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Nichts, was diese Welt heller macht, wird dunkler dadurch, dass man es dunkel nennt.

Predigt MCC Köln, 17. Juli 2016
Daniel Großer

Epheser 5,8b-14 „Das Leben im Licht“

Man könnte es den “Paulus-Trick” nennen, und er ist erschreckend einfach. Man nehme eine starke Antithese – in unserem Text ist es das Bild von Licht und Finsternis – und mache seinen Zuhörern klar, dass sie sich längst auf der guten Seite davon befinden, und sich jetzt nur noch so benehmen müssen.

Viele Predigten rieseln von den Kanzeln dieser Welt, die mit den Vergleichen Paulus’ spielen, sie ausmalen und schöne Beispiele dafür finden. Manche davon gefallen mir, und dennoch beschleicht mich ein Unwohlsein damit.

Vielleicht liegt das an dieser Gemeinde, in der so viele Menschen zusammen kommen, die eines gewiss nicht brauchen: Ein Rolle, in die sie gesteckt werden, sei sie gut oder schlecht. Paulus fährt da ja schließlich große Geschütze auf: Licht und Finsternis, und wir die Kinder des Lichts, aus der Finsternis geholt. Schwarz und Weiß, fast wie im Märchen. Es ist eine Weltsicht, die man bedenkenlos kleinen Kindern an die Hand gibt, aber taugt sie auch dazu, Fundament eines christlichen Lebens zu sein?

Es bereitet mir Unbehagen, in welchem Kontext die Zusage steht, ein Kind des Lichts zu sein: Im Epheserbrief ist unser Text eingebettet in eine lange Liste von Dingen, die von einem Kind des Lichts erwartet werden; einige davon würden wir heute so nicht mehr unterschreiben wollen, einige entsprechen unseren Moralvorstellungen, einige wirken etwas übergenau. Ich finde es mindestens schwierig, als Kind des Lichts bezeichnet zu werden, wenn da so viele Forderungen dran hängen. Das riecht nach “Loben, um fordern zu können”- ganz und gar nicht die Gute Nachricht.

Oder spricht Paulus seinen Lesern und Leserinnen etwa zu, dass sie Kinder des Lichts sind, weil sie es nicht wissen? Das darf bezweifelt werden: Paulus hat die Gemeinde gegründet und ihnen alles sicher mehr als einmal erklärt. Wenn ich Ines-Paul dreimal die Woche bestätigen würde: “Lieber Ines-Paul, du bist der Pastor der MCC!” – dann würde er mich zurecht bald fragen: “Sag mal, Daniel, hast du Zweifel an mir, habe ich was falsch gemacht?” Es ist wie bei dem Macho, der andauernd betonen muss, dass er auf Frauen steht, bis es endlich auch dem letzten dämmert: Mister Macho ist in Wahrheit eine “Schwester”. Unsere Gemeinde betont die grenzenlose Liebe Gottes ja auch nicht andauernd, weil sie selbstverständlich wäre – sondern weil wir viel zu oft genau das Gegenteil erleben. Je mehr Paulus die Menschen also in die Rolle des Gottes-Kindes deutet, desto weniger kann ich glauben, dass damit alles gegessen ist. Wenn es offensichtlich und zweifelsfrei wäre, ein Kind des Lichts zu sein, dann müsste Paulus es nicht erwähnen, erst recht nicht im Rahmen der vielen Ermahnungen.

Das ist der Haken am Bild vom Kind des Lichts. Wenn ein Vater seiner Tochter immer wieder zuspricht, dass sie seine Prinzessin sei, dann ist das einerseits eine zärtliche Aussage tiefer Zuneigung, aus der das Mädchen Selbstbewusstsein und Kraft schöpfen kann. Aber wie kann ein Mädchen, das eine Prinzessin sein soll, auch mal guten Gewissens die Rolle einer Räuberin einnehmen? Was soll es tun, wenn es merkt, dass es die Ansprüche, die man an Prinzessinnen stellt, einfach nicht erfüllen kann oder will? Es wird zur Kenntnis nehmen, dass ihr Vater sie als Prinzessin betrachtet – aber ihr Selbstbild bleibt unverändert, denn sie kennt sich besser. Das schöne Bild von der Prinzessin wird für sie nicht richtiger, nur weil der Vater es wiederholt.

