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Das Vater Unser im Rahmen der Jahreslosung

Predigt MCC Köln, 9. Februar 2020
Manfred Koschnick

Vorbemerkung des Predigers: Nicht alle dieser Gedanken geben eigene Meinungen wieder; dem einen oder der anderen könnten sie aber vielleicht in Gesprächen schon untergekommen sein.

Prediger: Im Namen der Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!  Thema unserer Verkündigung ist heute das Vater Unser im Rahmen der Jahreslosung. Wir hören Don Camillo im Gespräch mit Jesus. Keine Kirche ohne Kruzifix.

Jesus  (in der Kirche wie am Holzkreuz hängend , vor sich den Notenständer mit dem Text, den er abliest mit ausgebreiteten Armen und sanfter Stimme): „Camillo! – was schleichst Du denn so um mich rum? Du siehst so ängstlich und aufgeregt aus.“

Camillo gestikulierend: „ Ja Herr, das bin ich. Allen Grund habe ich: Ich habe Angst, dass der ganze Glaube an Gott und seine Kirche und seine Heiligen zusammenbricht  – und mir selbst glauben auch nicht mehr alle –  …und ich mir selber auch nicht mehr – und was soll und kann man heute überhaupt noch glauben? Wir sind Opfer einer „Diktatur des Relativismus“. Neulich las ich, dass es sogar schon eine feministische Theologie gibt, in der sich Frauen fragen ob sie sich Deinen Vater als Frau vorstellen dürfen. Peinlich! Gott in Pumps und Strapsen? Welche Blasphemie!“

Jesus betulich: „Sachte, sachte, Camillo! Ob das Blasphemie ist, müssen wir Papa überlassen. Alle Menschen machen sich irgendwelche Vor – Stellungen, nicht nur Feministinnen. Sie stellen etwas vor die Wirklichkeit, um diese nicht zu sehen. Denk nur mal daran wie viele sich vor-stellen, dass die kleinen rechteckigen Papiere mit Zahlen darauf  etwas Wert sind und man mit dem sogenannten Geld etwas kaufen kann. So lange alle das glauben, funktioniert das auch. Solange Menschen sich unter Gott etwas vorstellen und daran glauben, passiert da was. Religion beginnt im Kopf, was nicht ausschließt, dass es Gott als Phänomen außerhalb von uns wirklich gibt, …nur fassen könnt Ihr ihn mit Eurem Glauben nicht und evangelische Gottesdienste feiern oft das Vor-dergründige ,statt das Hintergründige hinter den Vorstellungen. Also eher Meinung und Information statt Ereignis und Erfahrung“

Camillo immer noch aufgeregt: „Das, sagt Dein einer  Stellvertreter, der Expapst Benedictus, sei das Problem. Wenn die Banker  nicht mehr an den überall gleich gültigen Wert des Dollars glauben, sich lieber mit Schweizer Franken und Euros eindecken, verliert der Dollar an Wert. Genau das droht unserer Kirche, wenn wir vordergründig  Anleihen bei Badbanks wie Feminismus, beim Konstruktivismus, beim Kommunismus und all dem Teufelswerk machen. Es ist furchtbar. Die Menschen schlagen Dich schon wieder ans Kreuz! Herr – hilf unserm Unglauben!“

Jesus  liebevoll: „Die Menschen haben mich tatsächlich auf diese Rolle am Kreuz festgenagelt. Und das ist auf Dauer sehr anstrengend und unbequem. (Jesus lässt die Arme sinken) Ich bin aber viel mehr, bin Rabbi und Heiler, Gesellschaftskritiker, Befreier und Prophet. Und so ist es auch mit Gott – er ist viel mehr als ein Vater und Ihr seid viel mehr als seine Kinder. Mit Geisteswissenschaft allein sind Menschen nicht zu definieren. Ihr seid in Wahrheit so heilig und wunderbar, dass dies alle Vor – Stellungen sprengt. Ihr könnt es nur nicht sehen – – – – –  (kraftvoller) : Es gibt folgende Legende: Schon als ich geboren wurde, ging das Gerücht durch Nazareth, ich sei ein uneheliches Kind, meine Mutter sei eine sogenannte Hure. Ich habe mich so für sie geschämt. Die Kinder des Ortes nannten mich Hurensohn. Ich hielt das nicht aus, wollte dieses Weib auf Distanz zu mir halten. Was hatte ich schon mit ihr zu schaffen“.

