Impuls MCC Köln, 2. Mai 2021
Nadja Rückert
2.5. International Family Equality Day
9.5. Muttertag
13.5.Vatertag
15.5. Weltfamilientag
Ja, wer bestimmt eigentlich, was Familie ist? Wer sagt uns, welche Menschen für uns die wichtigsten im Leben sind und wer dazugehört? Ich bin davon überzeugt, dass wir das selber bestimmen. Wir selbst legen fest, welche Menschen unserer Familie sind und ob überhaupt irgendwelche Menschen unsere Familie sind! Denn auch ohne andere Menschen kannst du eine Familie bilden.
Versteht mich nicht falsch, ich weiß, dass wir biologisch mit einzelnen Personen verwandt sind und dass es in Deutschland Gesetze gibt, die festlegen, wer ein Ehepaar ist und wer rechtlich zu einer Familie gehört. Was ich meine sind die Familie und die Menschen, mit denen wir unseren Alltag teilen. Die Menschen, die bei schönen und auch bei schwierigen Situationen da sind und uns begleiten. Diese Menschen können wir selbst bestimmen. Das können Menschen sein, mit denen wir verwandt sind oder auch nicht.
Manche Menschen bringen an diesem Punkt das Argument an, dass die Ehe und Familie, wie sie heutzutage existiert, die einzig wahre sei. Aber woher nehmen sie dieses Argument? Denn biblisch sehe ich dafür keine Begründung. Damals gab es noch nicht mal die heutige Staatsform und somit auch noch nicht die Institution Ehe, wie wir sie kennen. Nein. Die heutige Zivilehe wurde erst 1875 eingeführt. Dennoch bin ich überzeugt, dass in der Bibel Hinweise zu finden sind, wie wir Familie leben können oder sogar sollten. Für mich vermittelt die Bibel ein ganz anderes Bild von Ehe und Familie. Dieses Bild ist super schön und super weit gefasst! Gott* möchte, dass wir einander lieben, uns selbst lieben und dass wir Gott* lieben. Wie diese Liebe dabei jeweils aussieht, ist ganz uns überlassen!
Mögliche Varianten möchte ich hier kurz erläutern. Ich fange bei der letzten an: Gott* lieben. Wie und ob du Gott* liebst oder er*sie zu deiner Familie gehört, ist deine Entscheidung. Wie diese Liebe gelebt werden kann, wird in vielen anderen Gottesdiensten thematisiert. Ich möchte dir heute nur eine Impulsfrage stellen: Was würde es mit deinem Gottesbild machen, wenn du Gott* als Teil deiner Familie ansiehst?
Dich selbst lieben kannst du zum Beispiel, indem du auf deine eigenen Bedürfnisse hörst. Horche dafür in dich hinein. Wie möchtest du dein Leben verbringen? Und mit wem möchtest du es verbringen? Möchtest du es überhaupt mit jemandem verbringen oder bist du dir selbst deine Familie?
Wenn du den Wunsch hast, dein Leben mit einer oder mehreren Personen zu teilen, dann versuche auch da, dich selbst zu verstehen. Ein Blick in die Bibel zeigt uns, dass es schon damals ganz unterschiedliche Formen von Mehr-Personen-Familien gab:
- Moses wuchs als Pflegekind bei seiner eigenen Mutter auf und wurde als Kind in einer ihm unbekannten Kultur erzogen.
- Rut und Noomi bildeten eine Lebensgemeinschaft, und meisterten gemeinsam das Schöne und Schwierige des Lebens.
- Maria wurde schwanger, ohne mit ihrem Verlobten geschlafen zu haben. Er blieb dennoch bei ihr und zog das Kind (Jesus) wie sein eigenes auf. Heute nennen wir diese Konstellation Patchworkfamilie.
- Abraham hatte ein Frau (Sarah) und zwei Nebenfrauen. Sie lebten gemeinsam als polygame Lebensgemeinschaft.
- Jesus und die Jünger*innen haben sich aktiv entschieden das Leben miteinander zu teilen. Wir könnten sie als Wohn- oder Lebensgemeinschaft bezeichnen.
Das Miteinander wird im Neuen Testament noch genauer beschrieben. Und im Folgenden sind sich Jesus und alle Briefschreiber einig: Beziehungen und Familie sollten auf gegenseitigem Respekt und Liebe beruhen. Das ist das Wichtigste, was die Bibel über Beziehungen sagt, alles andere sind Ergänzungen. Die Bibelverse, die angeblich sagen, dass immer genau ein Mann zu einer Frau gehört, haben für mich im Kontext gelesen andere Bedeutungen. Außerdem war es schlichtweg unbekannt, dass Menschen des gleichen Geschlechts eine Beziehung miteinander führen können, weshalb diese auch in der Bibel keine Erwähnung finden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jesus etwas gegen queere Lebensmodelle oder queere Familien hatte. Ich bin hingegen davon überzeugt, dass, wenn die Bibel heute weitergeschrieben würde, queere Lebensmodelle gleichberechtigt erwähnt würden.
Zusammengefasst:
Egal wie viele Personen du liebst, welche Geschlechter diese Personen haben und welche Menschen du zu deiner Familie zählst, wenn ihr euch gegenseitig in Liebe respektiert, lebt ihr das biblische Bild einer Familie – polygam, WG, homosexuell, heterosexuell…
Queere Familie ist biblische Familie!
Du bestimmst was Familie ist! Und du bestimmst, wer zu deiner Familie gehört!
Diese Selbstbestimmung ist auch der Inhalt des folgenden Gedichts. Lies es dir in Ruhe durch und lass es auf dich wirken. Du bist mit deiner queeren Identität von Gott* geliebt!
Ich lebe,
ich darf leben,
ich habe Zeit bekommen,
um zu leben,
um zu lieben,
um zu tanzen,
um glücklich zu sein.
Verfasser*in unbekannt
Weiterführendes zum Thema:
Hilfe & Beratung
- NRW-weite Notfallnummer für häusliche Gewalt: 116 111
Hilfe bei häuslicher Gewalt > - „Der Wendepunkt“ in Köln: 08000 116 016
Für Frauen in Notsituationen und bei Gewalt > - Beratungszentrum rubicon (Kinderwunsch, Regenbogenfamilien, Krisen, Gruppentreffen …): 0221 / 27 66 999 0
Regenbogenfamilien: Beratung, Gruppen und Fortbildung >
Predigtarchiv
- „Polygamie, Singles, Ehe-Ideal und Regenbogenfamilien: Leben und Lieben innerhalb und außerhalb christlicher Moralvorstellungen“ (Ines-Paul Baumann, 19.4.2015): https://www.mcc-koeln.de/polygamie-singles-ehe-ideal-und-regenbogenfamilien/ >
Literatur
- „Un/familiar Theology: Reconceiving Sex, Reproduction and Generativity“ (Susannah Cornwall, 2017):
https://www.bloomsbury.com/uk/unfamiliar-theology-9780567673251/ >