Impuls MCC Köln, 1. Mai 2022
Ines-Paul Baumann
Ein paar Fragen vorab:
(1) Eine Gemeinschaft von Leuten, die so orientiert sind und so handeln wie du, wo du dich zugehörig fühlst, mit denen du Zeit und Alltag und Fürsorge teilst: Wie nennst du diese Gemeinschaft?
Deine Antwort: ……………………………………………….
(2) Eine Person oder Figur oder Ressource, die dich von machtorientierten Strukturen befreit / dich aus Abhängigkeitsbeziehungen herausholt / dir beim Loslösen hilft, wo andere über dich bestimmen wollen?
Deine Antwort: ……………………………………………….
(3) Durch wen oder was würdest du Hoffnung haben, dass du (auch nach allem Leiden, was dir auf Erden begegnen und widerfahren mag) irgendwann “von Gottes Glanz erfüllt“ bist – also ganz geborgen, aufgehoben, erfüllt, wahrgenommen, gewürdigt, gerechtfertigt, gefeiert, …
Deine Antwort: ……………………………………………….
(4) Durch was für einen Vorgang hat eine Person Teil an einem Leben mit/durch/für/bei/in Gott – also, was würdest du quasi als Eintrittskarte in spirituelles, geistliches Leben und Erleben bezeichnen?
Deine Antwort: ……………………………………………….
Im neuen Testament würden alle vier Antworten denselben Ausgangspunkt haben: nämlich die Rede von Gott als „Vater“. Glaubende sind „Kinder Gottes“, sie sind die „Familie Gottes“.
Die ersten drei Sonntage im Mai beziehen sich alle auf Familienthemen:
1. Mai: International Family Equality Day (IFED)
8. Mai: Muttertag
15. Mai: Internationaler Tag der Familie
Das geläufigste Bild für „Familie“ ist immer noch die Kleinfamilie mit Mama, Papa, Kind. Dabei sind die Formen von Familien längst vielfältig geworden; Beispiele dafür sind Regenbogenfamilien, Mehrelternschaft, Adoptivfamilien, Pflegefamilien, Ein-Eltern-Familien, Patchworkfamilien, Co-Parenting, …
Im Ideal der Kleinfamilie wird davon ausgegangen, dass alles von ein- und derselben Person abgedeckt wird: Erziehung und Fürsorge (sozial), gesellschaftliche Einbindung (politisch), Abdeckung durch Gesetze (rechtlich), und genetische & biologische Abstammung zur Geburt eines Kindes. Es entspricht längst nicht mehr unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit, dass Elternsein entweder dies alles ODER nichts davon umfasst.
Was die Auseinandersetzung mit Regenbogenfamilien so spannend macht, sind genau diese bewusst erlebten und gestalteten (A-)Symmetrien von sozialer, politischer, rechtlicher und körperlicher Elternschaft.
Tatsächlich lassen sich diese vier unterschiedlichen Aspekte von Elternschaft auch in den Gottesbildern im Neuen Testament finden:
(1) Kinder Gottes qua sozialer Gemeinschaft
Lukasevangelium 8,21: „Jemand sagte zu Jesus: »Deine Mutter und deine Brüder sind draußen und möchten dich sehen.« Jesus erwiderte: »Alle, die die Botschaft Gottes hören und sich nach ihr richten, sind meine Mutter und meine Brüder.«“ (Neues Leben)
(2) Kinder Gottes politisch gesehen: Kinder Gottes gehören keinen irdischen Mächten und Gewalten
Matthäusevangelium 23,9: „Auch sollt ihr niemand hier auf der Erde ›Vater‹ nennen, denn nur einer ist euer Vater, der Vater im Himmel.“ (NGÜ)
(3) Kinder Gottes in rechtlicher Hinsicht: Erben (hier: durch Adoption
Galaterbrief 4,5-7: „Gott sandte ihn, um uns aus der Gefangenschaft des Gesetzes freizukaufen und als seine Kinder anzunehmen. Und weil ihr seine Kinder geworden seid, hat Gott euch den Geist seines Sohnes ins Herz gegeben, sodass ihr zu Gott nun »lieber Vater« sagen könnt. Jetzt seid ihr keine Diener mehr, sondern Kinder Gottes. Und als seinen Kindern gehört euch alles, was ihm gehört. Gott hat es so bestimmt.“ (Neues Leben)
Römerbrief 8,14-17: „Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen Geist der Kindschaft empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, da wir ja mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden.“ (Lutherbibel)
(4) Kinder Gottes qua Geburt als Lebensanfang
Johannesevangelium 3,5-7: „Niemand kommt in das Reich Gottes, der nicht aus Wasser und Geist geboren wird. Menschen können nur menschliches Leben hervorbringen, der Heilige Geist jedoch schenkt neues Leben von Gott her. Darum wundere dich nicht, wenn ich sage, dass ihr von Neuem geboren werden müsst.“ (Neues Leben)
Johannesevangelium 1,12-13: „All denen aber, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Sie wurden dies weder durch ihre Abstammung noch durch menschliches Bemühen oder Absicht, sondern dieses neue Leben kommt von Gott.“ (Neues Leben)
Wenn das Neue Testament mit dem Bild der „Familie Gottes“ arbeitet, sollen der Blick also auf mehrere unterschiedliche Aspekte gelenkt werden: soziale Gemeinschaft, Absage an Machtstrukturen, Teilhabe am Leben in Gottes Glanz, Zugang zu Gottes Wirklichkeit.
Sind DAS die Bezüge, an die du denkst, wenn Gott als „Vater“ bezeichnet wird? Was steht bei DIR als Antwort auf die vier Fragen von oben? Welche Begriffe und Bezüge bringen FÜR DICH heute zum Ausdruck, was damals mit dem Familienbild und der Vaterfigur ausgedrückt werden sollte? Wie möchtest du von/zu Gott reden, um diese Aspekte zu vergegenwärtigen?
Hier ein paar Antworten aus unserem Austausch dazu: Gefährt*in, Vater, Wegbegleiter, …
Für mich persönlich ist diese Redewendung eine gute Brücke: „Wes Geistes Kind“ bin ich? Was ist der Ausgangspunkt meines Denkens und Fühlens, worin bin ich verwurzelt, was prägt mich? Als „wessen Geistes Kind“ zeige ich mich mit meinen Haltungen? Und wem dient mein Handeln; „wessen Geistes“ Ursprung wird davon mit getragen und gefüttert? Für meinen persönlichen Glauben erlebe ich es dann schon als sehr hilfreich, mich einem Heiligen Geist anzuvertrauen – und mich darüber tatsächlich als „Kind Gottes“ wahrzunehmen (was es mir auch leichter macht, mich NICHT als „Kind des Neoliberalismus“ wahrzunehmen oder als „Kind unveränderlicher Sachzwänge“, „Kind rationaler Berechnung“ etc).