Predigt MCC Köln, 16. Dezember 2018
Manfred Koschnick
Jesaja 40,1-11 („Des Herrn tröstendes Wort für sein Volk“)
Brüder und Schwestern, göttlich geliebte Gemeinde!
Tröstet mein Volk! Wichtig und grundsätzlich für unseren heutigen Text ist m. E., dass der Wortursprung von Trost die Treue ist, – wortverwandt mit Vertrauen. Vertrauen ist nächstes Jahr auch das Thema des Ev. Kirchentages in Dortmund. Das Thema liegt „in der Luft“. Und das ist von jeher eine der wichtigsten Glaubensfragen: Kann ich Gott vertrauen? Die Frage ist gekoppelt an die Fragen, ob es Gott überhaupt gibt und ob er gerecht ist. Der Text aus Jesaja ist da twas widersprüchlich und gar nicht so kuschelig weihnachtlich, wie ich es gerne hätte. Er kann Angst vor Gott machen… oder aber Vertrauen in ihre heilsame mütterliche Kraft bewirken. Wir könnten viele Bücher über die dunkle und die helle Seite Gottes schreiben. Ich muss und will mich hier auf wenige Aspekte beschränken. Ich fange mit dem Thema Angst an und schalte dann radikal um zum Thema Hoffnung und Vertrauen. Was Ihr aktiviert, entweder Angst (den Horrorfilm) oder Hoffnung (den Liebesfilm mit Happy End) entscheidet Ihr selbst – wie wenn man die Sender in einem Radio oder Fernseher einschaltet.
Wen verkündigt der biblische Text? Ist es der eingebildete eitle und rachesüchtige Gott, der nach Belieben seine Menschen quält und tröstet? Ja, das ist aus heutiger Sicht die eine dunkle Seite des Textes.
Nun folgt eine Anleitung zum Unglücklichsein.
Man kennt das ja aus sadomasochistisch verstrickten Beziehungen. Der Mann z.B. schlägt die Frau. Dann ändert der Mann reumütig seine Meinung, seine ganze Haltung und tröstet die Frau. Er schwört, dass es nie wieder eine Sintflut – äh… eine körperliche Gewaltgegen sie geben wird. Die Frau glaubt und vertraut …immer wieder aufs Neue, nennt es Liebe. Sie glaubt an ihn und vertraut, und kann und will sich aus der wechselhaften, oft brutalen „Ehe“ nicht befreien. Kennen einige von Euch dies auch …in ihrem Glauben? Ich selbst empfinde es als absolut demütigend, vom Täter getröstet zu werden. Es zeigt mir, wie einsam ich mit dem Täter bin, ähnlich den Leibeigenen ohne Zeugen, ohne Anwalt, ohne Richter, denn Gott ist diese alle (Zeuge, Anwalt, Richter) in Einem – ähnlich einem russischen Gutsbesitzer im 19. Jahrhundert. Gott in dem Text aus Jesaja ist außerdem ungerecht; sie straft doppelt! „Kapitel 40, Vers 2) Es heißt da „… sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden“. Gerecht gilt heutzutage, wenn man für ein Verbrechen nur ein Mal verurteilt und bestraft wird.
Im deutschen Grundgesetz steht, dass die Menschenwürde unantastbar sei bzw. sein sollte. Bei und für den Gott Jesajas gilt das deutsche Grundgesetz (natürlich) nicht. Leider! Er steht wie alle Diktatoren über dem Recht – über dem Gesetz. Heuschrecken, den Tieren gleich, werden wir durch die Worte des Propheten von ihm genannt. Das ist menschenunwürdig!
Haben wir vielleicht doch einen Grund zur Hoffnung und Vertrauen in die Existenz Gottes? Glaube und Vertrauen hilft uns dabei als göttliche tröstende Kraft, die Antwort zu finden… Sie hilft, die heutigen Probleme in größerem historischen Rahmen zu sehen. Gott fragt Hiob: „Wo warst Du als ich das Sternbild des Orion erschuf? Stellt Euch einmal vor, wie Hiob zum Nachthimmel aufschaut und staunt und Raum in sich selber schafft für eine ganz neue Perspektive. Das ist nicht die Alltagsperspektive. Nein. „Vertraue Gott und binde Dein Kamel an!“, heißt es im Islam. Aber ohne Vertrauen ist eine vertraute Beziehung unmöglich!
Dann schalten wir doch jetzt mal um auf den Sender des Vertrauens und der Hoffnung:
Die Sendung auf dem andern Kanal heißt nun: Das Glas ist halb voll!
Die Welt ist gar nicht so schlecht. Ihr wohnt eine heilige und heilsame Entwicklung inne, in der Gott sich wie in Jesaja, Kapitel 40 in ihrer friedensstiftenden liebevollen Eigenschaft offenbart. Der Sendbote heißt Jesaja.
