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Menschenrechte & Freiheitsrechte – Zu Möglichkeiten eines undogmatischen Glaubenslebens.

Predigtimpuls MCC Köln, 29. August 2021
Ines-Paul Baumann

5. Mose 23,2 & Jesaja 56,3b-5 & Apostelgeschichte 8,26-38

Beim Planungstreffen tauchte die Frage auf, wie es – angesichts eine Bibel voller Regeln und Gebote – möglich ist, Glaube NICHT dogmatisch zu leben. Das kann ich euch sagen; allerdings nur aus meiner persönlichen Geschichte heraus. Meine Antworten sind nicht die neuen drei goldenen Regeln als Dogma für ein undogmatisches Glaubensleben.

Was meiner Erfahrung nach hilft, um Glauben undogmatisch leben zu können:

  1. Die eigene Meinung irgendwann mal richtig Scheiße finden.
    Also, im Rückblick. Vorher musst du von irgendwas überzeugt gewesen sein. So richtig. Und ein paar Jahre später stellst du fest, was für einen Scheiß du da vertreten hast. Das hilft. Du wirst Leute, die weiterhin so einen Scheiß vertreten, nicht mehr ganz so einfach verurteilen können. Und du hast gelernt, dass sich Meinungen ändern können.
  2. Sich in eine Person verlieben, deren Meinungen du Scheiße findest.
    Blöd gelaufen. Aber wenn du diese Person so sehr magst, dann wirst du sie nicht einfach so verurteilen können. Auch das hilft ungemein. Du lernst, andere Meinungen auszuhalten.
  3. Sich Leuten verbunden fühlen, die deine Meinung Scheiße finden.
    Da gibt es diese Gruppe, in der du dich richtig wohlfühlst. Ihr habt viele Gemeinsamkeiten, macht tolle Sachen zusammen. Aber immer, wenn du mit diesem einen Thema ankommst, hört bei den anderen das Verständnis auf. (Ich konnte in meinen Kreisen zum Beispiel oft nicht über Glaube sprechen. Beim Wort „Kirche“ ging bei denen das Licht aus.) Am Zusammenhalt ändert das aber nichts; ihr geht trotzdem zusammen durch dick und dünn. Das ist richtig cool: Du lernst, dass es möglich ist, sich nicht wegen allem sofort komplett zu verurteilen, sondern dass es möglich ist, eine Meinung ignorieren können.
  4. Dein Gott erweist sich als richtig Scheiße dir gegenüber.
    Auch im Glaubensleben können Dinge so richtig schiefgehen. Auch in unserer Gottesbeziehung können wir enttäuscht, wütend, verletzt, irritiert und verunsichert sein und nicht mehr so recht wissen, was wir jetzt von unserem Gott uns unserem Glauben halten sollen. Herzlichen Glückwunsch: In der eigenen Meinungsbildung verunsichert zu sein, ist äußerst hilfreich dafür, andere nicht zu verurteilen.

Was hat das alles mit den vielen Geboten und Regeln in der Bibel zu tun? Nun, ganz einfach: Genau so geht die Bibel selbst mit ihren ganzen Geboten und Regeln um. Manchmal ändert sie ihre Meinung. Manchmal lässt sie unterschiedliche Meinungen nebeneinander stehen. Manchmal ignoriert sie Meinungen. Manchmal hält sie Verunsicherung, Verletzung und Enttäuschung im Glaubensleben einfach aus.

Ich schlage vor: Wenn die Bibel mit ihren Geboten und Regeln so undogmatisch umgehen kann, dann können auch wir mit ihren Geboten und Regeln so undogmatisch umgehen. Anders gesagt: Es ist sehr biblisch, mit der Bibel undogmatisch umzugehen.

Sollte dein Bild von der Bibel noch so tun, als vertrete die Bibel immer sattelfest eine einzige Meinung zu jedem Thema und wäre frei von Widersprüchen, dann hier noch drei Tipps, um das zu ändern:

  • Älter werden.
    Wie? Passiert normalerweise ganz von alleine.
  • Mit Leuten reden, deren Meinung du komisch findest.
    Wie? Zum Beispiel in der MCC :)
  • Die Meinungsvielfalt in der Bibel entdecken.
    Wie? Zum Beispiel nicht immer nur über EINE Bibelstelle predigen, sondern mehrere Stellen in Bezug zueinander setzen. Denen zuhören, die lustvoll bis höhnisch auf die ganzen Widersprüche in der Bibel hinweisen (ist im Tonfall nicht immer schön, inhaltlich aber manchmal sehr anregend). Theologische Bücher lesen, in denen viel von Sex oder von trans* Menschen die Rede ist. (Die MÜSSEN oft in die Tiefe gehen, um zu den Meinungen über die Meinungen in der Bibel zu argumentieren).

Zusammengefasst: Wenn sich etwas komisch anfühlt, wenn etwas ungewohnt ist oder uns irgendwie verunsichert, dann muss das unseren Glauben nicht gefährden oder klein machen. Im Gegenteil: Gerade da, wo du vielleicht gerade befürchtest, deinen Glauben zu verlieren, könnte dein Glauben wichtige Schritte zum Erwachsenwerden machen – Schritte zu einem undogmatischen, reifen Glauben. Der viel stabiler ist als es reine Überzeugungen sind. Denn wie wir auch in der Bibel gesehen haben: Überzeugungen können sich ändern. Aber biblischer Glaube ist eben MEHR als nur eine (!) Überzeugung.

Abendmahl & Segen

(Ines-Paul)

Gott, manchmal ist es so viel einfacher, klare Überzeugungen zu haben. Es ist so schön, sich sicher zu fühlen. Auf der richtigen Seite zu stehen. Alles beurteilen zu können. Und dann kommen Momente, die sich vielleicht gar nicht so gut anfühlen. Zweifel. Enttäuschungen. Befremdung. Entfremdung. Gerade im Glaubensleben führt das oft dazu, von der einen extremen Überzeugung in die andere extreme Überzeugung zu fallen: vom überzeugten Glauben zur kompletten Abkehr von Kirche. Gott, bitte hilf in diesen Momenten. Wenn sich Glaube befreien will von Mustern und Dogmen, die deiner Liebe entgegenstehen. Die uns in Mechanismen verstricken, die unseren Glauben und unser Herz und unser Denken eng machen. Hilf uns, stattdessen zu entdecken und zu entfalten, was es heißt, in Liebe und in Wahrheit mit uns selbst und miteinander und mit unsrem Glauben umzugehen. Ein paar Aspekte davon finden sich auch in dem Gebet, das Jesus uns zu beten gelehrt hat: Vater unser (…)

Es war die Nacht, bevor Jesus hingerichtet wurde, weil sein Umgang mit Gott und mit Menschen viel zu undogmatisch war für die politisch und religiös Überzeugten seiner Zeit. Und Jesus saß mit denen, die bei ihm waren, zu Tisch, und er aß und trank mit ihnen.

Jesus Christus nahm das Brot (…)

Gott segne dich in Zeiten,
in denen du eine liebgewonnene Überzeugung hinter dir lassen musst.
Gott segne dich mit einem Menschen,
der dir wichtiger ist als seine Überzeugungen.
Gott segne dich mit Verunsicherungen,
wenn deine Sicherheiten dich davon abhalten, mit anderen, mit Gott und mit dir in Beziehung zu treten.
So segne dich Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist.

 

 

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