Predigt MCC Köln, 27. Juli 2014
Daniel Großer
1. Petrus 2, 1-10
Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, so sagt ein Sprichwort und meint damit: Menschen reden am liebsten davon, was in ihrem Leben gerade die größte Rolle spielt. So kommt es, dass man manchmal mehr von sich Preis gibt, als man vielleicht möchte. Aber nicht nur das, was aus uns heraus kommt, verrät vieles über uns; auch das, was wir in uns hinein lassen, spricht Bände davon, wer wir gerade sind.
So ging es mir mit dem Predigttext für diesen Sonntag. Kaum höre ich “Petrusbrief”, schon folgen meine Mundwinkel der Schwerkraft in den Keller. Petrusbrief, jetzt kommt bestimmt wieder so ein Text, der mir ganz genau vorschreibt, wie ich als Christ zu leben habe, und wie nicht, und was ich glauben soll. Und in der Tat, so beginnt auch unser Text und bedient meine Vorurteile: “So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil.” Klarer Fall – da ist doch alles gesagt, nicht wahr?
- Sei nicht gemein,
- ziehe niemanden über den Tisch,
- mach niemandem was vor, was gar nicht stimmt,
- missgönne anderen ihr Glück nicht,
- zieh nicht hinter ihrem Rücken über andere her,
- trink ein Glas Milch.
Moment…. Trink ein Glas Milch? Das klingt eher nach Mutti, aber nicht nach Petrusbrief. “Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein.” Nun habe ich als Kind so oft in Kindergottesdiensten gesessen, dass mich dieser Vergleich so einfach nicht aus der Bahn wirft. Klar, das Kindlein soll natürlich ich sein, und die vernünftige, lautere Milch, nahhaft und rein, damit ist nun sicherlich das Wort Gottes gemeint, an dem ich wachsen soll. Hätte der Autor des Petrusbriefs auch ruhig mal so hinschreiben können. Also, gedacht getan, formulieren wir die sechste Handlungsanweisung einfach um:
6. trink ein Glas Milch.
6. beschäftige dich mit Gottes Wort.
An dieser Stelle hätten meine Gedanken ihren Frieden mit dem Predigttext geschlossen. Sieht doch nach einer runden Sache aus, sechs kompakte Dinge, für jeden Tag in der kommenden Wochen eins. Und ich hätte mich natürlich im Recht gefühlt: Der Petrusbrief schreibt mal wieder vor, wie der Hase in puncto Glaubensleben läuft. Vielleicht hätte ich mich sogar dazu hinreißen lassen, noch zehn Minuten darüber zu reden, wie man sich mit Gottes Wort beschäftigen sollte, ansonsten wäre die Predigt wohl doch ein bisschen zu kurz geraten.
Das sind die Gedanken über den Petrusbrief, die ich von mir aus in mich hinein gelassen hätte. Und das verrät wirklich mehr über mein persönliches Gottesbild, als mir lieb ist. Gott, der ewige Besserwisser.
Wie der Zufall aber spielt, durfte ich am vergangenen Sonntag meine gute Freundin und Pfarrerin Anna in den neuen Bundesländern besuchen, und sie hielt eine Predigt über diesen unseren Predigttext. Anna ist ihrer Zeit manchmal eine Woche voraus, was für ein großes Glück, denn sonst wäre mir gar nicht aufgefallen, dass das, was ich verstehe, gar nicht das ist, was im Petrusbrief steht.
Im Petrusbrief steht nicht: “Streck dich weit aus, damit du an Gottes Wort dran kommst”. Dort steht ein Gleichnis. Babies wissen ganz genau, was sie brauchen: Milch! Die Mütter und Väter unter uns werden es ganz genau wissen: Wenn ein Baby seine Milch braucht, dann schreit es solange und unaufhörlich, bis es sie endlich bekommt. Anna sagt das so: Das Baby weiß, dass es jetzt die Milch braucht, damit es überleben kann. Wie groß sind dann die Freude und die Gier, wenn endlich die Mutter kommt und dem Baby behutsam die Brust gibt, damit es sich endlich laben kann an dem, wonach es sich so schmerzlich gesehnt hat. Und welch ein Genuss, den das Baby erlebt. Wenn es das nächste mal Hunger haben wird, dann schreit es umso lauter nach dieser Milch, denn es weiß ganz genau, wie gut und lecker sie ist.