Vers 28 Begreift ihr denn nicht? Oder habt ihr es nie gehört? Der HERR ist der ewige Gott. Er ist der Schöpfer der Erde – auch die entferntesten Länder hat er gemacht. Er wird weder müde noch kraftlos. Seine Weisheit ist unendlich tief.
Als Schöpfer ist er die Ursache von allem! Die Kraft des Schöpfers zeigt sich nicht nur wie bei Hiob am Nachthimmel, sondern auch in der nicht endenden biologischen, historischen, politischen, kulturellen und damit auch religiösen Evolution und der Reformation seiner Kirchen. Das Sterben des Einzelnen ist für das Funktionieren unserer schönen Welt unentbehrlich. Wären alle jemals gelebten Menschen nicht gestorben, wäre hier die Hölle los und es gäbe keine evolutionäre Entwicklung. Die höhere Macht ist Herrscherin über Leben und Tod. Mit dem Sterben sind wir in ihren Dienst gestellt zum Wohle der ganzen wunderschönen Erde. Die Kraft der Schöpfung kann unter Umständen trösten. Hier sind mal 10 weitere Beispiele.
- Ich finde, dass wir Christen stolz auf den eigenen von Gott geschenkten Glauben sein können, in den die meisten von uns (wie) zufällig hinein geboren wurden. Aber ja! Bei Christen genauso wie in Israel sind die konkreten hilfreichen Taten der Nächstenliebe wesentlich, die sich hin zu einem differenzierten gut geordneten Sozialstaat weiterentwickelt haben. Die christliche Moral erschafft eine spirituelle und politische Vision, die Mut macht, das Recht nicht allein dem Stärkeren zu überlassen. Mögen alle fühlenden Wesen glücklich sein!
- Menschenwerk in christlicher Kultur muss nicht automatisch schlecht sein, sondern kann dem Fortschritt (der Reformation) dienen. Gott hat Adam&Eva so erschaffen, dass sie ungehorsam wurden und dadurch ein Gespür für den Unterschied zwischen gut und böse entwickelten. Die Folge ihres Ungehorsams war das Erwachsenwerden, die Mündigkeit vor Gott, die Sexualität – also die Voraussetzung für das Entstehen einer ganzen Menschheit. Gottes Fluch der Arbeit bei der Vertreibung aus dem Paradies sorgt bis heute für Entwicklung und technische Innovation. Im Mittelalter waren sehr weite Teile Deutschlands wegen der flächengreifenden extensiven Landwirtschaft total abgeholzt. Das war ein Waldsterben! Dann kam der Kunstdünger… Und wer redet heute noch von Waldsterben?
- Ja, die Bienen und andere Insekten sterben heutzutage an Pestiziden, durchschnittlich jeden Tag 165 Arten. Aber es gibt eine Hoffnung, nämlich die Solidarität mit den Tieren. Im Hambacher Forst demonstrierte eine kleine Gruppe gegen die Rodung des alten Waldes und baute wie Kinder Baumhütten in die Bäume. Erst wurden sie nicht ganz ernst genommen. Aber diese „Ökospinner“ (so RWE als es die Polizei bat, diese Eindringlinge zu entfernen) haben die politische Diskussion über Umweltschutz in ganz Deutschland mobilisiert. Die Solidarität ist ein zeitgemäßer Trost, der uns Christen heute möglich ist. Tröstet, tröstet mein Volk, spricht der Herr! Stehen wir also solidarisch auch an der Seite derer, die unter Gott oder den eigenen Vergehen an der Natur leiden oder sich fragen „Womit hab‘ ich das ‚verdient‘“?
- Dass die Sünden und die Schuld der Menschheit zunehmen, kann ich realistischerweise überhaupt nicht bestätigen. Die allgemeine Kriminalität z. B. hat in Deutschland in den letzten 10 Jahren deutlich abgenommen. Die Therapieerfolge bei Sexualstraftätern sind gestiegen – davon spricht aber keiner. Niemals in der Geschichte der Menschheit gab es so wenig Kriege wie heutzutage. Die Zahl der Hungernden wurde in den letzten 30 Jahren halbiert.
