelisten dankbar für den heutigen Predigttext! Der Aussätzige setzt sich nämlich ungestraft über den Befehl Jesu hinweg, nichts zu sagen. (Auch das dürfte so manchem frommen Christen ein Dorn im Auge sein, ist Jesus denn nicht die höchste Autorität…?) Stattdessen nimmt er seine Gotteserfahrung mit in seinen Alltag und berichtet allen Menschen vom Wunder seiner Heilung und dem, der es gewirkt hat. Ja, trotz dieser Befehlsverweigerung wird ihm die Ehre zuteil, ein Teil des Evangeliums zu sein. Irgendwas hat er wohl richtig gemacht, nicht wahr? Und wenn es nur das war, ein lebendiger Zeuge für das Heil in Christus zu sein.

Der Volksmund sagt: “Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über”. Genau das lebte uns der geheilte Aussätzige vor. Vielleicht kann er uns ein Vorbild sein. Nicht etwa darin, dass wir die unglückselige Geschichte der schlecht gemachten Mission fortschreiben – davor bewahre Gott uns alle. Aber vielleicht stößt er ein paar Fragen in uns an.

  • Da wäre zum einen das Erleben Gottes. Was hast du denn mit Gott erlebt? Was weißt du von Gott aus eigener Erfahrung? Wie ist dir etwas von Gott begegnet, das dich glauben lässt? Was treibt dich an, dich in einen Gottesdienst zu setzen?
  • Und dann ist da dieses zweite: Was wäre das für ein Rahmen, in dem du darüber sprechen würdest? Wer ist dir wichtig genug, dass du mit ihm oder ihr teilen möchtest, was an Glauben in dir ist? Wer wäre dir wichtig genug, dass du wissen willst, wie er oder sie Gott erlebt? Wie würde so etwas überhaupt für dich aussehen, ein geistliches Gespräch, in dem du dich wohl und geborgen fühlst?

Wenn der gütig Gott für dich eine prägende Quelle ist, dann dürfen diese Fragen dich begleiten und dich ermuntern, nach Wegen zu suchen, um deinem Glauben Worte und Form zu geben. Denn es sind Worte des ewigen Lebens. Lass dich nicht davon abhalten, dass du dich für einen schlechten Redner oder eine Frau der Tat und nicht der Worte hältst, denn der Glaube ist wie die Liebe zu einem anderen Menschen: Es ist gut zu wissen, dass man sich liebt – und trotzdem muss man es sich immer wieder auch sagen und sagen lassen, um es auch zu erfahren.

Für uns Predigende in der MCC und Liturgen ist es einfach: Wir sind regelmäßig gefragt, von, mit und über Gott zu sprechen. Mit mir persönlich macht das übrigens durchaus etwas, ich bin selbst der bedürftigste Hörer meiner Predigt. Vielleicht können es andere Mitwirkende der Gottesdienste bestätigen, dass es dem eigenen Glauben gut tut, wenn er Gestalt gewinnen darf. Gemeinde kann hierfür ein guter und sicherer Übungsplatz sein, aber sie ist nicht die einzige Gelegenheit. Hast du z.B. ein Kreuz in deiner Wohnung? Vielleicht würde es dir gut tun, ein Symbol deines Hausherrn in deinem Hause zu haben – und wer weiß, vielleicht schafft es beiläufig Anreiz, darüber zu reden? Oder wie wäre das Experiment, wenn du dich beim nächsten Besuch von den Kindern in deiner Familie ganz formlos und schlicht mit den Worten verabschiedest: “Tschüß, ich habe mich gefreut dich zu sehn, unser guter Gott segne dich, bis bald”?

Ich wünsche dir und mir, dass wir Worte und Formen finden, die uns gemäß sind – nicht zu klein und nicht zu groß – und dass wir sie mit unserem Leben begreifen, so wie es dem von Jesus Geheilten möglich war.

AMEN.

Segen

(zu sprechen von 2 LiturgInnen)

Durch ein Wort schuf Gott die Welt.
Gott, der diese Welt schuf durch ein Wort,
segne dich.
Er gebe dir die Worte, die du sagen kannst.

In seinem Leben und Sterben wirkt Jesus das ewige Leben.
Jesus, der Weg zur Leben,
segne dich.
Er lasse dich überschäumen vor Lebendigkeit und sei das Funkeln in deinen Augen.

Gottes Atem, der Heilige Geist, die Ruach, umgibt und durchdringt uns mit Gottes Nähe.
Die Ruach, Stimme des Glaubens,
segne dich.
Sie sei dein Kompass und dein Halt.

So segne dich der vielseitige und eine Gott.
AMEN.

 

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