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Wie wichtig ist, wer sonst noch glaubt, was ich glaube? (Auch Wissen ist hierarchisch strukturiert…)

Impuls MCC Köln, Ines-Paul Baumann
14. Januar 2024

1. Korintherbrief 2,1-10

Zusammenfassung – etwas abstrakt :)

1. Die Macht von Glaubensinhalten soll nicht von den Glaubensinhalten der Mächtigen abhängen.

1.1. Auch Wissen ist hierarchisch strukturiert.

Welche Perspektiven haben Eingang gefunden in das, was als Wissen vermittelt wird? Welche Erfahrungen haben eine Stimme in diesem Wissen?

1.2. Hierarchien ändern sich; das mit ihnen verbundene Wissen ist vergänglich. Das Wissen über eine_n unvergängliche_n G*tt soll aber nicht mit den vergänglichen Mächten vergehen.

2. Der Erwerb von Glaubenswissen soll frei sein von hierarchischen Strukturen und manipulativen Strategien.

2.1. Kein Mensch soll zum Glauben überredet werden.

2.2. Wer anders glaubt, „kann nichts dafür“.

Impuls – etwas ausführlicher :)

Die Glaubenden gegen die Unglaubenden (und umgekehrt, aber in dem heutigen Text geht es um die Perspektive von Glaubenden): Wie oft wird hier ein Keil reingetrieben.

Erstens wird es hierfür dann so dargestellt, als sei Unglaube ein Mangel – ein Mangel an Erkenntnis, Wissen, Einsicht, Haltung oder gar Charakter.

Zweitens wird den Glaubenden dann nahegelegt, diesem Mangel etwas entgegensetzen zu sollen und alle anderen von ihrem eigenen Glauben überzeugen zu müssen.

Auch der heutige Text kann durchaus so gelesen werden: „Wir“ gegen „die“.

Aber mal angenommen, Paulus orientiert sich selbst an dem (aktuell als Jahreslosung gewählten) Vers, den er etwas später im selben Brief allen mitgibt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (2. Korintherbrief 16,14). Vielleicht nimmt er sich das ja auch selber zu Herzen. Dann ließe sich der Text vielleicht auch so auslegen, dass er den Keil zwischen Glaubenden und Unglaubenden eben NICHT tiefer treibt:

Paulus stellt sich selbst als Vorbild dafür dar, dass Menschen nicht mit manipulativen Mitteln zum Glauben „überredet“ werden sollen. Zum Glauben soll nicht überredet werden, sondern Glaube soll aus dem Wirken Gottes heraus entstehen. Glaube soll allein im göttlichen Wirken gründen, nicht im menschlichen Einwirken auf andere. Sowohl diskursive Techniken als auch Strategien, um sich gut zu präsentieren, weist Paulus weit von sich.
(Was er freilich diskursiv geschickt und mit präsentationsmäßigem Understatement darstellt. Weswegen ich um so mehr glaube, dass ihm inhaltlich an diesem Punkt wirklich gelegen ist.)

– Wenn andere also anderer Meinung sind als die Glaubenden, dann ist es nicht ihre Schuld. Wenn allein G*tt bewirkt, dass Glaube entsteht, was können anders Glaubende dann dafür, dass sie anders glauben? Und dann liegt es eben an G*tt selbst, das zu ändern, nicht an den bereits Glaubenden.

Anstatt also weiter einen Keil zwischen die Glaubenden und anders Glaubenden zu treiben, könnte dieser Text auch als Entlastung und Versöhnung gelesen werden.

Dies gilt insbesondere angesichts der Abgrenzung, die Paulus zu den Mächtigen seiner Zeit hervorhebt. Das Wissen über Glaubensinhalte soll nicht nur unabhängig sein von menschlichem Einwirken insgesamt, sondern insbesondere von jedem Zusammenspiel mit den „Herrschern dieser Welt, die vergehen“ (Vers 6).

