Krippenspiel MCC Köln, 24. Dezember 2018
Ines-Paul Baumann
Lukas 1,46-56 & Lukas 2,1-7
(Vorweg: Ich muss mich bei Josef entschuldigen. So wie hier dargestellt war Josef bestimmt nicht. Ich lege ihm Sachen in den Mund, die er so niemals gesagt hätte. Aber seine Figur bot sich einfach an dafür. Tut mir leid, wenn ich dir Unrecht tue, Josef! Maria kann dich bestimmt verstehen. DAS Schicksal teilt sie mit dir… von Beginn an…)
Zum Krippenspiel: Maria wird von Josef durch die Gegend gezerrt. Fast durchgängig redet nur Josef. Ab und an bleiben sie irgendwo stehen. Dort erklingen dann verschiedene Versionen des Liedes „Stille Nacht, Heilige Nacht“.
Dieses Lied wurde 1818 das erste Mal aufgeführt, also vor genau 200 Jahren. Es prägt viele Wunschvorstellungen vom Heiligen Abend: Still soll es sein. Friedlich. Kein Lärm, kein Leid, kein Geschrei. Keine Bomben. Tatsächlich brachte es im Ersten Weltkrieg Waffen zum Schweigen.
Heute erleben viele die weihnachtliche Stille aber auch als verlogen. Der weihnachtliche Friede wird oft durch Schweigen erkauft – teuer erkauft. Konflikte werden nicht gelöst, sondern für einen Tag ignoriert, beiseite geschoben, unter den Teppich gekehrt – meistens zulasten derer, die eh schon oft zum Schweigen gebracht werden. Die den lieben Frieden stören, weil sie „anders“ sind oder ihre Stimme erheben, wo Ungerechtigkeiten und Gewalt herrschen (auch im alltäglichen Sprachgebrauch oder im Umgang mit Menschen und Ressourcen innerhalb und außerhalb Europas).
Die Sehnsucht nach Frieden erfüllt Weihnachten bis heute. Der Weg dahin führt aber nicht aus unserer Welt hinaus. Der Weg dahin führte Gott in unsere Welt hinein. Und die war bei der Geburt Christi nicht weihnachtlicher gestimmt als unsere Welt heute.
Josef (hektisch, gestresst):
Mann Mann Mann, Maria! Ist das voll hier! Hier ist ja GAR KEIN Durchkommen! So viele Menschen! ALLE sind auf den Beinen!
Diese Volkszählung sorgt für das totale Chaos auf den Straßen!
Wie sollen wir DA rechtzeitig ankommen??
Wir müssen noch SO viel vorbereiten!
Wie sollen wir jemals rechtzeitig fertig werden??
Guck mal, Maria, hier rechts – da ist ein Einkaufszentrum, vielleicht finden wir da die restlichen Sachen.
(kämpft sich in dem Gewühl irgendwie nach rechts durch)
[Dudelversion]
Oh nein, diese Kaufhaus-Musik! Ich werde wahnsinnig! Was hat das mit „Stille Nacht, Heilige Nacht“ zu tun?? Die Leute kapieren ja GAR NICHTS! – Maria? Maria?? (schaut sich hektisch suchend um) Ah, da bist du ja. Na komm, wir gehen weiter, du brauchst bestimmt Ruhe!
(zerrt Maria weiter)
Guck mal, da vorne, der Laden – vielleicht finden wir DA noch Windeln. Komm, wir schauen mal.
Hier sind wir schon. Komm rein.
[Babyversion]
(schaut sich um) Meine Güte. So viele Sachen. Plastikzeug in rosa und in hellblau, Blinkezeug in rosa und in hellblau, Computerzeug in rosa und in hellblau, Kuschelzeug in rosa und in hellblau… Aber wo liegen die Windeln? Ich frag mal, warte.
Ah, hier gibt‘s nur Spielzeug. Windeln gibt‘s im Laden die Straße runter links. Komm, Maria! Wir müssen fertig vorbereitet sein, wenn das Kind kommt!
(zerrt Maria weiter)
Ah, guck mal hier: „Gasthaus zum goldenen Adler“. Hier können wir uns vielleicht schon mal ein Zimmer reservieren! Dann kannst du dich schon mal hinlegen, und ich bereite alles vor! Komm, wir klopfen mal.
[Countryversion]
Oh – eine American Sportsbar, mit Sportfernsehen überall und Beefsteaks. Ja ja: Brot und Spiele, so haben schon viele Völker die Füße still gehalten…!
(zerrt Maria weiter)
Komm! Wir haben nicht mehr viel Zeit, um eine Unterkunft zu finden.
Hallo, dürfen wir mal durch? Danke…
Mann Mann Mann, wie sollen wir jemals rechtzeitig fertig werden??? Das schaffen wir NIE, Maria!
Diese ganzen Leute! Wie sollen wir da vorankommen….
(zerrt Maria weiter)
Oh Mann, und jetzt geht gar nix mehr. Was ist denn jetzt schon wieder los! Hallo? Weiß jemand, warum alles steht? (reckt den Kopf) Ich sehe Transpas. Und warte – hörst du das auch?
[Volksmusikversion]
Ach schau mal, Maria: Der lokale Heimatverein protestiert gegen all die Fremden in der Stadt. (liest stockend vor:) „Unsere – Heimat“ – Mann das ist aber auch schlecht zu lesen, ich kann das kaum sehen, so wie die das halten! (reckt auf Zehenspitzen den Kopf:) „Unsere – Heimat – gehört – uns! – Keine – fremden – Religionen!“ (dreht sich erleichtert zu Maria um:) Na immerhin hat unser Kleiner nicht vor, eine neue Religion zu gründen, haha!
