Predigt MCC Köln, 21. Juni 2020
Ines-Paul Baumann
Brief an die Gemeinde in Rom 8,33-39
Bist du heute beim Gottesdienst dabei, weil du darauf hoffst, dass es dir dadurch besser geht? Wenn es dir nach diesem Gottesdienst nun NICHT besser geht – kommst du dann nie wieder zum Gottesdienst? Und umgekehrt: Wenn es dir nach Gottesdiensten NIE besser geht: Bist du sicher, dass das dann der richtige Ort für dich ist?
Wer sollte gegen die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott verschafft uns Recht. Wer sollte uns verurteilen? Der Messias Jesus, der getötet, vielmehr aufgeweckt wurde, der hat nun einen Ehrenplatz bei Gott und tritt dort bittend für uns ein. Wer sollte uns von der Liebe des Messias trennen? Unterdrückung, Angst, Verfolgung, Hunger, Obdachlosigkeit, Gefahr oder politische Verfolgung, die mit dem Tod endet?
(…)
Weder Tod noch Leben, weder himmlische noch staatliche Mächte, weder die gegenwärtige Zeit noch das, was auf uns zukommt, weder Gewalten der Höhe noch Gewalten der Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf können uns von der Liebe Gottes trennen, die im Messias Jesus lebendig ist, dem wir gehören.Brief an die Gemeinde in Rom 8,33-39
(Bibel in gerechter Sprache)
Jesus ist nicht gekommen, um dich zu retten oder damit es dir wohlergeht. Jesus kam, um die Welt zu retten und damit es der Welt wohlergeht. Das schließt dich natürlich mit ein, aber nicht nur dich.
Chris Glaser: „Jesus Did Not Come to Save You“
https://chrisglaser.blogspot.com/2020/06/
jesus-did-not-come-to-save-you.html
Wir müssen Gott auch dann noch gut nennen, wenn es uns schlecht geht – weil er gut ist! Und wenn alles wunderbar läuft, dann müssen wir ihn auch gut nennen, aus Gründen, die viel tiefer liegen als unser unmittelbares Wohlergehen.
Lawrence J. Crabb: „Glück suchen oder Gott finden“
Nein, Gott ist nicht nur gut. Das ist ja genau das Thema im Hiob-Buch. Die Rede, die Lawrence J. Crabb zitiert (Hiob 8,6), klingt wie Hohn in Hiobs Ohren, genau wie all die anderen Reden seiner Freunde, die an einem guten und gerechten Gott festhalten wollen. Die Verfasser des Hiob-Buchs machen am Ende ihre Auffassung deutlich, dass auch Gott selbst sich in diesen Reden nicht angemessen vertreten fühlt (s. Ende vom Hiob-Buch). Ob es Hiob wohlergeht oder nicht: Dieser Gott ist nicht einfach nur gut. Und schon gar nicht lässt sich daran, wie es Hiob geht, ablesen, was Gott von Hiob hält (der hält nämlich große Stücke auf Hiob, auch wenn Hiob nicht immer große Stücke auf Gott hält angesichts seiner Umstände).
Damit ist freilich nicht gesagt, dass unser Wohlergehen nebensächlich ist – oder noch schlimmer: dass „wahre Christen“ sich dadurch auszeichnen, dass sie „wahrhaft leiden“ und bloß kein Wohlergehen in der Welt genießen. Nein, es ist nicht in Ordnung, wenn wir uns selbst nur drangsalieren und aufopfern und geringschätzen und glauben, dass wir eh kein Wohlergehen „verdient haben“.
Aber wie ist das dann nun mit unserem Wohlergehen und unserem Gottesglauben? Wie hängen unser Bild von Gott (und unser Glaube insgesamt) mit unseren Erfahrungen und Gefühlen zusammen?
Ist Gemeindeleben dazu da, dass wir uns IMMER wohlfühlen?
Was wäre das für eine Gemeindeleben, wenn wir uns NIE wohlfühlen?
Das kann es ja wohl beides nicht sein.
Wonach also entscheiden wir, ob und wo wir Gottesdienste aufsuchen (oder uns gar mit einbringen)?
