Predigt MCC Köln 7. Feb. 2016
Daniel Großer
Markus 8,31-39: „Die erste Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung“
Menschen, die das Neue Testament lesen, bleiben nicht selten an dieser Stelle stehen und halten im Lesen inne.
Unser Bibeltext für diesen Sonntag bildet einen denkwürdigen Einschnitt in das Geschehen des Neuen Testaments: Jesus spricht erstmals von seinem Sterben und weist Petrus mit den drastischen Worten “Fort von mir, Satan” zurecht.
Die Bedeutung dieser Geschichte wird nochmals dadurch unterstrichen, dass sowohl das Matthäusevangelium als auch das Lukasevangelium sie praktisch baugleich beinhalten, selbst im Johannesevangelium finden sich teils wortgleiche Teile davon wieder. Offensichtlich hielten es die Redakteure und Redakteurinnen der Bibel für einen unverzichtbaren Bestandteil der Heilsgeschichte Jesu, und heute befindet er sich auf unserem gedanklichen Seziertisch.
Ich möchte unsere OP damit beginnen, einen großen Klumpen aus dem Weg zu räumen, der mir und anderen den Zugang zu diesem Text schnell erschweren kann: “Fort mit dir Satan”. So spricht Jesus zu Petrus, seinem vielleicht eifrigsten Jünger.
Uns kommen diese Worte so hart und krass vor, dass sie die Stelle sprachlich zu beherrschen scheinen. Werfen wir deswegen schnell einen Blick auf das persönliche Geschehen zwischen Petrus und Jesus.
Unmittelbar vor unserem Predigttext bekennt Petrus, dass Jesus der Christus ist. Das heißt: Petrus erkennt in Jesus den Sohn Gottes, den Retter der Welt, den Heiland, den herbeigesehnten König, den Friedensbringer und Herr. Im Matthäusevangelium wird diese Erkenntnis als so eindringlich und wichtig beschrieben, dass er ihr seinen Namen und damit seine Identität verdankt: Der Jünger, der bis dahin nur Simon heißt, bekommt von Jesus den neuen Namen “Petrus”, das heißt “Fels”. Petrus hat also einen Moment der Gotteserkenntnis, und dieser Moment gestaltet ihn um und prägt ihn bis in die Tiefe hinein.
Nun aber erzählt ihm eben dieser Jesus Christus, dass er leiden und sterben müsse, und Petrus lehnt diese Aussage ab und bedrängt Jesus, sich so nicht zu äußern.
Was mag ihn dazu bewegt haben? Es mag Mitleid mit Jesus gewesen sein, oder Angst vor dem Umsturz seiner eigenen Glaubensvorstellungen, oder taktisches Kalkül – wir wissen es nicht. Aber indem Petrus Jesus bedrängt, eine Aussage zurückzuhalten, erhöht er sich über den Herrscher und Heiland der Welt, über dem niemand steht. Diese Überhöhung passt überhaupt nicht zu jemandem, der die Bedeutung Jesu Christi gerade erst so intensiv erkannt hat.
Jesus ist gütig genug, Petrus unmittelbar zu ent-täuschen im besten Sinne des Wortes: “Fort von mir, Satan! Du betrachtest alles nur aus menschlicher Sicht und nicht aus der Sicht Gottes.”
Damit greift Jesus der Gotteserkenntnis des Petrus unter die Arme, indem er unmissverständlich feststellt: “Ich bin der Herr und Heiland der Welt, niemand verfügt über mich – auch du nicht, Petrus.”
Was für uns hart und kaltherzig klingen mag, ist also in Wirklichkeit eine Wiederholungsübung für Petrus, damit dessen Glaube festhält an der Erkenntnis, dass Jesus der Christus ist. Auf die Basis dieses Glaubens stellt Jesus den Petrus, und nicht etwa auf die Basis der Angst oder der eigenen Zukunftsplanung.
Nun wird der Blick frei auf die anderen Worte der Bibelstelle, die sich gleichermaßen an die Jünger richten wie auch an uns. Wir können sie verstehen, wenn wir sie aus der Perspektive des Petrus lesen. Das bedeutet: Diese Worte spricht zu uns Jesus der Christus, der Heilsbringer, der Heiland und Herrscher, der König und wahre Gott, der Friedefürst, über dem niemand steht.
Drei Aspekte verdeutlicht der Christus seinen Jüngern damals wie heute. Sie erschließen sich, wenn wir den Text von hinten nach vorne lesen.
