Ines-Paul Baumann
Apg 10
Einer Enthüllung von Bibleaks ist es zu verdanken, dass eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Christentums nun nicht in Vergessenheit gerät. Was in der Bibel so harmlos geschildert wird als die Bekehrung des Kornelius durch Petrus, läutete die Öffnung des Glaubens für Menschen aus aller Welt ein. Deutschland und Europa wären wahrscheinlich nie Teil dieser Glaubensrichtung geworden, hätten nicht damals die ersten Christen aufgehört, Menschen aus anderen Ländern und Kulturen nur wegen ihrer Herkunft auszuschließen.
Marketing-Experten rätseln, wie es zu dieser beinahe verheerenden Unterschätzung der damaligen Ereignisse kommen konnte. Ihr Vorwurf gilt in erster Linie den Verfassern der damaligen Texte, die wir heute als „Apostelgeschichte“ in der christlichen Bibel finden. Unklar ist, ob ihnen die Bedeutung der Ereignisse einfach bloß unklar war, oder ob sie ihre Bedeutung bewusst herunterspielten. Aus heutiger Sicht ist es unverständlich, das Schicksal eines einzelnen Menschen so in den Vordergrund zustellen, wo es doch um einen so großen historischen Schritt ging. Allerdings mangelt es den damaligen Akteuren auch sonst an vielen Stellen an einer planvollen Herangehensweise. Mit ihrem uneinheitlichen Auftreten, ihren Streitereien und ihrer zum Teil geradezu lebensfremden Beharrlichkeit waren sie ihrer großen Aufgabe eigentlich kaum gewachsen. Manager, die mit einer Untersuchung der damaligen Ereignisse beauftragt wurden, bemängeln das Fehlen einer Corporate Identity, das Fehlen einer klaren Vision, Unklarheit über die Kernwerte der Bewegung und das Fehlen eines Strategiepapiers.
Das Fehlen dieser Konzepte und Papiere macht es auch so schwierig, die Ereignisse bei der Bekehrung des Kornelius daraufhin einzuschätzen, wie sie in der damaligen Zeit aufgenommen wurden. Aus den Quellen geht klar hervor, dass das Vorgehen des Petrus für Streit unter den Anhängern der Bewegung sorgte und er sich für sein Handeln rechtfertigen musste. Der Streit entzündete sich daran, dass bis zu diesem Zeitpunkt alle davon ausgegangen waren, dass die Stimme Gottes nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises wahrgenommen werden konnte. Dass es nun plötzlich allen Menschen möglich sein sollte, mit diesem Gott in direktem Kontakt zu stehen, sorgte für Entsetzen und Diskussionsbedarf.
Die Texte in der Apostelgeschichte unterstreichen die Unkontrollierbarkeit der Stimme Gottes durch Menschen. Sie vermittelte sich MIT und OHNE Erscheinungen, sie erklang während UND außerhalb von Gebetszeiten, sie wurde vernehmbar für EINZELNE Menschen und innerhalb der Versammlung als GRUPPE.
Für Millionen Ratgeber und Kurse mit Anleitungen und Übungen, wie die Stimme Gottes für Suchende konkret erschlossen werden könnte, sind diese Befunde ein Ärgernis. Erste enttäuschte Kunden fordern bereits ihr Geld zurück, weil sie trotz aller Anstrengungen keine Eingebungen einer Stimme Gottes erfahren haben. In vielen Foren im Internet und in vielen Ortsgemeinden finden sich hingegen Menschen zusammen, die von Gebetserfahrungen ganz ohne die Vermittlung durch Kurse, Übungen und Meister erzählen. Auch aus diesen Berichten lässt sich allerdings kein einheitliches Bild zeichnen. Erfahren die einen die Stimme Gottes ganz vertraut im Rahmen ihrer Erfahrungen und Tradition, haben andere die Stimme Gottes genau da erfahren, wo sie neue Schritte wagten. Die einen erfahren Gottes Stimme innerhalb von Glaubensgruppen, andere berichten von Erfahrungen in dem Moment, als sie sich von äußeren Einflüssen angeregt auf neue Schritte eingelassen haben. Die Zeugen erwähnen Bilder und Eindrücke, aber auch Logik, Vernunft, Geschichte und Wissenschaften; sie verorten ihre Erfahrungen im Herz UND im Verstand; manche Inhalte stimmen überein mit den Erwartungen ihrer Umgebung, manchmal rufen sie auf zum Widerstand gegen ihre Umgebung. Viele der Betroffenen berichten von einem tiefen Frieden, der sich in ihnen ausbreitet; immer wieder kann die Stimme Gottes Menschen aber auch aufrütteln oder durcheinander bringen.