Woher wissen wir, dass in dieser oder jener Gemeinde tatsächlich etwas am Werk ist, das wir auf Gott beziehen?
Wonach beurteilen wir, ob sich in einer Gemeinde etwas offenbart, das uns mit Gott verbindet, das uns auf unserer Glaubensreise heilt und heiligt – anders gesagt, dass dort Gottes Segen sich für uns ereignet?
Messen wir vielleicht auch bezüglich unserer Gemeinde, ob Gott es gut mit der MCC meint oder nicht? WORAN messen wir das?
Was auch immer gerade so an Gedanken und Gefühlen in uns auftaucht – genau das ist immer dann am Werk, wenn wir darüber nachdenken, zur MCC zu gehen oder nicht.
Und es wird die Entscheidungen bestimmen, die wir heute auf der Gemeindeversammlung treffen – wenn wir planen, wie wir uns die MCC vorstellen, und daran mitwirken, dass es so oder so wird.
Wenn innerhalb der nächsten Monate dieses oder jenes passiert – was schließt du daraus über Gott?
Angenommen, wir erleben einen Rückgang der Gottesdienstbesucher_innen: Meint es Gott dann nicht gut mit uns? Und wenn wir einen Anstieg der Gottesdienstbesucher_innen, erleben, dann MEINT Gott es gut mit uns?
Angenommen, es kommt zu einer Erweiterung der Gottesdienstformen. Wenn sie nach deinem Geschmack sind, meint Gott es gut mit dir, und das hier ist der richtige Ort für dich? Und wenn du 1-2 Mal im Monat NICHT auf deine Kosten kommst, dafür andere um dich herum, dann meint es Gott NICHT gut mit dir und das ist NICHT der richtige Ort für dich?
Angenommen, du hörst Predigt-Impulse, die dir gefallen (oder NICHT gefallen): Was schließt du daraus jeweils in Bezug darauf, ob Gott in der MCC Köln zum Segen wird, auch für dich?
Wenn das Kommen Jesu nicht nur dazu gedient hat, mich persönlich zu retten, wie Chris Glaser meint – was könnte dann ein gesunder, geistlich tragfähiger Maßstab dafür sein, ob ich in dieser Gemeinde eine Göttin erlebe, die es gut mit mir UND mit anderen meint? Wo NICHTS mehr uns von Gottes Liebe trennen kann?
Was, wenn unsere Leistungsperspektive eher von Wirtschaftswachstumsmärchen geprägt ist als von geistlichem Wachstum?
Vielleicht heißt „geistlich wachsen“ manchmal WENIGER Leistung und Erfolg und Zahlen, und MEHR Hören auf uns und aufeinander, mehr Gemeinschaft in Vielfalt, mehr davon, Unterschiede nicht nur auszuhalten, sondern zu begrüßen? MEHR davon, Konflikte miteinander durchzustehen statt zu vermeiden?
Woran sollen wir also messen, welche Entwicklung uns erleben lässt, dass Gott es gut mit uns meint? Und IST das überhaupt das einzige Ziel von Gemeindeleben?
Geht es nicht eben auch genau darum, dass auch die unverständlichen, fremden, befremdlichen Teile unserer Gotteserfahrungen Raum bekommen? Darum, unsere Gottesbilder eben auch mal in ihrer Erschütterung anzuerkennen (wie bei Hiob)?
Wenn Jesus nicht nur kam, um mein persönliches Ticket in den Himmel zu lösen, dann muss Gemeindeleben viel radikaler sein als nur Lieder zu singen, die meine Stimmung heben. Gerade dann, wenn ich nur glauben kann, dass Gott mich liebt, wenn es mir gut geht. Das reicht nicht. Wenn uns NICHTS MEHR von Gottes Liebe trennen kann – auch nicht äußere und innere Stimmen, die uns anklagen – dann kann es auch im Gemeindeleben NICHTS MEHR geben, was außen vor bleiben muss, nur weil es nicht in unser Bild von einer schönen und netten Gemeinde passt. Gemeinde muss mehr sein als schön und nett. AUCH schön und nett, aber NICHT NUR schön und nett.