1. Der Christus wird einmal wiederkommen “mit den heiligen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters”
Diese Aussage steckt den Rahmen fest und unterstreicht Jesus in seiner Rolle als Herrscher der Welt. In einer nicht näher bezeichneten Zukunft kündigt Jesus Christus seine triumphale, alles überschattende, glanzvolle und herrliche Wiederkunft an. Der rechtmäßige Herrscher nimmt seinen rechtmäßigen Platz ein. Er kann es, weil es ihm niemand verwehrt, denn niemand steht über ihm – er ist der Christus.
Der feste Glaube an diese Wiederkunft ist Teil unseres Glaubensbekenntnisses, und der christliche Glaube ist immer auch ein Glaube mit dem Seitenblick auf das Ende der Zeit – und da steht für uns Jesus Christus. Egal was bis dahin passiert – das Ende wird grandios und keiner wird es vermasseln. Jesus der Christus behält die Oberhand, ob wir nun leben oder sterben.
2. Schämt euch nicht für den Menschensohn
Da wir nun wissen, dass Jesus Christus letztlich als siegreicher Friedefürst dasteht, als prächtiger, glanzvoller König – warum sollten wir uns für ihn schämen? Für einen wunderbaren Erlöser und Heiland gibt es keinen Grund, Scham zu empfinden. Wer an Jesus als Christus glaubt, der kann sich immer wieder vergegenwärtigen, welchem Herrn er dient. Es ist gewisslich keiner, für den wir uns schämen müssten, denn er ist die Liebe selbst.
Dennoch warnt Jesus seine Jüngerinnen und Jünger davor, sich seiner zu schämen. Den Grund dafür kennt keiner besser als Petrus: Jesus bewahrt Petrus mit schroffen Worten davor, den gesunden Glauben zu verlieren. Und uns warnt er vor der Scham, damit wir den gesunden Glauben nicht verlieren. Überhöhen wir uns nicht, indem wir uns schämen für den König der Welt. Wenn dich Gedanken der Scham für deinen Glauben beschleichen, dann halte inne und führe dir vor Augen, wer diesen Glauben gestiftet hat: Christus selbst, der über allem steht. Was ist es wert, sich für diesen Heiland, der die Liebe selbst ist, zu schämen?
Jesu Warnung kann uns zur Besinnung führen, wenn unsere Gedanken sich in Mode, Lifestyle, Gefälligkeit, Anerkennung, Furcht und Neid zu verlieren drohen.
3. Wer dem Heiland nachfolgt, der gewinnt das Leben
Der christliche Glaube eignet sich für vieles, jedoch nicht zum bedenkenlosen Zuckerschlecken. Jesus macht an dieser und vielen vielen anderen Stellen deutlich, dass Leben mit Gott auf Widerstand treffen wird. Das Christentum ist naturgemäß kein Wohlstands- oder Lifestyle-Glaube. Selbst die Autoren des Alten Testaments klagen darüber, dass Gottes Kinder es überhaupt nicht leichter zu haben scheinen im Leben – eher umgekehrt.
Wenn Jesus seine Jünger und Jüngerinnen auffordert, sich selbst zu verleugnen und ihr Kreuz auf sich zu nehmen, dann meint er damit nicht Selbstzerstörung, Selbstdemontage oder Selbsterniedrigung. Stattdessen spricht er von einem Leben, dass sich auf die Nachfolge Christi konzentriert. Und dieses Leben ist nicht deckungsgleich das diesseitige körperliche Dasein. Das Wort “Leben” in unserem Bibeltext wird gerne auch als “Seele” übersetzt und umgekehrt. Es ist zeitlos. Für Jesus bedeutet dein Leben also weit mehr, als ob du genug zu essen hast, gesund oder krank bist, ob du rote, gelbe, lange oder gar keine Haare hast, ob du Hartz 4 beziehst oder Chef der Weltbank bist, ob du viel Freunde hast oder Einzelgänger bist, ob du mit 20 oder 80 stirbst, ob du ein Loser oder ein Player bist. Das Leben, das Jesus meint, wurzelt im Glauben an ihn, und es prägt dich mindestens genau so, wie du es. Dieses Leben beginnt im Jetzt, und es hat einen Balkon mit Ausblick auf die Ewigkeit. Jesus lädt seine Nachfolgerinnen und Nachfolger ein, diesen Balkon immer mal wieder zu betreten, die Aussicht zu genießen, und die Freude daran mitzunehmen dahin, wo sonst nur Kreuze stehen, wo alle Wände den Blick einzuengen scheinen.
In diesem Glauben, in diesem Leben der Zuversicht und Aussicht erhalte uns Gott. AMEN.