Predigt MCC Köln, 8. Dez. 2013
Ines-Paul Baumann
2. ADVENT: Johannes der Täufer
Mt 3,1-12 (+ Jes 40,1-9)
Was hat Nelson Mandela so glaubwürdig gemacht? Seine Taten stimmten mit seinen Worten überein.
Warum reagieren viele Menschen heutzutage so allergisch auf Kirche und Religion, oder nur noch mit Desinteresse? Weil sie eben nicht sehen, dass den Worten auch Taten folgen.
Warum sind viele Menschen außerhalb und innerhalb der römisch-katholischen Kirche so angetan von Papst Franziskus? Weil sie glauben, dass hier einer nicht nur Worte macht, sondern auch entsprechend handelt.
Sie setzen ihre Hoffnung auf Papst Franziskus, weil sie Widersprüche sehen in einer Kirche, die Barmherzigkeit predigt und Menschen unbarmherzig behandelt, die nicht in ihre Moralvorstellungen passen.
Sie setzen ihre Hoffnung auf Papst Franziskus, weil sie Widersprüche sehen in einer Kirche, die Barmherzigkeit predigt und sich selbst goldene Badewannen genehmigt.
So einige würden sich wünschen, dass Papst Franziskus hinter verschlossenen Türen ungefähr solche Worte fände für seine Kardinäle und Bischöfe wie wir sie eben von Johannes gehört haben: »Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gesagt, dass ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgeht? Zeigt durch euer Leben, dass ihr euch wirklich ändern wollt! Ihr bildet euch ein, dass euch nichts geschehen kann (…). Aber das sage ich euch: (…) Die Axt ist schon angelegt, um die Bäume an der Wurzel abzuschlagen. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.«
Wie oft wurden diese Worte missbraucht, indem sie denen gepredigt wurden, die eh schon unsicher waren (oder spätestens dadurch verunsichert wurden). Als würde sich die gesamte Menschheit immer und grundsätzlich in falscher Selbstsicherheit wiegen und müsse ständig an die Gefahr erinnert werden, Gottes strafendem Zorngericht ausgesetzt zu sein. Aber schon Johannes predigte diese Worte damals nicht zum „einfachen Volk“, sondern zu den führenden religiösen Gruppen.
Dem sogenannten „einfachen Volk“ gibt Johannes hier stattdessen etwas an die Hand, damit sie eben nicht einfach alles hinnehmen, was die offiziellen Stellvertreter Gottes von ihnen verlangen. Statt alles zu glauben, sollen sie genau hinsehen. Er gibt ihnen sogar einen Maßstab mit, an dem sie ihre Religionsführer messen sollen: Achtet darauf, welche Frucht sie bringen! Zu was führt das, was sie predigen und tun und von euch verlangen? Was macht das aus Menschen, aus Familien, aus Gemeinschaften? Entspricht das wirklich dem Willen Gottes oder nur dem einer Macht-Elite?
Es gibt manche Strömungen im Christentum, die einiges von dem, was wir hier selbstverständlich finden, verurteilen würden als etwas, das nicht Gottes Willen entspreche. Menschen in gleichgeschlechtliche Beziehungen sind bei uns genau so willkommen wie heterosexuelle. Die Teilnahme am Abendmahl ist bei uns an keinerlei Voraussetzungen geknüpft. Wir glauben, dass in der Bibel Gottes Wort zu finden ist, aber auch viel menschliche Prägung, und dass Menschen zu unterschiedlichen Auslegungen dieser Schrift gelangen können. Wir glauben an ein pluralistisches inklusives Christentum. Die Liebe Gottes und die Menschenwürde gelten allen Menschen, unabhängig davon, ob oder welcher Religion sie angehören. Bei uns bekommen Menschen den Raum und die Zeit, die sie selbst brauchen, um ihren Gottesbezug zu klären – frei von Angst, Manipulation, Druck und Drohungen. Wir grillen nicht nur deswegen mit unseren heidnischen Nachbarn, um sie am Schluss zu bekehren. Sexualität ist bei uns nicht nur ein Mittel zum Zeugen von Kindern im Rahmen einer heterosexuellen Ehe.