So auch bei Paulus, der seinen Mitmenschen damals und auch uns heute immer wieder zuspricht: Ihr seid Kinder des Lichts! Ihr seid geliebte Glieder des Leibes Christi! Ihr seid neugeboren aus der Gnade Gottes!
So wundervoll tröstend, kraftspendend und ermunternd diese Worte auch sind und sein dürfen – sie könnten uns ebenso befremden und verunsichern. Sehe ich mich denn als Kind des Lichts, als Glied Christi, als neugeboren zu unvergänglichem Leben? Erkenne ich mich überhaupt wieder in den Werken des Lichts, die der Epheserbrief beschreibt? Was tun, wenn die “Werke des Lichts” bei mir eher eine “Funzel der altersschwachen Batterie” sind?

Wir werden Paulus nicht gerecht, wenn wir es uns nur wohlig den Rücken herunter laufen lassen, dass wir Kinder des Lichtes sind. Paulus mutet uns nämlich nicht nur diese Zusage zu, er mutet uns zugleich auch den Zweifel daran zu.

Es genügt nicht, sich als Kind des Lichts zu sehen, umgekehrt ist es genauso unwahr, sich NICHT als Kind des Lichts zu sehen.
Nichts, was diese Welt dunkler macht, wird heller dadurch, dass man es hell nennt. Auch wir selbst nicht.
Nichts, was diese Welt heller macht, wird dunkler dadurch, dass man es dunkel nennt. Auch wir selbst nicht.

Vielleicht wäre so mancher frustrierter Kirchenaustritt erspart geblieben, wenn man sich nicht inmitten der “Gemeinschaft der Heiligen” gewähnt hätte, sondern inmitten der Gemeinschaft solcher, die es gerne sein wollen.
Vielleicht hätte so manches helles in Gemeinden geschehen können, wenn es ihnen denn gut und richtig genug gewesen wäre.

Ich mache uns deswegen Mut, auch solche gut gemeinten Zusagen wie die des Paulus mit in den Alltagstest zu nehmen, sie nicht unbedacht auf uns herein rieseln zu lassen.
Wenn du dich als Kind des Lichts bezeichnen würdest, deckt das etwas in dir zu, das eigentlich zur Sprache kommen will? Umgekehrt, wenn du dich als Kind der Dunkelheit bezeichnen würdest, welchen Anteilen von dir würdest du damit großes Unrecht tun?

Wo wir uns nicht hinter frommen Bildern oder Feindbildern verstecken, sondern dem Zweifel daran Raum geben, wo wir uns erkennen so, wie wir sind, wo wir uns unserer Schwächen und Stärken bewusst werden, da glaube ich wird sich der Segen aus Vers 14 entfalten: “denn alles, was offenbar wird, das ist Licht”.
Wo du nicht mehr den ganzen Tag versuchen musst, heilig auszusehen, da wird Raum entstehen für eine ganz selbstverständliche, ungekünstelte Heiligkeit. Wo du dich nicht mehr schlecht machen lässt oder dich selbst schlecht machst, da wird Raum entstehen für Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte.

So lehrt uns der Text von Kindern des Lichtes vielleicht vor allem dieses: Wir mögen Kinder des Lichtes sein, gütig, gerecht, wahrhaftig. Aber nicht selten sind wir auch Söhne und Töchter der Wut, des Zornes, des Eigensinns, der Trägheit, der Anteilnahmslosigkeit, der Gier und des Neids.

Der Epheserbrief macht die mutige Zusage, dass da Licht ist, wo wir auch das offenbar werden lassen können, denn das ist die Kraft des Lichtes Gottes: Es scheint strahlend auf Dunkles und Helles, wie auch die Sonne jeden Tag über Gutem und Schlechtem scheint.

So vertraue ich darauf, dass Gottes Früchte des Lichts aus Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit in dir und mir aufleuchten, wenn wir uns selbst nicht blenden, sondern von Gott beleuchten lassen.

AMEN.

 

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