Camillo mitleidsvoll: „Und Josef, hat er dir nicht geholfen?“

Jesus: „Der war immer als Zimmermann immer auf Großbaustellen der Römer und an mir hatte er wohl kein wirkliches Interesse, aber wenn ich seine Frau beschimpfte, weil ich gehänselt wurde, schlug er mich. Vielleicht war ich tatsächlich kein Kind von ihm.  Ich wandte mich in meiner Not an den Allmächtigen, der nach Meinung der Schriftgelehrten  in einem Licht wohnt, da niemand (hin) zu kommt.  Ich tauchte aber trotzdem ein in seinen Glanz und ließ mich taufen. Ich weinte vor Glück. Ich hatte die Vorstellung endlich den Vater zu haben, den ich so dringend brauchte, einen, der mich aus dem seelischen Elend heraushob, der mir sagte, dass ich für ihn etwas ganz besonderes sei, dass er an mir sein Wohlgefallen habe. So fühlte ich mich dann in seinem Glanz wie ein von ihm berufener besonders geliebter Sohn.  Das war sehr wichtig für mich. Angeblich entstand so später das Vater Unser. Aber es war nicht leicht für mich. Ich musste die Gottesfurcht ablegen, die Distanz und die Vor-Stellungen und Vorurteile  überwinden, die die Pharisäer zwischen Mensch und Gott gesetzt hatten. Ich sagte den Jüngern, auch sie sollten sich wie ich von ihrer Familie lossagen und die „Toten“ die Toten begraben lassen. Ich war damals sehr radikal und manches würde ich heute nicht mehr so sagen“.

Camillo beteuernd: „Ja, und es war doch auch wirklich so. Tatsache! Gott ist Dein Vater und Du bist sein Sohn. Im „Vater Unser“ dürfen wir alle Vati zu Gott sagen, denn das hebräische Wort heißt auf Deutsch Papa, auf Englisch Daddy und auf Türkisch Babba. Dein Papa ist auch unser Papa…. Hast du gesagt. Das ist doch die Wirklichkeit“.

Jesus eher selbstmitleidig: „Ach Camillo,  ungläubiges Geschlecht,…  Wie lange soll ich euch ertragen? Das sind doch alles nur Vorstellungen, an die Ihr Euch klammert, die im Gehirn entstehen, keine Offenbarungen. Auch was ich gerade erzählte, ist nur eine Legende!  Gott wollte scheinbar, dass ich mich kreuzigen lasse. Handelt so ein guter liebender Vater im Himmel? Nein. Aber auch, dass Gott der gute Hirte ist, der es uns an nichts mangeln lässt, das ist doch nur eine Vor-Stellung, ein frommer Gedanke, eine Idee! (spricht begeistert:) Als ich am Kreuz starb, erkannte ich, dass hinter der Vorstellung vom guten Hirten eine ganz andere Wirklichkeit existiert. Darum  wurde nicht mein Unglaube groß sondern mein Glaube. Ich dachte zum Schluss „Nun, nach dem Ende aller Vorstellungen und Illusionen befehle ich meinen Geist einzig und allein in seine Hände. Ach (!) wenn Ihr sehen könntet, wie Ihr in Wahrheit (unter Dreck und Asche aus Angst und ungelebter Liebe) glüht!“ Blind seid Ihr in Eurer Selbsteinschätzung. …Ihr wollt als Klimaaktivisten die Erde retten. Was für Ein Größenwahn! Die Erde hat Euch neben vielen andern Menschenarten  entstehen lassen und sie wird auch Euch überleben und neue Menschenarten hervorbringen.

