Zum Inhalt springen
Home | Anti-Gleichnis: In wessen Augen bist du effektiv bzw. nutzlos?

Anti-Gleichnis: In wessen Augen bist du effektiv bzw. nutzlos?

Predigt MCC Köln, 24. Juli 2016
Ines-Paul Baumann

Matthäus 25,14-30: „Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten“

Die Antifa-Aufkleber, auf denen Hakenkreuze im Müll landen, mögen manche als naiv empfinden, als „zu einfach gedacht“. Unser Umgang mit den Gleichnissen Jesu ist leider manchmal ähnlich reflexhaft: „Oh, Jesus benutzt das Wort ‚Herr‘ – also redet er über Gott!“ Aber nicht jeder Herr in der Bibel ist Gott.

Die Antifa benutzt Hakenkreuze im umgekehrten Sinne als seine Anhänger es tun: Auf den Antifa-Aufklebern wird das Symbol in die Tonne geworfen. Sie machen damit deutlich, was sie eben NICHT mehr haben wollen. Genauso geht Jesus mit dem Begriff „Herr“ in seinen Gleichnissen um: Manchmal macht er deutlich, was er eben NICHT mehr haben will. Das Gleichnis in unserem heutigen Predigtext ist genau so ein „Anti-Gleichnis“.

Nicht alles, was in der Bibel steht und was Jesus gesagt hat, ist Vorbild und Aufforderung an uns, dem „Herrn“ zu folgen. Das heutige Gleichniss ist uns vielmehr eine Warnung; es zeigt eine Gefahr an: Folgt diesem „Herrn“ NICHT!

Wichtig für dieses Gleichnis ist der Zusammenhang, in dem es erzählt wird. Das Hakenkreuz ruft unterschiedliche Gefühle hervor, je nachdem, von wem es verwendet wird. Ohne Kenntnis des Umfelds können wir nicht beurteilen, womit das Hakenkreuz aufgeladen wird. Steht es für etwas ganz Tolles, dem alle unbedingt folgen und dienen sollen? Oder steht es für etwas ganz Schreckliches, wo unbedingt Widerstand angesagt ist? Genauso ist es mit dem „Herrn“, von dem Jesus hier spricht. Sollen wir ihm folgen, oder sollen ihm wehren? Entscheidend für die Klärung ist das Umfeld.

Wovon spricht Jesus DAVOR?

  • Seligpreisungen (Mt 5,3ff)
  • „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden“ (6,19ff); „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (6,24)
  • „Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen….“ (19,16-25)

Jesus legt seine Werte und Maßstäbe dar. Darin ist ein deutlicher Gegensatz erkennbar, was die Welt Gottes und die Welt des „Mammons“ angeht.

Wovon spricht Jesus DANACH?

  • Vom Weltgericht. Gerettet ist, wer den Armen (!), Fremden, Kranken und Gefangenen (!) beigestanden hat. („Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ 25,40)

Jesus macht klar, dass für Gott letztlich genau die Werte und Maßstäbe entscheidend sein werden, die er eben dargelegt hat. Er identifiziert sich sogar persönlich mit Armen und Gefangenen.

Für wen Jesu Herz schlägt, ist eindeutig. Er schlägt sich auf die Seite derjenigen, die in einem finanziellen System auf der Seite der Verlierer stehen. (Um so höher ist anzuerkennen, dass er auch Reichen und Unterstützern des Systems immer genauso viel Respekt und Liebe entgegengebracht hat!)

Mit diesem Wissen lesen wir nun nochmal das Gleichnis, also im Licht der Maßstäbe Jesu:

Noch ’ne Story: Da war so ein Typ von einer Vermögensverwaltungsfirma, der sich mal ’ne Auszeit nehmen wollte. Er organisierte ein Treffen mit allen Angestellten und gab jedem die Order, mit seinem Geld das Bestmögliche anzufangen.
Dem besten der drei Mitarbeiter gab er 500 000 Euro, der zweite bekam 200 000 und der dritte 100 000 Euro. Dann nahm er den nächsten Flieger und verschwand.

Der mit den 500 000 Euro arbeitete viel mit dem Geld, machte eine Menge Aktiengeschäfte und konnte den Betrag verdoppeln.
Auch der Zweite war recht erfolgreich, er legte seine 200 000 Euro in Immobilien an und konnte ebenfalls alles verdoppeln.
Der Dritte aber wollte auf Nummer sicher gehen. Er packte die Kohle noch nicht mal auf sein Sparbuch, er stopfte es in eine Socke in der untersten Schublade vom Klamottenschrank.

Nach ein paar Jahren kam der Chef zurück und traf sich mit seinen Angestellten im Büro, um abzurechnen.

Der Typ, der 500 000 Euro bekommen hatte, brachte eine Million zurück. Er sagte: ‚Chef, Sie haben mir damals 500 000 Euro gegeben, ich hab noch mal 500 000 draufgelegt.‘ Da war der Chef natürlich total begeistert und lobte ihn sehr: ‚Sie haben es echt gebracht! Sie sind mit dem Geld sehr gut umgegangen, ich werde Sie befördern. Wenn Sie wollen, kommen Sie heute Abend zu meiner Gartenparty, Sie sind herzlich eingeladen!‘

Dann kam der mit den 200 000 Euro und legte seinen Bericht vor. Er hatte seine Kohle auch verdoppelt. Da war der Chef echt happy und meinte auch zu ihm: ‚Sie haben es voll gebracht! Sie sind mit dem wenigen Geld gut umgegangen, ich werde Sie auch befördern. Wenn Sie wollen, können Sie heute Abend auch zu meiner Gartenparty kommen, Sie sind herzlich eingeladen!‘