Komm, wir kommen da schon irgendwie durch.
(zerrt Maria weiter)
Puh, endlich mal ein bisschen Platz. Na kein Wunder. Da vorne stehen die wieder in der Fußgängerzone und wollen unser Geld haben.
[Panflötenversion]
Der Anblick dieser armen Leute kann einem echt die Laune verderben!
Ach so, der bettelt gar nicht, der will seine CDs verkaufen. Überall Händler, Händler, Händler! Verkauf, Verkauf, Verkauf! Fressbuden und Dudelmusik!
Komm weiter, Maria! Nicht aufregen, hörst du, nicht aufregen jetzt! Alles ist gut, alles ist gut, alles ist gut…
(zerrt Maria weiter)
Na also, hier, guck mal: „Für Gäste aus aller Welt“. Das klingt doch nett, hier können wir vielleicht übernachten, vielleicht sind die sogar für Babys ausgerüstet. Lass uns da mal nachfragen. (klopft)
[Jazzversion]
Ach so, ein Club mit KUNST aus aller Welt! Kunst und Kultur mit Häppchen originaler indogener Ess-Traditionen. Die machen mittlerweile auch mit ALLEM Geld. Komm, Maria, das ist zu teuer für uns!
(zerrt Maria weiter)
Geht‘s, Maria? Alles ok bei dir? Ganz ruhig, ja? (fast mehr zu sich selbst:) Gaaaanz ruhig! Alles wird gut! Gleich finden wir ein schönes Zimmer, dann machen wir es schön warm, machen alles ein bisschen hübsch, und dann kann der Kleine kommen. Einen schönen Empfang werden wir ihm bereiten! Einen WÜRDIGEN Empfang! Alles soll stimmen für den Kleinen! Nicht, dass das Kind schon bei seiner Geburt einen Schock bekommt! Eine Heilige Nacht, eine Stille Nacht, SO soll es sein. Alles wird gut…
(schreckt auf:) Windeln! Wir haben immer noch keine Windeln! Oh je oh je, wie sollen wir das jemals schaffen…. Wir werden NIE fertig bis zur Geburt…
(zerrt Maria weiter)
Hier, guck mal, hier sind gerade ein paar Leute reingegangen: „Soli-Konzert zugunsten der Obdachlosen“. Hey, vielleicht haben DIE einen Tipp, wo wir unterkommen können! Komm, wir fragen da mal!
[Rockversion]
(schreckt zurück) Hoppla, was ist DAS denn? DAS soll solidarische Gefühle fördern? Die haben ja GAR keine Ahnung! (wendet den Kopf im Weggehen zurück und schimpft Richtung Konzert:) Wie UN-WEIH-NACHT-LICH! Ganz und gar UN-BE-SINN-LICH!
Komm, Maria, weiter!!! (dreht sich besorgt zu Maria um:) Maria? Maria? Wie – es geht los? Sei doch mal still, Maria, gaaanz still jetzt… Nicht so laut stöhnen, Maria, gaaaanz ruhig…
(guckt sich hektisch um)
Hallo, Sie da? Haben Sie ein Dach über‘m Kopf für meine Frau und mich? Ja Mann, JETZT! Kein Zimmer mehr frei? Nur da hinten? Ok, Maria, komm!!!
(zerrt Maria weiter)
Äh – ein Stall? Ein STALL? (selbstmitleidig:) Ein Stall… (jammernd:) Ein Stall…. (verärgert:) Ein Stall…!!! Da hätten wir da direkt in eine Schrotthalle gehen können! Ich bin ja Handwerker, aber bis ich HIERAUS etwas gemacht habe, wo andächtig ein Kind geboren werden kann… Das bekomme ich NIE so schnell fertig… (genervt zu Maria:) Maria, jetzt sei doch mal still! Stöhn doch nicht so laut! Wie soll ich denn da nachdenken können bei dem Lärm?!! SO KANN ICH MICH NICHT KONZENTRIEREN!!!!
Maria (seelenruhig und klar): Er ist da.
Josef (sackt in sich zusammen, fast resigniert): Aber wir waren doch noch gar nicht fertig…
Sind wir jemals fertig – „fertig genug“ – für Gott?
Was würde das bedeuten, für Gott „fertig“ zu sein? Für Gottes Gegenwart in unserer Welt, in unserem Leben, in uns? Was macht einen Menschen „fertig genug“, um in der Gegenwart Gottes zu leben?
Rituale? Geistliche Übungen? Lobpreis und Anbetung? Sündenbekenntnisse? Unterweisungen in die richtige Lehre? Taufe? Spirituelles Wachstum?
Maria und Josef zeichnete nichts davon aus. Wir müssen nichts tun oder vorweisen, um uns mit hineinnehmen zu lassen in Gottes Gegenwart in unserer Welt. Wir müssen nicht mal RAUS aus unserer Welt – in andere Länder, in die Natur, in Kirchen, in Meditationen, in Klöster, in Selbstgeißelung.
An Weihnachten feiern wir: Gott kommt zu uns.
Da, wo wir sind.
So, wie wir sind.
Damals wie heute. Jeden Tag. Jede Sekunde. Jede Ewigkeit.
Du musst nichts tun. Gott ist da.
Du musst nichts verändern. Gott ist da.
DAS kann ALLES verändern.
Umkehr, Erneuerung und Friede sind keine VORAUSSETZUNGEN FÜR Gottes Gegenwart in dir und deinem Leben.
Umkehr, Erneuerung und Friede sind die FOLGEN VON Gottes Gegenwart in dir und deinem Leben.
Gesegnete (und folgenreiche…?) Weihnachten!