Camillo begeistert: „Aber Herr, es gab doch ein Happy-End, Deine Auferstehung! Und die Vorstellung vom guten Hirten hat doch millionen Mut gemacht und sie getröstet.“

Jesus: „Ich glaubte nicht an Reanimation in letzter Minute, an Gott als einen Notarzt, der mich wieder mit ein paar Kraftstößen ins Leben zurück holt. Ich vertraute darauf, dass auch ich mich als Mensch und Glaubender verwandeln werde bis über den Tod hinaus, wie sich auch die Gottesbilder und der Glaube ständig transformieren, je nach den  Wünschen, Erkenntnissen, Erfordernissen und Bedürfnissen der Menschen, meist der Mächtigen. Die Transformation gab mir die Kraft zur Auferstehung. Es geschah mit der Auferstehung Transformation statt Reanimation. Es muss etwas vergehen, damit neues entsteht. Das Korn muss in der Erde vergehen, damit eine Ähre entsteht. Das solltest Du anerkennen! Es ist das Gesetz der Erde“.

Camillo traurig und empört: „Dann bist Du gar nicht leiblich auferstanden?“

Jesus wieder sanft und liebevoll aber auch selbstsicher: „Du musst die Jünger verstehen. Sie hielten die Wirklichkeit des Todes (das Gesetz der Erde)  nicht aus, das Zerbersten all ihrer Illusionen und Hoffnungen. Sie irrten verängstigt umher und suchten nach Gründen, einem Sinn und einer Ordnung im ganzen Durcheinander.  Sie brauchten Vorstellungen, um glauben zu können. Ich weiß jetzt, was ich damals in meiner Bergpredigt vergessen habe: Selig sind, die Gott nicht mehr suchen müssen, denn sie haben sich selbst gefunden!  Bei mir war das ohne leiblichen Vater ein langer schwerer Weg. Alles Leben ist ständiger Wandel und Gott ist das Leben, die Veränderung. Auf Ihn sollen wir uns einlassen. Ihm, diesem Wandel dürfen wir vertrauen. Dann wird auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegensenden“.

Camillo wild gestikulierend: „Aber, Herr,  genau das, der Wandel  macht mir Angst. Gott macht mir Angst! Nun sollen sogar Frauen kirchliche Ämter bekleiden. Benedictus, einer Deiner beiden Stellvertreter, warnt  vor der Auflösung des Zölibats. Er fürchtet, das wäre ein Dammbruch des Unglaubens. Am Ende haben wir nur noch so wenig Glauben und Kirchgänger wie die Protestanten. Wo soll das noch hinführen?! Auch die Vorstellungen von einer würdigen heiligen Amtsführung werden durch die Moderne zerstört. Wer sollte uns Priestern dann noch glauben? Und wenn sich die Menschen so einen „Kuschelgott“ vor-stellen, der ihnen gnädig ohne Beichte und Buße die Sünden nicht anrechnet – wer braucht dann noch Priester? Und was bleibt? Das Christentum muss Dir doch am Herzen liegen! Deinetwegen heißen wir doch Christen!“

Jesus verbittert:  „Die Christen haben mich benutzt und vereinnahmt! Ich wollte nie ein Christentum gründen, eine neue Religion. Das war Paulus. Er ist Euer Religionsstifter! Was bleibt? Es bleiben die Gemeinschaft der Gläubigen, Du und ich, jene, die mit uns nichts zu tun haben wollen und Gott, Vater Unser! Das andere, die Theologie, Eure ach so  schlauen Bücher –  das  vergeht – irgendwann. Aber Ihr Priester glaubt „Wie es war vor aller Zeit, so bleibt es in Ewigkeit“. Nein! Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. In welchem Psalm stand das doch gleich?

Camillo erstaunt: „In keinem , Herr! Da seht ihr’s! – auch Ihr seid schon  Opfer der Diktatur des Relativismus. Oder meint Gott, es sei  „relativ“ egal, ob wir die Bibel oder die Bildzeitung lesen?