- Die medizinischen Fortschritte nehmen zu. Wer würde heute zum Zahnarzt oder in die Psychiatrie gehen wollen unter den Bedingungen des 19. Jahrhunderts? Niemand! Pest und Cholera sind weitgehend ausgerottet. Die Lebensdauer eines Menschen wird im Rahmen medizinischen Fortschritts immer länger. Und all das verdanken wir Gottes Kraft und auch dem Ungehorsam, der sich auch in der französischen Aufklärung zeigte und heute in der Theologie Gott sei Dank konstruktiv integriert ist. Und warum sollte die Genmanipulation der Menschen angesichts einer Klimaentwicklung, die schneller ist als die natürliche Erbmutation, nicht Gottes Schöpfung sein können… ? Vielleicht ist die Genmanipulation und das Klonen von Menschen mit klimaresistentem Erbgut die Barmherzigkeit Gottes angesichts der von Menschen verschuldeten Klimakatastrophe.
- Bei der Kritik am allmächtigen Gott vergessen viele, wie wichtig bei einem verunsicherten Kind starke Eltern sind. Eltern, die Kindern nur ein kuschelnder Spielkamerad sein wollen, überfordern das Kind. Und manche sehen auch Gott nur noch als kuscheligen Spielpartner. Ohne glaubwürdig starke beschützende Eltern fehlen jedoch Orientierung, ethische Maßstäbe, die kritische Selbsterkenntnis und das demütige Hinnehmen und Annehmen dessen, was wir nicht ändern können – wie Jesus dies dramatisch vorlebte. Die trockenen „Anonymen Alkoholiker“ haben recht, wenn sie sagen, dass nur eine Kraft größer als sie selbst sie von der Sucht befreien konnte.
- Wir haben nicht die Verpflichtung und nicht die Möglichkeit, ständig glücklich zu sein, aber in Deutschland haben wir die moralische Verpflichtung, angesichts asphaltierter Straßen, funktionierender Krankenversicherungen und (jedenfalls für Euch) ein Leben ohne Hunger …“zufrieden“ zu sein. Realistische Maßstäbe sind ein Merkmal spiritueller Entwicklung. Nichts gegen Luxus, aber es gilt auch, ihn erst einmal überhaupt zu erkennen und wertzuschätzen und nicht für selbstverständlich zu halten. Auch Luxus ist Schöpfung, für die wir verantwortungsvoll sorgen sollen, damit er vielen nützlich ist, die Natur nicht schädigt und die Gesellschaften nicht spaltet. (Jeder weiß, was Luxus ist: Alles wo Zucker drin ist, teurer Schmuck, frisches Trinkwasser, täglicher Fleischkonsum, Parfum, Auto fahren, usw.)
- Die Gleichberechtigung von Mann und Frau hat gegen alle Widerstände der Kirchen zugenommen. Frauen werden nicht mehr als Hexen verbrannt. Frauen wurde vor einhundert Jahren in Deutschland das Wahlrecht erteilt. Sie dürfen nach dem 2. Weltkrieg irgendwann auch ihr eigenes Bankkonto haben und Arbeitsverträge selbständig, ohne Erlaubnis und Unterschrift des Mannes, abschließen usw. Im Schlepptau der Frauenemanzipation gibt es auch weniger Homophobie.
-Kleine Pause, Zeit zum Nachdenken.- - Schaut jetzt mal auf Euren Bauch und Eure Brust, – wie sie sich bei jedem Atemzug von selbst hebt und senkt… – Auch das ist die Kraft Gottes. Ihr dürfen wir vertrauen. Sie arbeitet für uns – ganz ohne unser Eingreifen, ohne unsere Kontrolle…. Bis ans Ende unseres Erdenlebens!
- Mir sind noch 20 andere Beispiele eingefallen, die ich aus dem Text herausstreichen musste, um nicht mehr als 3 Seiten lang zu predigen. Nur noch ein Gedanke zum Schluss: Wer erinnert sich an die Urgroßeltern oder Ur-Urgroßeltern? Niemand. Der Abschiedsschmerz wird ein Ende haben. Auch Du wirst vergessen sein, wie Milliarden Menschen vor Dir.
Liturg und Prediger sprechen / lesen gemeinsam (Vers 31):
„Aber alle, die ihre Hoffnung auf den HERRN setzen, bekommen neue Kraft…. Gott wird das Lamm im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen“.
Der Gegenwart Gottes in Jesus mit dem Ehrentitel „Gottes Sohn“ gedenken wir auch wieder dieses Jahr im MCC-Gottesdienst am 24. Dezember in Anlehnung an die Bilder und Geschichten, in denen er sich auf die damals verständliche Weise in dem armen Baby in dem Futtertrog für Tiere (also in dem späteren Bibelerklärer und Wunderheiler aus Nazareth) den Menschen der Antike gezeigt und erklärt hat. Im Stil einer Legende, wie sie die Offenbarung damals verstanden, sagten sie jene Botschaft weiter, die von der Offenbarung in jenem Futtertrog ausging. Ich bin schon gespannt darauf, wie diese Botschaft hier kommenden Montag veranschaulicht wird.
AMEN