Die Vergänglichkeit der weltlichen Herrscher steht für Paulus immer wieder in einem wichtigen Gegensatz zur Unvergänglichkeit des Reiches Gottes. Insofern darf auch das Wissen über das (unvergängliche!) Reich Gottes gar nicht erst geknüpft sein an das Wissen der (vergänglichen!) Herrscher.

Anders gesagt: Paulus macht hier einen Zusammenhang auf zwischen der Frage, WAS ich weiß, und der Frage, WIE und WOHER ich das weiß.

Tatsächlich ist auch Wissen hierarchisch strukturiert (nicht nur der Zugang dazu, sondern auch die Inhalte).

Erst 1994 wurde in Deutschland das Gesetz aufgehoben, das es Männern verbot, Sex mit Männern zu haben (§ 175). Viel von dem offiziell zugänglichen Wissen, das wir aus dieser Zeit über Sex von Männern mit Männern haben, stammt aus Polizeiakten, Gerichtsvorgängen und Gefängnisstrafen. Wissen über Beziehungen heterosexuelle Männer wurde hingegen in jedem Familienfoto und auf jeder Familienfeier weitererzählt. Lesbisches Lieben und Begehren kommt auf beiden Ebenen nicht vor. Was macht das alles mit den Inhalten des „Wissens“, das weitergetragen wird?

Anderes Beispiel: Christlicher Glaube in Deutschland hat sich nicht ohne Glaubenskriege durchgesetzt und entwickelt. Welchen Einfluss hat das auf die Glaubensinhalte, die durchgesetzt und entwickelt wurden? Und welchen Einfluss auf die Inhalte hatte/hat es, dass sie meist von (weißen) Männern durchgesetzt und entwickelt wurden? Etc etc…

Nehmen wir uns ein bisschen Zeit für die Zusammenhänge zwischen dem, WAS wir glauben, und der Frage, WIE wir dazu kommen.

Fragen zum eigenen Wahrnehmen und Vertiefen

(Schau einfach, welche Frage in dir Resonanz auslöst, was in dir auftaucht, was sich zeigt…:)

  • Wie wichtig ist mir, wer sonst noch glaubt, was ich glaube?
    (Wie wichtig ist mir, wer sonst noch NICHT glaubt, was ich NICHT – mehr – glaube?)
  • Wovon wurde geprägt, was die Inhalte meines Glaubens prägt? Welche Sichtweisen hatten Einfluss, welche Perspektiven hatten eine Stimme? Was ist mit den Erfahrungen von Menschen, die sonst nicht zuvörderst sichtbar sind – wo haben diese Erfahrungen Ausdruck gefunden?
  • Wie geht es mir damit, dass andere Menschen andere Weltanschauungen haben als ich? Habe ich Frieden damit, erfüllt es mich mit Unfrieden? Und wie prägt das mein Verhalten ihnen gegenüber?
  • Gibt es auch in mir selbst innere Stimmen, die unterschiedliche Sichtweisen einbringen? Wie geht es mir damit?

Kontemplation & Gebet

G*tt, in der Stille bringen wir vor dich und uns,
was global auf dieser Erde los ist – und was unser Wissen darüber prägt.
Stille

G*tt, in der Stille bringen wir vor dich und uns,
was innerhalb, an und außerhalb der Grenzen unseres Nationalstaats los ist – und was unser Wissen darüber prägt.
Stille

G*tt, in der Stille bringen wir vor dich und uns,
was in unserem direkten Umfeld los ist – und was unsere Zugänge dazu prägt.
Stille

G*tt, in der Stille bringen wir vor dich und uns,
was in der MCC weltweit und in der MCC Köln los ist – und was unseren Umgang damit prägt.
Stille

G*tt, in der Stille bringen wir vor dich und uns,
was in uns selbst los ist – und was unseren Umgang damit prägt.
Stille

Segen

G*tt stärke, was in dir wachsen will.
Sie schütze, was dich lebendig macht.
Er schenke dir, was für dich heilsam ist.
Nin schaue auf alles, was du freigibst.

(in Anlehnung an einen Segen aus der feministischen Theologie)

 

 

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