Die Forscher sind ratlos ob dieser Vielfalt. Wie sollen sie Programme und Ratgeber entwerfen, wenn ein stufenweises Fortschreiten beim Einüben der Meisterschaft der Gottesstimmenwahrnehmung nicht beschrieben werden kann?
Auch wenn es offensichtlich jede und jeden treffen kann, ist der Anteil von Laien im Vergleich zu ausgebildeten Experten kontinuierlich hoch. Auch die Ereignisse bei der geschichtsträchtigen Bekehrung des Kornelius wurden weniger angestoßen von den damaligen Experten und Ausgebildeten, sondern wurden getragen durch Außenstehende, die keinerlei Vorbildung im christlichen Glaubensleben genossen hatten, und durch einen zwar hingegebenen, aber etwas planlosen Christen, der bei den ganzen Ereignissen öfter auf dem Schlauch zu stehen schien als den Überblick zu haben. Nicht mal der Besuch einer Kirche oder der Gang zu einem Priester spielten eine Rolle bei dem Aufeinandertreffen der Protagonisten.
Trotz so vieler nicht fassbarer Einflüsse fanden die Experten doch ein paar Übereinstimmungen in Bezug auf die Wahrnehmung der Stimme Gottes bei den Ereignissen in der Apostelgeschichte:
Sowohl Kornelius als auch Petrus waren Menschen, die beteten. (Die Fachleute wundern sich übrigens, dass Kornelius in der Apostelgeschichte trotzdem als Heide bezeichnet wird. Wie konnte ein Mensch, der gläubig ist und betet, als Heide gelten? Den Schlüssel fanden sie in dem Geschehen am Ende der Ereignisse, während Petrus seine Rede hielt: Offensichtlich galten Menschen damals erst dann als Christ, wenn sie diesen Glauben mit dem Wissen um Jesus Christus verbanden. Die Experten sind sich heute uneing, ob so eine Unterscheidung dem interreligiösen Dialog eher im Wege stehen würde oder durch die Anerkennung von Unterschieden sogar fruchtbar anregen könnte. Aus der Apostelgeschichte finden sich für beide Sichtweisen Begründungen. Offensichtlich versteht sie auch die Gebete des Kornelius als Gebete zu dem Gott, zu dem auch Petrus betete. Zum anderen sieht sie erst die Hinwendung zu Jesus Christus als die entscheidende Gebetserhörung der Gebete des Kornelius.)
Erstaunlich finden die Experten, wie mit Kornelius und Petrus Menschen an so unterschiedlichen Orten, die nichts voneinander wissen, deren Lebensstile und Kulturen einander fremd sind, ja die nach den Regeln der Gesellschaft gar nichts miteinander zu tun haben dürften, wie Gott in diesen beiden Menschen unabhängig voneinander anfängt zu wirken.
Beiden gemeinsam ist auch, wie sich beide darauf einlassen, über ihre eigentliche gesellschaftliche Gruppenzugehörigkeit den Weg aufeinander zu zu gehen.
Ein weitere Faktor ist, dass sich beide an dem Leben Jesu Christi orientieren, über die Worte und die Geschichte Jesu nachdenken und ihre eigenen Erfahrungen und ihr eigenes Tun in Bezug zu ihm setzen.
Dort, wo dies geschieht, erleben diese so unterschiedlichen Menschen beide das Wirken des Heiligen Geistes.
Forscher haben auf die Frage, wie Menschen dieses Wirken des Heiligen Geistes merken können, immer wieder dieselbe unbefriedigende Antwort bekommen: „Du merkst es einfach.“
Mit der Apostelgeschichte übereinstimmend wurde zudem sowohl die Stimme Gottes als auch der Heilige Geist als etwas beschrieben, das eben nicht mit der eigenen Stimmen oder einer allgemein in der Natur erfahrbaren Kraft gleichzusetzen sei.
Da die Antworten „du merkst das einfach“ und „es kommt ganz eindeutig von außerhalb“ nicht wirklich weiterführten, änderten die Forscher ihre Herangehensweise und fragten stattdessen: Was könnten die Gründe sein,warum eine Person die Stimme Gottes in ihrem Leben NICHT wahrnimmt? Gibt es vielleicht bestimmte Momente, an denen sich entscheiden könnte, ob sie auf dem Weg ist, die Stimme Gottes in ihrem Leben wahrzunehmen oder nicht? Tatsächlich fanden die Forscher bei vielen Betroffenen sich ähnelnde Erfahrungen. Die Phasen, die Petrus in der Apostelgeschichte durchläuft auf dem Weg von seiner ersten Erscheinung bis zu seiner Rede bei Kornelius, sind exemplarisch für die Erlebnisse, von denen auch andere Betroffene erzählten. In der Reihenfolge, wie Petrus sie erlebte, lassen sie sich folgenden Aussagen und Fragen zuordnen. An jeder dieser Stellen hätte die ganze Geschichte zu Ende sein können. Aber jeder dieser Punkte war für Petrus damit verbunden, die Stimme Gottes in seinem Leben wahrzunehmen:
1) „Das entspricht nicht meinen Überzeugungen!“
Dies war die erste Reaktion des Paulus auf die Erscheinung mit den Tieren im Tischtuch. „Oh nein, Gott! Ich KANN diese Tiere nicht essen. Ich habe noch NIE etwas Unreines und Verbotenes gegessen.“ sagt Petrus.
