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Andere in der Gemeinde nerven dich oder übersehen dich?

Impuls MCC Köln, 23. Oktober 2022
Ines-Paul Baumann

1. Kor. 11,17b.20-22.33+34a

Wenn individuelle und strukturelle Unterschiede im Umgang mit Bedürfnissen zu groß werden, kann es zu Unstimmigkeiten, Reibungen und Überforderung kommen. Was tun? Hier drei Vorschläge aus dem ersten Korintherbrief:

17 (…) Ich kann es nicht loben, dass ihr zum Schaden, nicht zum Nutzen zusammenkommt.
(…)
20 Wie sieht es denn nun bei euren Zusammenkünften aus? Ihr nehmt zwar alle am selben Ort eine Mahlzeit ein, aber als Mahl des Herrn kann man dieses Essen nicht bezeichnen;
21 es ist die Privatmahlzeit jedes Einzelnen. Denn statt zu warten, bis alle da sind, beginnt jeder für sich zu essen, und so kommt es, dass der eine hungrig bleibt, während der andere im Übermaß isst und sich sogar betrinkt.
22 Könnt ihr denn nicht bei euch zu Hause essen und trinken? Oder bedeutet euch die Gemeinde Gottes so wenig, dass es euch nichts ausmacht, die bloßzustellen, die nichts haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch loben? In diesem Punkt lobe ich euch nicht.
(…)
33 Was bedeutet das konkret, liebe Geschwister? Wenn ihr zusammenkommt, um miteinander zu essen und das Mahl des Herrn zu feiern, dann nehmt aufeinander Rücksicht und wartet, bis alle da sind.
34 Wenn jemand so hungrig ist, dass er nicht warten kann, soll er zu Hause essen.

1. Kor. 11,17b.20-22.33+34a
(Bibel in gerechter Sprache & Neue Genfer Übersetzung)

1. KORRIGIEREN STATT AUSSCHLIESSEN

Hier geht es um diejenigen, die zu wenig auf die (vielleicht begrenzteren) Ressourcen und Erfahrungen anderer achten. Klar, du könntest sie ignorieren, in Gesprächen links liegen lassen, oder einfach erleichtert sein, wenn sie nicht auftauchen. Paulus geht anders vor: Paulus findet offene Worte und gibt ihnen dadurch eine Chance zu Veränderung, Das Ziel ist ihre Einbindung in gelingende Gemeinschaft – statt Abwarten, Ausgrenzen oder Wegschicken.

2. AUF MEINE BEDÜRFNISSE ANGEMESSEN EINGEHEN

Hier geht es darum, auf mich zu achten: Meine Bedürfnisse nicht zu ignorieren, sondern mich ihnen an geeigneten Orten zu widmen (manchmal halt auch außerhalb der Gemeinde).
Paulus sagt ja nicht, dass die Menschen in der Gemeinde ihren körperlichen Hunger aushalten, ignorieren oder hochhalten sollen. Sie sollen ihren Hunger durchaus wahrnehmen und stillen!
Was Paulus dabei auch andeutet: Wenn sie sich am Stillen ihrer eigenen Bedürfnisse nicht berauschen, bekommen sie vielleicht auch eher mit, wie es anderen um sie herum geht.
Es geht hier also auch um „die, die nichts haben“ (V. 23): Sie sollen sich genau so wenig damit begnügen müssen, dass ihre Bedürfnisse ungestillt bleiben!

3. „aufeinander warten“: STRUKTUR UND HALTUNG EINER GEMEINDE MUSS DABEISEIN/MTMACHEN/TEILHABE ERMÖGLICHEN (EMPOWERMENT!)

  • Bin ich irgendwo schon weiter als andere? Brauche ich mehr als andere oder brauche es schneller als andere? Führt das vielleicht manchmal dazu, dass ich das Gefühl habe, andere bremsen mich aus, schränken mich ein, hindern mich?
  • Nehmen sich andere Rechte und Räume, die mich übergehen, unsichtbar machen, an den Rand drängen, zurücklassen?
  • Auch geistlich: Sind andere manchmal schon so trunken vor Gottseligkeit und schwelgen so in ihrer Frömmigkeit, dass ich mich von ihnen abgehängt fühle bzw. sogar das Gefühl habe, ich störe jetzt nur? Und solange ich nicht so viel mitbringe wie sie, passe ich eh nicht dazu?
  • Habe ich in irgendeinem Bereich mehr als andere; bringe ich da mehr mit? (Nicht nur materiell oder frömmig, sondern auch z.B. mehr Erfahrung mit Rassismus, Depression, Klinikaufenthalten, nicht-binären Geschlechtsmöglichkeiten, dekolonialisierten Gottesbildern, …)?

Von Paulus her wäre dann das Ziel, einen Weg zu gemeinsamen Momenten als Gottesdienstgemeinschaft ermöglichen…

(Das Ziel ist dabei ja nicht, dass alle NICHTS haben; es soll schon darum gehen, Ressourcen inkl. Erfahrungswissen anderen zur Verfügung zu stellen. — Wobei dann auch dazugehört: Wer sich da grundsätzlich nicht auf den Weg machen will und lieber an einem Mangel an Lebensgrundlagen und Wissen festhalten möchte, darf die anderen irgendwann auch nicht mehr aufhalten.)

… und sei es manchmal nur in minimaler, die Fülle nur andeutende Form wie z.B. beim Abendmahl: „Eine Hostie macht doch nicht satt!“ Genau; die Frage hier ist ja: Worum geht es hier? Als Gottesdienstgemeinschaft geht es um Erfahrungen als/von Gottesgemeinschaft!
Die Einladung zum Abendmahl macht uns nicht zur sonntäglichen Kantine; eine Predigt ist kein Ersatz für Vorlesungen; ein Gemeindelied ist kein Ersatz für ein Konzert; eine Austauschrunde ist kein Ersatz für Therapie; Dienst an anderen ist kein Ersatz für gesunde Anerkennung.
Im Zentrum beim Gottesdienst steht die Erbauung (1. Kor 14,26) – und zwar zu einer Gemeinde, in der „sich möglichst viele Gemeindeglieder als geistlich mündige Persönlichkeiten entfalten können“ (DK S. 75) und „wo Platz ist für den Menschen, der zu kurz gekommen ist“ (DK S. 94), also „Gemeinde als Ort der Genesung“ (DK S. 122).
Die Gottesdienstgemeinschaft kann also dienen als „liturgisches Spielfeld, wo alle das Zusammenspiel und die Achtsamkeit aufeinander und auf Gott für das Alltagsgeschehen erlernen können“ (DK S. 73) – auch wenn oder gerade weil dafür es manchmal nötig ist, Bedürfnisse (bei sich selbst UND anderen) wahr- und ernstzunehmen und einander auf Verbesserungsmöglichkeiten anzusprechen.

*) „DK“: D. Koller, „Heilige Anarchie“, Claudius Verlag 1999

(Nach dem Abendmahl:) Sendung & Segen

So gehet hin – gestärkt und erfüllt und verwandelt und gesegnet
durch die in Jesus Christus konkret gewordene Liebe G*ttes,
– die dir hilft, deine Bedürfnisse wahr- und ernstzunehmen,
– die dir hilft, bei deinen Mitmenschen unheilvolles Verhalten gegenüber anderen und gegenüber sich selbst anzusprechen,
– und die dich mit deinem Wissen und deinen Erfahrungen zum Segen für andere werden lässt.
So segne dich G*tt Vater, Sohn und Heiliger Geist.

 

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