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Anderes Leben, anderer Glaubensbezug. (Eben nicht: unveränderliches Ideal, Regelwerk oder Einüben.)

Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
17. März 2024

1. Timotheus 2,1.8-13 / 3,1-12 / 6,1+2

Ich glaube, manche Texte entfalten ihren Segen dadurch, dass sie uns befremden. Sie „erlauben“ uns damit Irritation und Abgrenzung – zwei Erfahrungen, die in der Bibel oft vorkommen, aber die der Bibel gegenüber selten also solche wertgeschätzt werden.

1 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.

8 So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel. 9 Desgleichen, dass die Frauen in schicklicher Kleidung sich schmücken mit Anstand und Besonnenheit, nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand, 10 sondern, wie sich’s ziemt für Frauen, die ihre Frömmigkeit bekunden wollen, mit guten Werken. 11 Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. 12 Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann herrsche, sondern sie sei still. (…) 15 Sie wird aber gerettet werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung.

1 Das ist gewisslich wahr: Wenn jemand ein Bischofsamt[1] erstrebt, begehrt er eine hohe Aufgabe. 2 Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau, nüchtern, besonnen, würdig, gastfrei, geschickt im Lehren, 3 kein Säufer, nicht gewalttätig, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht geldgierig, 4 einer, der seinem eigenen Haus gut vorsteht und gehorsame Kinder hat, in aller Ehrbarkeit. 5 Denn wenn jemand seinem eigenen Haus nicht vorzustehen weiß, wie soll er für die Gemeinde Gottes sorgen? 6 Er soll kein Neugetaufter sein, damit er sich nicht aufblase und dem Urteil des Teufels verfalle. 7 Er muss aber auch einen guten Ruf haben bei denen, die draußen sind, damit er nicht geschmäht werde und sich nicht fange in der Schlinge des Teufels.

8 Desgleichen sollen die Diakone ehrbar sein, nicht doppelzüngig, keine Säufer, nicht schändlichen Gewinn suchen; 9 sie sollen das Geheimnis des Glaubens mit reinem Gewissen bewahren. 10 Und man soll sie zuvor prüfen, und wenn sie untadelig sind, sollen sie den Dienst versehen. 11 Desgleichen sollen die Frauen ehrbar sein, nicht verleumderisch, nüchtern, treu in allen Dingen. 12 Die Diakone sollen ein jeder der Mann einer einzigen Frau sein und ihren Kindern und ihrem eigenen Haus gut vorstehen.

1 Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten, damit nicht gegen den Namen Gottes und die Lehre gelästert werde. 2 Welche aber gläubige Herren haben, sollen diese nicht verachten, weil sie Brüder sind, sondern sollen ihnen umso mehr dienstbar sein, weil sie gläubig und geliebt sind und sich bemühen, Gutes zu tun. So lehre und mahne!

1. Timotheus 2,1.8-13 / 3,1-12 / 6,1+2
Lutherbibel 2017

(s.a. Einführungstext zu 1. Timotheusbrief in der BigS!)

 

Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins und repräsentiert die Gemeinde.
Bei Entscheidungen sollen Meinungen unterschiedlicher Geschlechter, Altersgruppen, konfessioneller Prägungen, Lebensumstände und Interessengruppen berücksichtigt werden. Um dies sicher zu stellen, soll die personelle Besetzung im Vorstand
1) möglichst vielfältig sein
2) möglichst die Verschiedenheit der Zusammensetzung der Gemeinde abbilden.
Stehen keine geeigneten Kandidaten zur Verfügung, kann von dieser Prämisse abgewichen werden.
Kandidaten müssen vor dem Wahlgang ihr Einverständnis abgeben. Niemand darf zur Kandidatur gedrängt werden.

Geschäftsordnung der MCC Köln, 4.3.2

Hier finden wir ein gutes Beispiel für die Frage: „Was ist biblisch?“ Meiner Meinung nach können wir zwei verschiedene Ebenen betrachten:

Erstens, auf inhaltlicher Ebene lässt sich dazu sagen: Inhaltlich mag sich manches decken mit heutigen Meinungen zu der Frage, wer geeignet ist, bestimmte Ämter in einer Gemeinde auszuüben. Allerdings gilt es auch festzustellen:

  • Es finden sich auch schon IN der Bibel ganz andere Ansichten und Aussagen, auch in den anderen Briefen an Gemeinden im Neuen Testament; z.B. mit Frauen als Briefadressatin und der Annahme von Sklaven als freie Brüder (beides: Philemonbrief). Im Galaterbrief wird explizit Paulus’ Überzeugung verbreitet, dass es in Christus nicht Frauen und Männer gibt, genau so wenig wie Sklaven und Freie. Genau die Kategorien, die im Timotheusbrief als ausschlaggebend herangezogen werden, sind also an früherer Stelle gänzlich aufgehoben.
  • Verboten werden müssen meistens nur Sachen, die es ja gibt. Hier also z.B.: Männer, die mehrere Frauen haben; Frauen, die lehren; etc. All das gibt es offenbar in der Gemeinde, und zwar offenbar so selbstverständlich, dass es hier moralisiert und verurteilt werden muss (wenn sich alle einig wären, dass das zum Ausschluss aus Ämtern führt, müsste es nicht erwähnt werden).
  • Was hiervon hält wirklich stand im Vergleich mit dem Leben und den Worten Jesu? Jesus wurde vorgeworfen, zu viel mit „Säufern und Fressern“ zu tun gehabt zu haben. Warum sollte er zu Lebenszeiten den Kontakt mit ihnen gesucht haben, aber im Nachhinein jeder von ihnen abgelehnt werden als „zu wenig im Kontakt mit Jesus“?

Auf inhaltlicher Ebene gibt also Meinungsvielfalt; innerhalb der Bibel UND im Vergleich zu heutigen Meinungen (die in unterschiedlichen christlichen Kontexten immer noch so unterschiedlich sind wie innerhalb der Bibel). Manche würden sagen, dass wir mit unserer Gemeindekultur angesichts des Timotheusbriefes NICHT „biblisch“ seien.

Zweitens, auf der struktureller Ebene lässt sich dazu sagen:

  • Allerdings unterscheiden wir uns NICHT vom Timotheusbrief in dem Bedürfnis, DASS es einen Austausch darüber gibt, wie eine Gemeinde sich organisieren und miteinander umgehen möchte. Genau dafür haben wir ja unsere Satzung und GO (Geschäftsordnung)!

Auf der Strukturebene SIND wir also auf jeden Fall auch im Sinne des Timotheusbriefes uneingeschränkt „biblisch“.

Und genau diese Mischung finde ich sehr gesund:

Dass ich Themen in den Briefen des Neuen Testaments wiederfinde, die auch uns als Gemeinde beschäftigen, verbindet mich mit den Erfahrungen von christlich glaubenden Menschen über Orte und Zeiten hinweg.

Dass diese Themen aber jeweils im Kontext behandelt und spezifisch geklärt werden, verbindet mich ebenso mit den Erfahrungen von christlich glaubenden Menschen über Orte und Zeiten hinweg.

Wir mögen zu unterschiedlichen Antworten kommen, aber unser Glaube ist nun mal kein Regelwerk, sondern entfaltet sich in seiner Relevanz immer im Konkreten. Christlichen Glauben gibt es nicht als abstrakte Idee oder als über allem stehende Lehre, die überall auf dieselbe Weise eingeübt und praktiziert werden kann. (Das gilt schon für Jesus Christus selbst: Er lebte in einer echten/konkreten Zeit an einem echten/konkreten Ort. Alles Niedergeschriebene ist entstanden im Zusammenwirken mit Menschen und aus deren Erleben und Erinnern verfasst. Anders als in anderen Religionen oder Weltanschauungen ist hier nichts „vom Himmel diktiert“ worden oder als Lehre oder Praxis weitergebbar.)

Ich denke, dass auch manche Struggles von Menschen mit Gemeinden und Gemeindeleben damit zusammenhängen: Aus meiner Sicht treffen hier nicht unbedingt immer „Glaubens-Probleme“ aufeinander, sondern manche Probleme entstehen vielleicht auch durch Verschiebungen der eigenen Kontexte: Vielleicht ändert sich etwas in meinem Leben, ich sehe manche Dinge anders als früher, ich erlebe Dinge anders als früher? Wenn das keine Auswirkungen darauf hat, wie ich meinem Glauben erlebe, wäre das höchst seltsam! So ein Glaube wäre starr und eben NICHT mit dem Leben verbunden.

G*tt, wie wir nin bei Jesus erleben, IST aber in unserer Gegenwart gegenwärtig, IST (mit) unserem Leben und Erleben verbunden, IST eingewoben in allem, was wir an leben erleben oder vermissen – und was sich eben manchmal auch verändert.

Möge die MCC es möglich machen, die Veränderungen und Kontinuitäten in deinem Leben mit einem Glaubensleben zu verbinden, in dem G*tt nicht nur in einem einzigen Kontext für dich da sein kann, sondern auch in Neuanfängen, Aufbrüchen, Abschieden – und Alltäglichkeiten.

 

 

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