Manches davon ist manchen christlichen Kreisen „ein Greuel“. Ihre moralischen und theologischen Meinungen sehen das anders – und natürlich sind nur ihre moralischen und theologischen Meinungen wirklich gottgemäß. Wer ihnen nicht folgen will, wird aus der Gemeinde ausgeschlossen, im Freundeskreis höchstens noch aus „christlicher Nächstenliebe“ geduldet und zum Teil von der eigenen Familie verstoßen. Menschen werden ängstlich, bekommen ein schlechtes Bild von sich, fühlen sich für alles schuldig, bekommen Depressionen, dürfen aber keine fachliche psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, denn auch das ist Teufelszeug. Um dem Druck auszuweichen, fangen Menschen an zu lügen und sich zu verstellen. Sie „lernen“, sich und anderen etwas vorzumachen. So einige kehren Gott und ihrem Glauben irgendwann ganz den Rücken zu. Immer wieder bringen sich welche um.
Sind das die guten Früchte, wie sie die Bibel beschreibt? Sind Lügen, Ausgrenzung, Hass und Unglaube etwa die Früchte des Heiligen Geistes, die Früchte der frohen Botschaft, die Früchte von Jesu Wirken?
Wieso sollen ausgerechnet solche Stellvertreter Gottes, deren Worte und Taten zu solchen Früchten führen, das Recht haben uns zu sagen, was Gottes Willen ist? Dass wir umkehren müssen in ihre Vorstellungen von Christsein? Dass wir dann aber in IHRER Gemeinde automatisch zu den Erlösten und Geretteten gehören würden?
Wie befreiend klingen die Worte von Johannes auch angesichts solcher Forderungen… (»Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gesagt, dass ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgeht? Zeigt durch euer Leben, dass ihr euch wirklich ändern wollt! Ihr bildet euch ein, dass euch nichts geschehen kann (…). Aber das sage ich euch: (…) Die Axt ist schon angelegt, um die Bäume an der Wurzel abzuschlagen. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.«)
Lügen, Ausgrenzung, Hass und Unglaube sind keine guten Früchte. Gott selbst ist daran gelegen, ihre Kirche von solchen Worten und Taten zu reinigen, die solche Früchte hervorbringen. Das betrifft nicht nur die Gemeinden unserer Geschwister in anderen Kirchen, es gilt selbstverständlich auch für uns hier. Kirche hat eine wichtige Aufgabe, Gott vertraut uns ein wichtiges Werk an. Der Ruf von Johannes gilt auch heute noch: »Bereitet dem Herrn den Weg! / Ebnet ihm die Straßen!«
Dieser Ruf, Gott den Weg zu bereiten, ist der Stelle im Alten Testament entnommen, die wir anfangs gehört haben (Jes 40,1-9). In dieser Stelle wird nicht nur Gott selbst ein Weg gebahnt. Das Einebnen der Straßen soll auch den Menschen einen Weg bereiten, die damals aus der Verbannung des Exils in ihre alte Heimat zurückkehrten. Aus der Gefangenschaft fanden sie den Weg zurück in ihren Lebensmitte. Aus den Ausgestoßenen wurden Heimkehrende.
Den Frommen damals war diese Anlehnung bekannt. Der Ruf des Johannes war der Ruf an die Ausgestoßenen, sich auf den Weg zu machen. Im Himmelreich kehren sie in ihr wahres Zuhause zurück, raus aus allen Gefangenschaften, raus aus allen Bedrängnissen von Ausgrenzung und Herrschaften und Mächten. Die Umkehr meint eine Heimkehr.