Was für ein Vergleich: Dich und mich sieht der Petrusbrief als Menschen, die ganz auf diese Milch, dieses Schmecken von Gottes Wesen angewiesen sind. Die daran so Geschmack finden, dass alles andere in den Hintergrund treten muss.
Kein oberlehrerhafter Petrusbrief. Du brauchst einem Baby nicht zu sagen: “Trink deine Milch!” Du kannst es natürlich tun, aber ganz im Ernst: Ein sattes Baby zu füttern ist so unmöglich, wie in Köln ein Bauprojekt ohne Pfusch und Klüngel auszuführen. Da hilft kein noch so gutes Zureden, kein Drohen, noch nicht einmal der Trick mit dem Scheunentor. Ein Baby braucht niemanden, der ihm sagt, was es wann braucht. Sein Hunger und die Erfahrung sagen ihm: Die Milch ist lecker!
So ist unser Predigttext in Wirklichkeit gar keine Handlungsanweisung, sondern ein Versprechen: Wo du und ich Gott interessant finden, wo sie uns begeistert und anspricht, wo er sich uns schmackhaft macht, da verändert sich unser Geschmack. Da möchte ich nicht mehr jemanden spielen, der ich gar nicht bin. Da finde ich keinen Gefallen mehr daran, andere hinters Licht zu führen. Da gefällt mir mein Spiegelbild nicht mehr, wenn es schlecht über andere spricht. Da will sich etwas verändern. “Da ihr geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.”
Hier geht es gar nicht darum, etwas bestimmtes tun zu sollen oder müssen. Ich brauche kein guter Mensch zu sein, damit ich oder andere glauben können, dass Gott “freundlich” ist. Alles beginnt ja zunächst damit: Gott zeigt sich, und sie zeigt sich dir und mir als freundlich. Davon geht der Autor des Petrusbriefs aus.
Nun gibt es drei Möglichkeiten:
- “Tolle Milch!”
Du hast Gott oder einen Teil von ihr als freundlich mit dir erfahren. Vielleicht kannst du dich dann dem Petrusbrief anschließen und feststellen: Diese Freundlichkeit Gottes hat in deinem Leben etwas verändert. - “Wo bleibt meine Milch?!”
Du hast gar nicht das Gefühl, Gott irgendwie erfahren zu haben. Der Petrusbrief stellt dir etwas in Aussicht: Gott möchte sich schmackhaft machen, will dich inspirieren, Kraft und Leben spenden. Da kommt noch was! - “Die Milch ist schlecht!”
Du hast Gott als unfreundlich mit dir erfahren. Dann spricht der Petrusbrief dich frei – weg mit der schlechten Milch, ab in den Ausguss damit. Es ist Gottes Teil, sich dir auf die Art freundlich zu zeigen, die du brauchst. Vielleicht kannst du sogar das Gleichnis für dich nutzen: Ein Baby hat alles Recht der Welt, nach der guten, der süßen, der lebenspendenden Milch zu schreien! Wenn’s sein muss, die ganze Nacht lang.
„Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.“
AMEN.
Gedanken zur Reflektion:
- Wann, wo oder wie zeigt(e) Gott sich dir freundlich?
- Was ist das für eine Milch, du du in dich hineinlässt? Schmeckt sie süß oder bitter?
- Wie verändert das, was du von Gott erfahren hast, deinen Geschmack am Leben, an anderen Menschen, an dir selbst?
Segen
Jesus Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben (Johannes 14,19)
Der lebendige und lebenspendende Gott segne dich mit Sehnsucht nach dem Leben, das er schenkt.
Sie segne dich mit Sanftmut, die dich und andere erfasst.
Er behüte und begleite dich.