Jesus (räuspert sich): „Entschuldige! Ich habe die Bibel nicht sehr aufmerksam gelesen und mir nicht alles gemerkt. Die Deutungen und Umdeutungen in den Evangelien amüsierten mich allerdings. Vor allem war ich ein radikaler Endzeitprediger, der sich wie alle seinesgleichen geirrt hat.“. „Nicht alle Anteile im christlichem Glauben sind gleichermaßen „glaub-würdig“. Nicht alle Anteile christlicher Gottesbilder sind gleichermaßen Eures Glaubens würdig. Und schon gar nicht verdienen alle äußeren und inneren Stimmen, die uns etwas über Gott und die Welt (und uns selbst) erzählen wollen, dass Ihr ihnen gleichermaßen glaubt“. Solange Menschen hinter allem demütig etwas Namenloses spüren, einen letzten Grund, eine letzte Ordnung, einen letzten Sinn, ist es ihm oder ihr, also Gott egal, bei welcher Lektüre Menschen ihn oder sie oder es erleben

Jesus unsicher: „Camillo, sag mal, wo stand gerade das Glaubwürdigkeitszitat nochmal?“

Camillo genervt aggressiv: „Bestimmt nicht in der Bibel!“

Jesus lächelnd:  „Ach, ähm, Camillo, von wegen Finanzkrise… was war besser, die Reichsmark oder die D-Mark?“

Camillo erschrocken: „Herr, ich weiß es nicht. An der Reichsmark klebt das Blut der Juden, an der D-Mark das, der 3. Welt. An beiden klebten die Hoffnung und der Glaube von Millionen.“

Jesus spöttisch: „So ist es. Jetzt glauben einige Frauen, Gott wäre besser, wenn er eine Frau wäre, aber auch die D-Mark musste letztlich  etwas größerem weichen. So ist es mit dem Feminismus und allen Vorstellungen. Habe jetzt die Fragen der Frauen erst mal „lieb“*, gerade, wenn Du mit den Antworten jetzt noch nicht leben könntest.  „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Camillo, in welchem Psalm steht das oder soll ich das gesagt haben?

Camillo lakonisch: „Prediger Salomo Kapitel 3 Vers 1. Es steht in der Bibel, Herr! Und das davor* war von Rainer Maria Rilke“.

Jesus erfreut: „Camillo, gut dass ich meine Priester habe, die über alles so gut Bescheid wissen! Aber das etwas bestimmtes in der Bibel oder im Koran steht, ist dem einen Gläubigen einzig Grund zum Krieg und dem andern allein Grund zum Frieden – was nützt dann Euer sogenanntes Wissen?  Ihr seid für Euren Glauben und Eure Überzeugungen selbst-verantwortlich! …. aber Gott muss für alle angeblich ein Mann sein, denken sogar die Ungläubigen. Das sind Vorurteile und die Bibel ist kein Rezeptbuch.  Es hat Papa in seiner kreativen Schöpfung gefallen, neben dem Glauben auch die Versuchung zu erschaffen. Ich habe so die Vorstellung, dass Papa als Schöpfer der Versuchung  der Versuchung Einhalt gebieten kann.  Aber trotzdem werden  Menschen versucht sein, Vor-Stellungen der Propheten und Jünger dogmatisch für alle Zeiten festzuschreiben. Papa und Mamma im Himmel möchten aber (wenn überhaupt)  gleichberechtigt Gott sein. Sag das Deinen Feministinnen!  –  Amen“

Camillo belehrend: „Herr, dass Du immer das letzte Wort haben musst, ist auch nur eine Vorstellung und sie ist nicht immer hilfreich und heilsam.  – Wie betest Du denn heutzutage das Vater Unser?“

Jesus sagt nüchtern:  „Mal so, mal anders. Die Anlässe sind ja verschieden. Manchmal bete ich so: Liebe Mamma im Himmel, lieber Papa im Himmel, Du bist uns heilig. Deine Welt darf unsere Welt sein hier bei uns wie dort bei Dir. Nicht nur unser Wille, sondern Dein Wille soll gelten im Diesseits und im Jenseits. Gib uns, was wir brauchen. Entschulde, was wir schuldig sind, wie auch wir großzügig vergeben sollten denen, die uns etwas schuldig geblieben sind. Bewahre uns vor der Versuchung, Dich, uns selbst, die Natur und einander  respektlos  zu missachten. Befreie uns von allem Unguten. Dein ist alles, die Kraft, die Herrlichkeit in alle Ewigkeit!“

Camillo (hat das letzte Wort und betont dies) trotzig: „Amen!“

Prediger: Nach dem Gottesdienst gibt es Gelegenheit für ein Predigtnachgespräch in der Gruppe.

 

 

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