Predigt MCC Köln, 20. März 2022
von Stefan Bauer
Jesaja 43,18-19
18 Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige!
19 Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.
Heute ist Frühlingsanfang. Draußen blüht es, alles wird neu. Geradezu trotzig bricht sich das Neue Bahn in dieser Zeit der schlechten Nachrichten. Ich denke, die heutige Lesung kann Orientierung geben in dieser Zeit in der in Europa ein Krieg stattfindet.
Jesaja richtet sich an die Israeliten die jetzt relativ bequem im Exil leben. Er fordert sie auf sich aus der relativen Sicherheit heraus, erneut auf einen Exodus zu begeben. In ein armes bedrohtes Land.
Der Prophet Jesaja fragt: „Erkennt ihr’s denn nicht?“ Das Neue, von dem hier die Rede ist, ist nicht eine einfache Fortführung des Alten. Nicht eine Verbesserung oder Weiterentwicklung. Kein alter Wein in neuen Schläuchen. Das Neue ist nicht leicht zu erkennen,weil es nicht Teil des alten ist.
Viele verpassen das neue, weil sie sich wünschen, dass das neue nur eine geringfügige Veränderung des Alten ist. Denn dann können wir das Neue besser kontrollieren und brauchen weniger Angst davor zu haben.
Hier im Exil wächst für Israel etwas Neues. Das Niemand vorhersehen oder kontrollieren kann. Es geschieht einfach. Das Neue gelangt zu den Menschen, wenn sie es am wenigsten erwarten. Das einzige, was sie beisteuern können ist Offenheit.
Es gibt Zeiten in denen hat man das Gefühl, dass sich alles im Kreis bewegt. Wieder Krieg, wieder Tote, wieder Aufrüstung. Hat das alles überhaupt einen Sinn? Sind wir wie Sysiphos dazu verdammt immer wieder alle Handlungen zu wiederholen?
Jesaja sagt: „Siehe“ , „Erkennt ihr’s denn nicht?
Er weist uns den Weg aus der scheinbaren Ausweglosigkeit, dem scheinbaren Verwobensein in komplizierten Zusammenhängen.
Da ist etwas, das hinter allem steht. Etwas, was den Druck nimmt und die Dunkelheit erleuchtet und die Fesseln löst. Gott will in unser Leben eintreten und uns eine Zukunft eröffnen, für die es Sinn hat zu leben. Und diese Zukunft bricht sich langsam und auch mühsam Bahn.
Ich war kurz nach dem Balkankrieg beruflich für einige Wochen in Mostar in Bosnien beschäftigt. Zerstörte Häuser überall. Friedhöfe in den Autobahnkreuzen, da diese von Landminen geräumt waren. Plattenbauten mit Artillerie-Einschlägen, das Zentrum der Stadt teilweise zerstört. Hass der Volksgruppen aufeinander.
Mir ging es furchtbar. Dort wurde mir zum ersten mal bewusst, dass ich zur Kriegsenkel-Generation gehöre.
Aber es gab auch Bruce Lee.
Als weltweit erste Stadt hat Mostar der Kung-Fu-Legende Bruce Lee am 2005 ein Denkmal gesetzt. An dem Tag, an dem der Filmschauspieler 65 Jahre alt geworden wäre, wurde in der Stadt auf der bosniakischen Seite eine 1,70 Meter große Bronzestatue enthüllt. Auf dem steinernen Sockel stand die schlichte Inschrift „Bruce Lee, 1940 – 1973. Dein Mostar“. Initiiert hatte das Projekt, d die Nichtregierungsorganisation „Urban Movement Mostar“.
Mit der Errichtung der Statue wollte die Gruppe ein Zeichen gegen die auch nach Kriegsende fortdauernde Teilung der Stadt in ein kroatisches Westmostar und ein muslimisches Ostmostar setzen. Die Wahl mit Bedacht auf Bruce Lee gefallen sei, „weil sich alle mit ihm identifizieren können“ – Bosniaken, Kroaten und Serben.
Wir haben damals Witze darüber gemacht: Die spinnen doch, das einzige worauf sie sich einigen konnten ist Bruce Lee…Wie kaputt kann man sein?
Das war dumm und ungerecht. Die Statue ist ein erstes Zeichen der Hoffnung gewesen.
Um mit Jesaja zu sprechen: „Erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde. “