Es hätte der Job der religiösen Führer damals sein sollen, Wege zu ebnen für diese Heimkehr, statt sich in Selbstgewissheit und dem Aufstellen von Regeln für andere einzurichten. Teil der guten Früchte ist auch heute die Einebnung all dessen, was Menschen bei ihrer Heimkehr ins Himmelreich im Wege steht:
– Also weg mit Liturgien nur für Insider,
– weg mit dem Verweis auf „Gottes Willen“ bei Moralvorstellungen, die zu Lügen, Ausgrenzung, Hass und Unglauben führen,
– weg mit der Selbstgewissheit, Ignoranz und Bequemlichkeit, nur Eigene/s auszuhalten,
– weg mit aller Heuchelei, hohlen Worten und allem Unwahrhaftigen,
– weg mit dem Festhalten an Früherem, Bewährtem und Traditionellem, wo es nur einer bestimmten Gruppe von Menschen zugänglich ist und nur einer bestimmten Gruppe von Menschen Zugang ermöglicht / erlaubt.
Jesus hat es uns vorgemacht: Jesus ist nicht einfach an der Seite Gottes sitzengeblieben, während die religiösen Führer ihren Job vernachlässigten, sondern hat sich auf den Weg gemacht. Auf Erden hat er es sich nicht in der Mitte der Gesellschaft bequem gemacht – seine Nähe zu den machthabenden politischen und religiösen Führern konnte sehr unbequem werden für sie (und für ihn, wie seine Hinrichtung am Kreuz zeigt). Und statt diejenigen am Rand einfach zurückzuholen in die religiöse und gesellschaftliche Mitte, in die Tempel, hat er sich auf den Weg gemacht zu denen am Rand und hat ihnen dort, wo sie waren, das Himmelreich gebracht – abseits aller religiösen Zentren und Gepflogenheiten.
Es war nicht Aufgabe derjenigen am Rand, sich auf den Weg in die Mitte zu machen. Aber es hätte Aufgabe derjenigen in der Mitte sein müssen, sich auf den Weg an den Rand zu machen – zu den Außenseiten, zu den Ausgeschlossenen. Eine Kirche, in der die Ausgeschlossenen nicht sichtbar sind, repräsentiert nicht das Himmelreich.
Kirche heute muss sich auch heute an dem messen lassen, was Johannes und Jesus getan haben. Stellen wir Hürden auf oder machen wir die Bahn frei? Sagen wir die Wahrheit und verkünden das Himmelreich? Bekommen diejenigen, die Mist bauen, hier gesagt, dass sie Mist bauen? Können diejenigen, die Alternativen und Möglichkeiten suchen, hier die Alternativen und Möglichkeiten finden, die Jesus ermöglicht? Bieten wir Umkehr als Heimkehr an?
Ich möchte euch einladen, diesen Wegen für euch selbst nachzuspüren. Nimm dir zwei Stifte in unterschiedlichen Farben und zeichne den Weg des Labyrinths nach. Auf dem Weg von außen hinein zur Mitte und anschließend wieder von der Mitte nach außen kannst du beiden Wegen in deinem eigenen Leben nachspüren:
- In die Mitte = der Weg deiner Heimkehr in das Himmelreich
Auf welchen Wegen hat Gott meine Bahn geebnet, meinen Weg geführt? Wo fand/findet Umkehr in meinem Leben statt? Wo fühl(t)e ich mich ganz nah dran, wo muss(te) ich nochmal eine Schleife drehen? Wo komme ich hin, wenn Gott mich zu mir führt, wo bin ich da, in meiner Mitte - Nach außen = der Weg, den dein Leben dem Himmelreich bahnt
Welche Wege möchte Gott sich bahnen in und durch mein Leben? Wie kann sich Gott die Bahn ebnen? Wo sollte ich Umkehr ansagen oder vollziehen, damit das Himmelreich in der Welt seinen Weg findet? Welchen Bezug habe ich zu meiner eigenen Mitte, wenn ich mich den Menschen und Themen am Rand zuwende? Wie nah dran ist das an mir, wie viel Blick nach außen verlangt das von mir? Wo führt mich dieser Weg hin?