Kurzpredigt MCC Köln, 20. Oktober 2019
Stefan Bauer
Thema: Bitte um Vergebung
Lesung:
Psalm 103,1-12 (NGÜ)
Kurzpredigt (Impulse vor der Bildbetrachtung):
Das Thema der heutigen Bildbetrachtung ist die „Bitte um Vergebung“. Also geht es nicht um die Vergebung an sich, die ein vielschichtiges Thema ist.
Wir haben den Gottesdienst mit der „Bitte um Vergebung“ begonnen. Dies sollte unter anderem auch eine Anspielung auf die historische Herkunft der „Bitte um Vergebung“ in der Liturgie sein. Ursprünglich wurde die „Bitte um Vergebung“ als Rüstgebet noch vor dem Gottesdienst vom Geistlichen gebetet, sozusagen eine „innere Reinigung“ vor den liturgischen Handlungen.
Nun haben wir auch den Psalm 103 gehört, der besagt, dass uns Gott all unsere Schuld vergibt.
Jetzt kann man berechtigterweise fragen: Warum bitten wir dann im Gottesdienst um Vergebung, wenn sowieso klar ist, dass uns Gott alles vergibt? Warum sollen wir dann noch darum bitten?
Im Jahr 2016 gab es eine interessante Studie zum Thema „Entschuldigen“ von der Ohio State University1. Ihr zufolge gibt es 6 wichtige Elemente die bei einer wirksamen Entschuldigung eine Rolle Spielen:
- Um Entschuldigung bitten
- Erklären, was aus eigener Sicht schiefgelaufen ist
- Verantwortung uneingeschränkt übernehmen
- Reue bekunden
- Angebot den Schaden wiedergutzumachen
- Bitte um Vergebung
Grundsätzlich gilt den Ergebnissen der Untersuchung zufolge: Je mehr dieser Elemente eine Entschuldigung enthält, desto besser.
Als allerwichtigste Komponente bei einer wirksamen Entschuldigung stellte sich der Punkt 3 heraus: Verantwortung übernehmen. Die Bitte um Vergebung (Punkt 6) könne man sich für sich alleine genommen sparen.
Und genau darum geht es, wenn wir im Gottesdienst um Vergebung bitten: Verantwortung für unser Handeln zu spüren, diese Verantwortung anzunehmen und die Verantwortung zu übernehmen. Und zwar in erster Linie für uns selbst, damit wir uns selbst vergeben können. Wo dies nicht möglich ist, bleibt uns die Gewissheit, dass Gott uns schon vergeben hat.
Das Gemälde, das wir nun für einige Zeit betrachten können, stellt den verlorenen Sohn, von dem im Lukasevangelium die Rede ist, dar. Er hat sein Erbe verprasst und lebt jetzt als Hirte unter den Schweinen, der selbst das Schweinefutter nicht essen darf. Man sieht, er ist verzweifelt, die Hände betend und bittend in Richtung Himmel gerichtet.
17 Jetzt kam er zur Besinnung. Er sagte sich: ›Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, und alle haben mehr als genug zu essen! Ich dagegen komme hier vor Hunger um.
18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt;
19 ich bin es nicht mehr wert, dein Sohn genannt zu werden. Mach mich zu einem deiner Tagelöhner!‹Lukas 15,17-19
Er übernimmt also die volle Verantwortung für sein Tun. Der Vater hat ihm bereits vergeben, als er den Sohn schon von Weitem kommen sieht. Das Licht links am Horizont und das Licht, welches von rechts auf seinen Rücken wärmt, könnte man als die bereits erfolgte Vergebung deuten, ebenso wie die roten Blumen in der trostlosen Landschaft.
Ihr habt nun Gelegenheit, einige Minuten, bei einer Musik2, das Bild zu betrachten und das Thema Vergebung in euch zu bewegen.
Zusätzlich bitte ich euch, auf den ausgeteilten Zetteln EINE Bitte um Vergebung für die Taten oder Nichttaten einer Person aus eurem Bekannten- oder Familienkreis zu formulieren. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Taten, die Euch betreffen, sondern andere. Nicht Ihr sollt vergeben, sondern eine Bitte um Vergebung für diese Person formulieren. Ein Beispiel wäre: „Ich bitte um Vergebung für meine Freundin, die Ihre Frau hintergeht.“ Die Zettel werden nicht vorgelesen, sondern es wäre schön, wenn ihr Euch euren Zettel in die Tasche steckt und ihn einige Zeit mit euch herumtragt.
1 Roy Lewicki, Negotiation and Conflict Management Research, 2016
2 Soeur Marie Keyrouz – Chants sacrés de l’Orient, Ayyatuha-s-sayyidatu, extroit de l’Office de la Paraklisis, 6è ïchos