„Das habe ich noch NIE so gemacht! Das entspricht nicht meinen Überzeugungen! Das entspricht nicht meinen Vorstellungen! Das kenne ich nicht! Das wäre viel zu anders als alles, worauf ich ich bisher verlassen habe!“
2) „Ich bin ratlos, was das bedeuten soll.“
Das ist die Reaktion des Petrus nach der Erscheinung. „Was soll das? Ich versteh das nicht!“ Petrus könnte jetzt den Fernseher anschalten und das Ganze vergessen. Viel zu viel Arbeit und Mühe, da jetzt drüber nachzudenken.
3) „Ich werde hier unangemessen behandelt.“
Als Petrus bei Kornelius ankommt, fällt der ihm zu Füßen und betet ihn an. Aus Sicht von Petrus benimmt er sich damit wie einer, der keine Ahnung davon hat, wie man sich unter Christen benimmt und was dort als richtig und falsch gilt. Petrus muss ihm erst mal klarmachen, dass auch er nur ein normaler Mensch ist. Experten für heutiges Christentum sind sich einig, dass sich manche Kirchenmenschen mal wieder ein Vorbild daran nehmen sollten. Bei ihren Beobachtungen von Christen erlebten sie eher das Gegenteil: Die meisten wollen besser behandelt werden, als es ihnen zuteil wird. „Habe ich nicht etwas mehr Anerkennung verdient für das, was ich hier tue?“ Sowohl das Verhalten des Petrus als auch das vieler Christen wirft aus der Sicht der Fachleute dieselben Fragen auf: „Wer bin ich vor Gott, wer bin ich vor den Menschen, welche Erwartungen habe ich, passt das zu dem, wie Gott mich sieht und wozu Gott mich berufen hat? Nutze ich die Situation, um mir Anerkennung zu verschaffen?“ Petrus schraubt das alles direkt herunter. Sein Gegenüber ist für ihn ein gleichwertiges Gegenüber – auch wenn der offensichtlich manches komisch sieht.
4) „Was soll ich hier?“ / „Welche Aufgabe wartet auf mich?“
Selbst als Petrus bei Kornelius angekommen ist, hat er immer noch keine Ahnung, was er da soll. „So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen.“ Hier ist nicht der Übermensch, der jede Situation und jeden Menschen durchschaut. Er ist einfach da und fragt sein Gegenüber.
Wo gehen WIR hin, ohne zu wissen, warum wir da hingehen? Ob wir da hinpassen? Was Gott da von uns will? Was die anderen um uns herum brauchen? Haben wir den Mut, im offenen Miteinander herauszufinden, was das sein könnte?
5) „Zugegeben, das wusste ich bisher noch nicht.“
Ganz schwierig! Da soll Petrus als der Beauftragte Gottes agieren, und das erste was er macht, ist staunend dastehen. „Oh, das ist mir neu. Das wusste ich bisher auch nich nicht.“ Büßt er damit nicht Autorität ein? Wo ist seine Sorge um seinen Ruf? – Warum müssen wir immer so tun, als wüssten wir alles – insbesondere dann, wenn jemand Fragen zu unserem Glauben hat?
6) „Ja wie, DIE auch!?!“
Besonders einladend wirken Petrus und seine Begleiter ja nicht. Begrüßen Kornelius mit der Feststellung, wieviel Ärger sie sich durch ihren Besuch bei ihm einhandeln können, und als das Ganze dann trotzdem dazu führt, dass das kein Desaster wird, sind die Begleiter von Petrus ganz entsetzt, dass sie ihren Glauben nun mit DIESEN Leuten teilen sollen. „DIESE“ Leute, das können viele sein. Jede und jeder hat seine eigenen „DIESE“ Leute…
Wenn du eines oder mehrere dieser Symptome in der letzten Zeit oder heute an dir bemerkt hast, könnte es sein, dass Gott sich gerade mit dir auf den Weg gemacht hat und etwas Besonderes oder Neues mit dir vorhat :)