Dann kam der Dritte mit den 100 000 Euro an die Reihe. ‚Sie sind doch immer so streng und hart drauf‘, meinte er, ‚und wenn ich mich auch noch so abrackere, am Ende bekommen ja eh Sie den Gewinn. Und ich hatte irgendwie Angst, dass ich das ganze Geld an der Börse in den Sand setzen könnte. Darum hab ich es in meine Socken gesteckt, da war es ganz sicher. Hier haben Sie es zurück!‘

Mt 25,14-25 (Volxbibel)

Und Jesus lässt den „Herrn“ kommentieren:

Da gab ihm sein Herr zur Antwort: ›Du böser und fauler Mensch! Du hast also gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Da hättest du mein Geld doch wenigstens zur Bank bringen können; dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückbekommen.‹ ›Nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Doch diesen unnützen Diener werft in die Finsternis hinaus, dorthin, wo es nichts gibt als lautes Jammern und angstvolles Zittern und Beben.‹«

Mt 25,26-30 (NGÜ)

„Ab in den Kerker mit ihm!“ Und was sagt Jesus direkt im Anschluss…:

„(…) ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.‹ (…) Was immer ihr für einen meiner Brüder getan habt – und wäre er noch so gering geachtet gewesen -, das habt ihr für mich getan.‹“

Mt 25,36-40 (NGÜ)

Wieso sollte Jesus sich ausgerechnet in dem Gleichnis NICHT auf die Seite dessen stellen, der hier so gering geachtet und ins Gefängnis geworfen wird?

Ich finde die Überlegungen von Marlene Crüsemann überzeugend und schließe mich ihr an: Diese Worte sind nicht die Worte Gottes, sondern die eines anderen Herrn.

Dieses Gleichnis enthält dabei sehr wohl ein Vorbild für uns. Aber unser Maßstab wird genau NICHT sein können, jetzt plötzlich entgegen der Maßstäne Gottes zu handeln – auch wenn das dazu führt, dass wir ärmer sind “als nötig“ und verspottet werden für unsere Naivität. Das kann nämlich sehr wohl passieren, wenn wir nicht immer alles mitmachen. Und dann finden wir uns genau NICHT an der Seite des hochgelobten, effektiven, „klugen“ und „treuen“ Dieners wieder, der das Geld so clever vermehrt.

Die Summen, von denen Jesus in dem Gleichnis hier spricht, waren außergewöhnlich hoch. Schon damals bedurfte es „besonderer Mittel“, um so eine Menge auch noch zu verdoppeln. Es ist kein Zufall, dass der effektivste „Diener“ nicht zu Geld kommt, indem er arbeiten geht und dafür Lohn bekommt. Oh nein: Er „begann sofort, mit dem Geld zu arbeiten“. Nicht ER arbeitete, sondern das Geld. Bei der Verdoppelung solcher Summen muss auch den Leuten damals das Wort „Mammon“ sofort vor Augen gestanden haben. Wie passt das zu den Maßstäben, die Jesus davor gerade ausgebreitet hat?

Und wie passt der „Herr“ in diesem Gleichnis zu dem Gottesbild, das Jesus sonst verkündet? „Du hast also gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe. (… ) Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ Wie sehr müssen wir uns eigentlich verbiegen, um hier noch den Gott wiederzuerkennen, in dessen Namen Jesus handelt?

Ich glaube mittlerweile, dass Jesus hier sehr konsequent zu Ende denkt, was uns passieren kann, wenn wir uns tatsächlich nach seinen Maßstäben ausrichten. Die Menschen damals werden sich dasselbe gefragt haben wie wir heute: „Meint der das ernst? Hat der denn keine Ahnung, in was für einer Welt wir leben? Der hat ja gut reden; der hat ja selber gar keinen richtigen Job. Ich WEISS, was mir droht, wenn ich das Spiel nicht mitspiele!“

Doch, das weiß Jesus sehr wohl. Dieses Gleichnis zeigt das. Er ist sich der Gefahren bewusst, die uns drohen. Ja, es IST schwer, in Bedrängnis und unter Druck dem treu zu bleiben, was Jesus verkündet!

Klar, Jesus spricht damit auch die etwas bohrende Frage aus: Für wen setze ich meine Talente denn ein?
In wessem Sinne, zu wessen Nutzen?
Auf wessen Kosten?
In was für einem Miteinander?

Der Unterschied zu dem „Herrn“ in dem Gleichnis ist aber: Jesus versteht unseren Druck, unsere Angst, unsere Lage. Er versteht es, wenn wir eingeschüchtert sind. Das Gleichnis zeugt von einem großen Verständnis dafür, warum manche eben auch mitmachen und nicht widerständig sein können.

Jesus vesteht, warum wir so handeln, wie wir handeln.

Aber er tut nicht so, als wäre das GOTTES Wille, wenn wir unter Druck gesetzt werden.

Der Vorwurf, dass wir „nutzlos“ seien, unser „Potential nicht entfalten“, unsere „Talente nicht nutzen“ – dieser Vorwurf kommt nicht von Gott. Egal, ob er im beruflichen, gesellschaftlichen oder christlichen Umfeld laut wird.


Danke an den Beitrag zu diesem Gleichnis von Marlene Crüsemann in „Gott ist anders – Gleichnisse neu gelesen“ (Gütersloh 2014)

 

Skip to content